Geplante Windräder am Grenzkamm als Gefahr für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit?

Bärnau
07.02.2022 - 14:15 Uhr
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Am Grenzkamm bei Bärnau sind vier weitere Windräder geplant. Eine Gemeinschaft an Akteuren, die sich seit Jahrzehnten bemüht, das Grenzland kulturell und touristisch aufzubauen, sieht durch die Windräder ihre Projekte bedroht.

Neben sechs Windrädern beim Ahornberg sind vier weitere am Grenzkamm geplant. Der Landstrich ist kein Schutzgebiet. Warum es eins werden soll, erklärt Alfred Wolf. Er und seine Mitstreiter sprechen sich deutlich gegen weitere Windräder an diesem Standort aus.

Vor über einem Jahr ist bekannt geworden, dass das Unternehmen Strauß & Niebauer am Grenzkamm vier weitere Windräder bauen will - neben den sechs bestehenden beim Ahornberg. Kurz darauf, im Juni 2021, formierte sich eine ganze Gruppe, die gegen die Windräder-Pläne an diesem Standort sind. "Wir", sagt Alfred Wolf, Vorsitzender des Vereins "Via Carolina - Goldenen Straße", "sind eine Gemeinschaft von Verbänden und Organisationen, die sich erheblich sorgen, dass durch die geplanten Windräder der Natur- und Kulturkorridor entlang des Grenzkamms schwer geschädigt wird."

Insgesamt bekomme man von den Plänen sehr wenig mit, ärgert sich der Bärnauer. Erst über Umwege habe der Verein die Nachricht vom geplanten Windpark erhalten. Es seien vier Windkraftanlagen, zwei am Waldrand östlich von Stöberlhof sowie zwei am Hinteren Steinberg geplant. Diese sollen rund 180 Meter hoch werden.

Veränderungssperre gefordert

Weil das Gebiet am Grenzkamm kein Schutzgebiet ist, sei es ein "Eldorado" für die Planer. Zwar sei ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren sowie ein vorgeschaltetes Prüfverfahren notwendig. Aber dadurch, dass das Bauvorhaben als privilegiert eingestuft ist, habe es das Landratsamt schwer, die Windräder abzulehnen. "Andere Interessen werden hinten an gestellt", kritisiert die Initiative, die im vergangenen halben Jahr im Hintergrund aktiv war. Durch das derzeitige Aufflammen der Diskussion wolle sie auch ihren Standpunkt klar machen. "Unser Ziel ist es, den Schutzstatus für diese Flächen zu erreichen", betont Wolf. "Wir fordern die Freihaltung des Grenzkamms." Die Gruppe befürwortet, dass Landrat Roland Grillmeier sensible Bereiche mit einer Veränderungssperre schützen lassen möchte.

Tschechien fordert Umweltprüfung

Besonders vonseiten der tschechischen Nachbarn gebe es massive Einwände aus dem Umweltministerium. Auf der anderen Seite der Grenze liegt das Naturschutzgebiet „Cesky Les“. Das Ökosystem in diesem Bereich gehört zum Grünen Band. Mit grenzübergreifenden Moorgebieten sei das Gebiet ein Rückzugsort für hochgradig gefährdete Pflanzen- und Tierarten. Die Tschechische Republik forderte nun eine Umweltverträglichkeitsprüfung, weiß Wolf. „Die haben natürlich was dagegen, wenn wir ihnen 70 Meter hinter der Grenze Windkraftanlagen hinstellen, die bis zu 180 Meter hoch sein sollen“, sagt der Bärnauer.

Gemeinsam mit den Nachbarn wurde kürzlich erst eine Machbarkeitsstudie zum Grünen Band an der bayerisch-böhmischen Grenze abgeschlossen. Dort, wo die Windräder errichtet werden sollen, seien bereits raumübergreifende Entwicklungskonzepte mit dem Themen Kultur, naturverträglicher Tourismus sowie Biodiversität, Klima- und Artenschutz geplant. Die Vereine sehen durch die Windräder eine Bedrohung für die heimischen und streng geschützten Arten wie den Schwarzstorch, den Rotmilan und den Seeadler. „Die Industrieanlagen stehen dazu in krassem Gegensatz“, sagt Wolf. „Wir müssen die letzten intakten Räume bei uns in der Region freihalten.“

Widerspruch zu lokalen Vorhaben

Seit Jahrzehnten bemühe sich der Verein "Via Carolina - Goldene Straße", das Grenzland nach der Wiedervereinigung aufzuwerten und Freundschaften mit dem Nachbarland Tschechien aufzubauen. Entstanden ist ein außergewöhnliches Brückenprojekt: der Geschichtspark Bärnau-Tachov. Unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel wurde dieser zum größten archäologischen Mittelalter-Freilandmuseum aufgebaut. Die Planungen der vier neuen Windräder würden laut Interessengemeinschaft die touristische Wertigkeit und die regionale Identität gefährden. "Wir wollen daneben ein ökologisches Naturdorf errichten", erklärt Wolf die weiteren Pläne. Wenn man oben auf dem Grenzkamm, ein paar Hundert Meter weiter einen Industriepark stehen hat, stehe das in absolutem Widerspruch.

