Auerbach
04.10.2022 - 09:02 Uhr

Matthias Egersdörfers scharfsinniger Pessimismus in Auerbach

Trockener Humor trifft Wutausbrüche trifft eine bemerkenswerte Auffassungsgabe: Matthias Egersdörfer, Kabarettist aus Franken, ist am Freitag im Kolpingsaal Auerbach mit seinem neuen Programm "Nachrichten aus dem Hinterhaus" aufgetreten.

Es ist ein Manifest, das Matthias Egersdörfer zum Zentrum seines neuen Kabarettprogramms "Nachrichten aus dem Hinterhaus" gemacht hat. Das Manifest des idealen Sonntags, um genau zu sein. Genug Zeit für die Zuschauer am Freitagabend, 30. September, im fast voll besetzten Kolpingsaal in Auerbach, sich darauf vorzubereiten. In gewohnter Manier bindet Egersdörfer das Publikum mit ein in sein Programm, testet einzelne Zuschauer und stellt ihre Bildung in Frage. Doch eigentlich geht es an dem Abend um Manifeste, um die Kindheit des Kabarettisten und um seine Auffassung von sich selbst.

Viel hat Egersdörfer nicht auf der Bühne. Gekleidet ist er minimalistisch in Jogginghose und nicht zusammenpassenden Socken. Eine Tasche steht neben dem Tisch, an dem Egersdörfer aus einer Tasse schlürft. Schon zeitig im Programm enthüllt er, was er darin mitgebracht hat. Seine Mutter, in Gestalt einer Handpuppe, die er "in einem Anfall von Selbstmitleid und Einsamkeit aus einem Sofapolster geschnitzt" hat. Sie hilft ihrem "Sohn", sein Manifest zu vermarkten, gibt ihm grenzüberschreitende Ratschläge und führt "Telefonate" mit Verlegern.

Meditativer Beobachter

Und löst diverse Rückblenden aus, die Egersdörfer mal humorvoll-leidend, mal mit Groll auf seine überfürsorgliche Mutter, mal sogar fast surreal in Erinnerungen an seine Kindheit schwelgen lassen. Doch so sehr Egersdörfer sich selbst auch bedauert, so sehr zeigt er hier auch den überraschend scharfsinnigen, fast meditativen Beobachter, der hinter der rau-aggressiven Fassade steckt.

Die aufbrausende Art, die Egersdörfer längst zu seinem Markenzeichen gemacht hat, hat natürlich auch an diesem Abend nicht gefehlt. "Dünnhäutig", wie er sich nennt, kann er sich wunderbar über die kleinen und großen Eigenheiten seiner Mitmenschen aufregen. Sehr zur Freude der Zuschauer im ordentlich besetzten Kolping-Saal. Dessen Bühne ist Egersdörfers imaginäres Wohnzimmer, über Lautsprecher hört man die Nachbarn lärmen. Eine Mietpartei nach der anderen stellt der Kabarettist vor und beschwert sich über deren jeweiligen Macken.

Angenehm unpolitisch

Dabei zeichnet er Bilder, die dermaßen bunt sind, dass er im Publikum gleichzeitig das Bedürfnis weckt, dort zu wohnen und dem Haus möglichst fernzubleiben. Metaphern wie Egersdörfer macht sonst kaum jemand. Er spricht von konisch zulaufenden Körperformen und bierdeckelgroßen Nasenlöchern. Und bei all dem bleibt er angenehm unpolitisch.

Die Essenz seines Programms: Er mag sich selbst genauso wenig wie alle anderen. Bei all der Aufregung und seinen Wutausbrüchen scheint sich Egersdörfer aber trotzdem Sorgen um seine Außenwirkung zu machen. Er betont mehrfach, er wolle nicht immer als Grantler dargestellt werden. Den Abend schließt der Kabarettist mit einer liebevollen Beleidigung an das Publikum und Auerbach, äußert aber gleichzeitig den Wunsch, doch freundlicher zu den Leuten und optimistischer zu sein. "Sie merken es, ich könnte es, ich hab es nur kein einziges Mal gemacht."

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.