Hannes Lautenschlager lebt seit gut acht Jahren in Berlin, das hat Spuren hinterlassen. Wenn der gebürtige Ensdorfer über seine Arbeit in der Hauptstadt spricht, tut er das vor allem in druckreifem Hochdeutsch, dann verschluckt er kaum einen Buchstaben. Geht‘s allerdings um die alte Heimat, redet er so, als wäre er niemals weggezogen. So wie früher, sagen Leute, die ihn schon länger kennen. Dann heißt es „oarwan“ statt „arbeiten“ oder „Voder“ statt „Vater“. Die Oberpfalz, sie lässt ihn halt nicht los. Das sieht man auch an seiner Bar, die er seit Anfang des Jahres in Berlin betreibt.
Bei einem Heimatbesuch sitzt der 28-Jährige auf einer kleinen Bierbank im familiären Hof, trinkt Wasser und erzählt, dass er eigentlich nie den Traum einer eigenen Bar hatte. War eher Zufall. Eine Kleinanzeige bei Ebay habe ihm die Tür in die Szene geöffnet. Zuerst ein Job in der Berliner Bar „Krass böser Wolf“, später Barleitung in einem großen Technoclub, in dem er auch heute noch einmal die Woche arbeitet. „Es hat mir schon immer getaugt, eine coole Atmosphäre zu schaffen“, sagt Lautenschlager. Viermal hat er das früher auch in Ensdorf (Kreis Amberg-Sulzbach) gemacht, mit Kumpels. „Idylle“ hießen die Veranstaltungen. In der alten Klostergärtnerei oder in einer verlassenen Mühle legten damals DJs aus Berlin auf. Jahre später päppelte Lautenschlager, der auch ein abgeschlossenes Studium des technischen Umweltschutzes hat, eine heruntergekommene Bude in der Hauptstadt auf. Herausgekommen ist die „Lamm Bar“, die er mit Kumpel Dustin Franke, 26, betreibt.
Schweinebraten in Sushiform
Der Laden läuft seit gut sechs Monaten. „Ich bin mega zufrieden“, sagt Lautenschlager. Kurz darauf klingelt sein Smartphone. Der Klemptner aus Berlin, in der Bar gibt‘s einen kleinen Wasserschaden, nichts Großes, aber es muss trotzdem schnell erledigt werden. Der Handwerker wird sich an dem Nachmittag noch drei Mal melden. Eine Bar zu besitzen, kann stressig sein. Aber: „Die Arbeit lohnt sich echt.“ Die Berliner – vom Studenten bis zur Oma – nehmen das Angebot an. „Extrem geil ist, dass wir hier die Nachbarschaft zusammenbringen.“ Lautenschlager erzählt von zwei Menschen, die zehn Jahre lange nebeneinander wohnten, sich aber nie kennenlernten – bis sie sich in der „Lamm Bar“ am Tresen trafen. „Der Sinn einer Bar“, meint der Ensdorfer, „ist, die Leute zusammenzubringen.“ Wie die Wirtshäuser auf dem Land.
Die Bar soll die Weltstadt Berlin mit seinem Oberpfälzer Heimatdorf verbinden, zumindest ein bisschen. Einer der zehn selbstkreierten Cocktails, genannt „Fallobst“, besteht aus Korn, Oregano, Zitrone, Zucker – und Apfelsaft von seinen Eltern aus Ensdorf. Dort sei die Apfelernte im vergangenen Jahr recht gut gewesen. Jetzt stehen rund 100 Liter davon im Keller der „Lamm Bar“. Bald kommt Oberpfälzer Birnenschnaps dazu. „Mein Traum ist, Ensdorf und Berlin zu connecten, Synergieeffekte zwischen dem Hof und Berlin zu schaffen.“ Lautenschlager will Bayern nach Berlin bringen. „Die vertragen das schon.“
Eine seiner Ideen klappte dagegen nicht: „Bayshi“, bayerisches Sushi. Also alles, was seine Oma früher im eigenen Wirtshaus gekocht hat, nur in Sushiform. Ein Schweinsbraten oder eine Semmelknödelrolle mit Schnittlauch und Schwammerl drauf. „Das schmeckt und funktioniert“, sagt Lautenschlager. Aber so schön die Idee auch ist: Es sei zeitlich zu aufwendig, es lohne sich nicht. „Bayshi“ wurde von der Karte gestrichen. Im Sommer will er es trotzdem für eine Woche ausprobieren.
"Die stressigste Zeit meines Lebens"
Zwei Jahre suchten Lautenschlager und Geschäftspartner Franke nach einer passenden Lokalität. „Das ist in Berlin super schwer“, sagt der Oberpfälzer. „Der Markt ist komplett überhitzt.“ Es hat trotzdem geklappt, im Prenzlauer Berg. Eine nicht unbedingt so „abgeranzt coole“ Gegend wie Friedrichshain-Kreuzberg und ein bisschen ab vom Schuss, aber trotzdem ein Glücksfall für den Ensdorfer. „Hier wohnen viele coole Leute, die ein bisschen Geld haben. Die freuen sich, dass es hier jetzt eine Bar gibt.“ Sonst gebe es in der Nähe ja nichts ähnliches. „Das ist unser Vorteil.“
Das Gebäude, in dem Lautenschlager jetzt seine Drinks verkauft, stand seit 2004 leer. Alles musste renoviert werden. „Ich habe damals, ganz blauäugig, gesagt, ich mache alles selber“, sagt der 28-Jährige und lacht – im Wissen von heute, dass das alles doch nicht so einfach war. „Ich bin zwar einigermaßen handwerklich begabt, aber einen Bar-Innenausbau habe ich noch nie gemacht.“ Von der Decke tropfte das Wasser, der Schutt am Boden stapelte sich mannshoch. Ein Dreivierteljahr schuftete Lautenschlager. Die „stressigste Zeit meines Lebens“, sagt er, der auf einem Hof aufgewachsen ist und von klein auf das Arbeiten gelernt hat. Mit zwei Monaten Verspätung eröffnete die Bar im Januar. „Wir haben uns da zeitlich ein bisschen verkalkuliert“, sagt Lautenschlager, es klingt fast entschuldigend. Aber was sind schon zwei Monate in Berlin? Die Stadt ist andere Bauverzögerungen gewohnt.
Irgendwann möchte Lautenschlager eine zweite Bar aufmachen. Sein Ehrgeiz ist geweckt. Letztens habe er schon Witze gerissen, erzählt der 28-Jährige: „Ich werde so viele erfolgreiche Bars in Berlin aufmachen, dass ich mir ein unrentables Wirtshaus in der Oberpfalz leisten kann.“
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