Auch der Zweckverband Ikom Stiftland, ein Zusammenschluss von zehn Gemeinden im östlichen Landkreis, bekundete die Absicht, sensible Landschaftsabschnitte für einen nachhaltigen und naturnahen Kulturtourismus zu erschließen. Dies ist im Integrierten ländlichen Entwicklungskonzept (ILEK) festgehalten. Wie der Bärnauer meint, passe das nicht zur geplanten Windfarm. Per Deklaration über Partnerschaft und Zusammenarbeit im bayerisch-tschechischen Grenzland zwischen der Regionen Tachov und Nördlicher Oberpfälzer Wald ist auch der Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald beteiligt.

Alle Aktivitäten auf dem Prüfstand

Nicht zuletzt unterhält der Zweigverein des Oberpfälzer Waldvereins in Bärnau mehrere Wanderwege entlang des Grenzkamms, die die besondere Geschichte der Gegend erfahrbar machen, etwa den Nurtschweg und den Böttgerweg. Entlang der Wanderstrecken liegen beispielsweise die Prinzfabrik, Paulusbrunn, die Hansnigl-Kapelle, die "Meilensteine der Zeit" - alles Relikte aus der Vergangenheit, wie sie an anderer Stelle kaum noch aufzufinden sind. Sie werden von den Planungen bedroht, ist sich die Gruppe sicher.

"Sollen wir deswegen alles über den Haufen schmeißen? Wegen der Windkraft wird alles andere zweitrangig, was wir uns jahrzehntelang aufgebaut und erarbeitet haben", ärgert sich Wolf. Durch die Planung weiterer vier Windräder würden alle Aktivitäten auf dem Prüfstand stehen: Seiner Meinung nach letztlich die ganze deutsch-tschechische Zusammenarbeit.

Windräder wie ein Rückschlag

Die Realisierung der Windkraftanlagen in einer länderübergreifende Schutzzone, einer der letzten verbliebenen Ruhezonen am Grenzkamm, würde nicht nur das Ergebnis jahrelanger Bemühungen um den Erhalt hochsensibler Kulturlandschaft gefährden, es wäre ein Rückschlag für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, sind sich Wolf und seine Mitstreiter sicher. Bisher sei die Kulturlandschaft von negativen Einflüssen weitestgehend verschont geblieben. Der Grenzkamm mit seiner Vielfalt an kulturhistorischen Besonderheiten und Naturschönheiten müsse dringend erhalten bleiben.

Wichtig sei den Akteuren der Interessengemeinschaft, dass sie keine Windkraftgegner sind. "Unsere Vereine sind sich ihrer Verantwortung gegenüber unserer Umwelt bewusst. Wir lehnen Windkraftanlagen nicht kategorisch ab", so Wolf. Windräder am Grenzkamm seien jedoch ein nicht hinzunehmender Eingriff in das Landschaftsbild.

Zwar sei das Gebiet mit den sechs bestehenden Anlagen beim Ahornberg schon vorbelastet. Dort wären die zusätzlichen vier nach Ansicht der Gruppe kein Problem. Sie sprechen sich deutlich gegen eine Erweiterung in den Süden aus, betont Wolf.

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Neben sechs Windrädern am Ahornberg sind vier weitere am Grenzkamm geplant. Der Landstrich ist kein Schutzgebiet. Warum es eins werden soll, erklärt Alfred Wolf. Er und seine Mitstreiter sprechen sich deutlich gegen weitere Windräder an diesem Standort aus.
Hintergrund:

Gemeinschaft gegen Windräder am Grenzkamm

  • Nach bekanntwerden der Pläne für vier weitere Windräder am Grenzkamm hat sich eine Gruppe „Gemeinschaft gegen Windräder am Grenzkamm“ zusammengefunden.
  • Mit dabei sind laut Alfred Wolf Einrichtungen auf beiden Seiten der Grenzen: „Via Carolina – Goldene Straße“, der Oberpfälzer Waldverein Zweigverein Bärnau sowie der Hauptverein in Weiden, der Arbeitskreis Paulusbrunn, Terra Tachovia, Euregio Egrensis, das regionale Bildungs- und Informationszentrum Revis in Tachov, die Gemeinde Obora, die Stadt Tachov.
  • Auch der Naturschutzbeirat Bayern sowie die Ikom Stiftland und der Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald sind laut Wolf am Rande beteiligt.
  • „Planungen für Windkraftanlagen durchkreuzen die Vorhaben der Organisationen enorm“, so Wolf.
  • Ziel: Landschaftsschutz/ Veränderungssperre für den Grenzkamm erreichen.

„Sollen wir deswegen alles über den Haufen schmeißen? Wegen der Windkraft wird alles andere zweitrangig, was wir uns jahrzehntelang aufgebaut und erarbeitet haben.“

Alfred Wolf

 
 

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