Erbendorf
23.05.2023 - 14:18 Uhr

BBZ Erbendorf: Was Pflegefachschulen von der Politik erwarten

Berufsfachschulen für Pflege und Heilerziehungspflege bieten hochwertige Ausbildung. Aber: Wer will dies noch lernen? Schulleitung und Lehrer berichten über Herausforderungen und Schwierigkeiten – aber auch über positive Erfahrungen.

von ban

Wie sieht der Alltag an einer Berufsfachschule für Pflege bzw. Heilerziehungspflege aus? Das kam bei einem Informationsabend zu den CSU-Zukunftswochen im Berufsbildungszentrum (BBZ) in Erbendorf zur Sprache. Stellvertretende Schulleiterin Ursula Siller und Klassenleiter Ulrich Sommer stellten den Beruf des Heilerziehungspflegers näher vor. Voraussetzungen für die dreijährige Ausbildung seien die mittlere Reife sowie eine abgeschlossene zweijährige Ausbildung; auch das Führen eines Mehrpersonenhaushalts über vier Jahre werde anerkannt. Heilerziehungspfleger und -pflegerinnen seien vor allem in Einrichtungen der Behindertenhilfe, in Wohnheimen und Werkstätten, in integrativen und inklusiven Kindertagesstätten oder im ambulanten Bereich tätig. Während der Ausbildung werden Praktika absolviert, Praxiserfahrung sammeln die Schüler in Einrichtungen der Kooperationspartner.

Vorteil der Erbendorfer Heilerziehungspflegefachschule (HEP): kleine, überschaubare Klassenstärken und die verschiedenen Altersstufen der Schüler. Ursula Siller warb für neue Schüler, gerne auch Quereinsteiger; gut ausgebildete Heilerziehungspfleger würden immer benötigt, freie Stellen gebe es überall. Hürde sei oftmals, dass die Ausbildung aufgrund der Zugangsvoraussetzungen nicht direkt nach dem Mittleren Schulabschluss begonnen werden kann. Ursula Siller informierte, dass Michael Werner zum 1. Juni neuer Schulleiter der Fachschule für HEP wird und das Lehrerteam erweitert.

Aufwertung

Beatrix Kempf ist seit Herbst 2022 als Schulleiterin an der Berufsfachschule für Pflege, ebenfalls im BBZ Erbendorf, tätig. Sie erklärte, dass das gesamte Lehrerkollegium aus Fachkräften mit wissenschaftlichem Hochschulabschluss besteht. Generell stehe die Aufwertung des Pflegeberufs hier im Vordergrund. Aktuell absolvieren 33 Schüler die Generalistische Ausbildung zur Pflegefachkraft (Alten-, Kinderkranken- und Krankenpflege). Seit der Gesetzesänderung 2020 werde diese Berufsbezeichnung geführt, ausgebildete Pflegekräfte seien somit flexibel einsetzbar. Die angepasste dreijährige Ausbildung werde europaweit anerkannt. Doch immer weniger junge Menschen wollten diesen Beruf erlernen. „Rund die Hälfte der Pflegefachkraftschüler brechen ihre Ausbildung leider vorzeitig ab, oftmals aufgrund von Überforderung bei Praxiseinsätzen“, berichtete die Schulleiterin.

Dabei würden Pflegefachkräfte überall händeringend gesucht. Der Pflegenotstand mache sich in sämtlichen Einrichtungen bemerkbar. Ursachen und Hintergründe seien dabei vielfältig: Pflegeberufe hätten in Deutschland einen schlechten Ruf. Die Leute seien sich oftmals nicht mehr bewusst, wie wichtig Pflegekräfte sind. Europa- und weltweit genießten Pflegekräfte viel mehr Ansehen. Hierzulande dagegen werde die Bedeutung guter Pflegekräfte oftmals wenig geachtet, Arbeitsbedingungen seien vielerorts unverhältnismäßig. „Hochwertige Pflege lässt sich schlecht mit Kostenminimierung vereinbaren.“

Pflegekammer gefordert

Klare Forderungen gehen auch an die Politik: eine Einrichtung einer Pflegekammer in Bayern (wie bereits in anderen Bundesländern üblich) und auch bundesweit, damit Pflegekräfte eine besser hörbare Stimme bei der Politik hätten. Auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollten sich deutlich verbessern, damit diese ordentlich ihre Arbeit zum Wohle der Patienten erledigen können. Denn zum Aufgabengebiet einer Pflegefachkraft zählen laut Ethik-Kodex Gesundheit fördern, Krankheit verhindern, Gesundheit wieder herstellen und Leiden lindern. Angehende Pflegefachkräfte würden diesen Beruf aus wirklicher Überzeugung, dem Menschen bei Krankheit und in Notlagen Gutes zu tun und zu helfen, erlernen. Im Arbeitsalltag bei Personalmangel und überlasteten Schwestern und Pflegern lasse sich dies teilweise nur schwer umsetzen.

Kürzere Zulassungsverfahren für Bewerber aus dem Ausland wären außerdem wichtig, um diese schneller in die Ausbildung beziehungsweise ins Berufsleben zu integrieren. An der Erbendorfer Berufsfachschule würden Migrationsschüler gerne aufgenommen, über zehn Jahre positive Erfahrungen würden das bestätigen. Zudem sollten die Praxiseinsatzzeiten der Auszubildenden angepasst werden, da diese zu frühzeitig und zu viel im Einsatz und dadurch oftmals überfordert seien oder das Tätigkeitsfeld einer Pflegefachkraft zu einseitig kennenlernen.

Immer wieder würden Angehörige und Eltern verhindern, dass junge Menschen überhaupt eine Pflegeausbildung beginnen. Bei Ausbildungsmessen sei am Infostand der Pflegefachschulen auch zu hören: „Ach da gehen wir gleich vorbei oder weiter, das lerne lieber nicht.“ Dann solle man mit folgender Frage kontern: „Und wer pflegt dich mal, wenn du krank oder alt bist?“

 
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