Möwensterben am Rußweiher: Was zum Geflügelpest-Ausbruch bekannt ist

Eschenbach
19.05.2023 - 13:13 Uhr
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Rund 50 tote Möwen und weitere kranke Tiere lagen angespült am Ufer des Rußweihers. Sie tragen das Geflügelpest-Virus in sich. Drohen Keulungen wie im Landkreis Schwandorf? Über tote Vögel, falsche Tierliebe und das richtige Viren-Wetter.

Am Rußweiher lebt eine Möwenkolonie. Rund 50 der Tiere starben in den vergangenen Tagen an der Geflügelpest.

Die gute Nachricht vorweg: Im Landkreis Neustadt/WN ist noch kein Zuchtbetrieb von der Geflügelpest betroffen. Keulungen, Überwachungszonen, Reinigungen, all das ist noch nicht nötig. Aber seit Freitag ist bekannt: Das Virus ist amtlich im Landkreis bestätigt. Das teilte das Landratsamt mit. Demnach sind in den vergangenen Tagen mehrere Möwen am Eschenbacher Rußweiher erkrankt oder gestorben. Experten wiesen daraufhin am Mittwoch den Erreger "Aviäres Influenzavirus Typ H5N1" nach. Ein hochpathogenes, also stark krankmachendes Virus, das Geflügel befallen kann und eben die im Volksmund als Geflügelpest bekannte Krankheit auslöst.

Konkret tauchten die kranken oder toten Vögel am Westufer des Dammes zwischen Großem und Kleinem Rußweiher auf. Einer der zuständigen Revierförster, Martin Gottsche, machte die traurigen Funde. Er spricht von mittlerweile 40 bis 50 Tieren, die gestorben sein sollen. Sie wurden meist ans Ufer gespült, teilweise lagen sie auch tot in der Möwen-Kolonie. "Das Problem ist, dass einige erkrankt, aber noch nicht verendet sind", sagt Gottsche gegenüber Oberpfalz-Medien. Sie stünden apathisch herum, bevor sie sterben – leicht einzufangen. Davon ist allerdings dringend abzuraten. Einen solchen Fall gab es am Rußweiher bereits, ein Bewohner hatte eines der kranken Tiere mit nach Hause genommen. "Das ist falsch verstandene Tierliebe", sagt Gottsche. Einmal von der Geflügelpest betroffene Tiere sind nicht zu retten.

Vielmehr geht es darum, eine Ausbreitung des Virus auf Geflügelbetriebe mit allen Mitteln zu verhindern. Andernfalls drohen um Eschenbach Maßnahmen wie in Waldsassen (Landkreis Tirschenreuth) oder Bruck (Landkreis Schwandorf), wo Stallpflichten verhängt, Sperrzonen über mehrere Kilometer Radius eingerichtet, Verkaufsverbote erlassen und Tausende Tiere getötet werden mussten. "Nutzgeflügelhaltungen sind bislang nicht betroffen, hoffen wir, dass das so bleibt", schreibt Marcel Weidner, Pressesprecher des Landratsamtes in Neustadt auf Anfrage. Eine Zone mit 10-Kilometer-Radius am Rußweiher beträfe unter anderem Eschenbach, Speinshart, Kirchenthumbach und Schlammersdorf.

Bürger trug Möwe heim

Eine Ansteckung des Menschen mit dem Virus sei bislang in Deutschland nicht bekannt. Die Viren gelten aber als potenziell übertragbar zwischen Mensch und Tier. Dafür wäre jedoch "mindestens der intensive direkte Kontakt mit infiziertem Geflügel oder dessen virushaltigen Ausscheidungen erforderlich", erklärt das Landratsamt.

Wesentlich gefährlicher sei die mögliche Virusverschleppung mit Kleidung und Schuhen, wenn Naturfreunde in kontaminierten Uferzonen spazieren gehen oder Kontakt mit verendeten Wildvögeln haben oder sie sogar mitnehmen, um sie zum Tierarzt zu bringen. Alles Punkte, die auf das Gebiet am Rußweiher zutreffen oder bereits passiert sind.

Das Landratsamt rät deshalb:



  • Tierkörper von verendeten Wildvögeln nicht berühren, Hunde fernhalten
  • Meldung von toten Wildvögeln an das Veterinäramt NEW, 09602-79 7010 oder
    veterinaere[at]neustadt[dot]de mit möglichst genauer Ortsangabe (z.B. über Handy-App).
    Singvögel müssen nicht gemeldet werden.
  • Auf keinen Fall erkrankte Vögel mitnehmen. Eine Behandlung der Geflügelpest ist nicht möglich.

Was Geflügelhalter beachten sollten:

  • Wenn noch nicht geschehen: Meldung der Geflügelhaltung an das Veterinäramt
  • Es sollten Vorkehrungen für eine möglicherweise notwendige Aufstallungspflicht
    getroffen werden.
  • Die wichtigsten Maßnahmen sind Futter und Wasser nicht im Freien anzubieten, um
    Wildvögel nicht anzulocken, sowie ein Betretungsverbot für nicht Betriebsangehörige.
  • Ungewöhnlich hohe tägliche Ausfälle oder starker Leistungsrückgang sind unverzüglich durch einen Tierarzt abzuklären. Eventuell nötige Laborkosten werden vom Staat übernommen.

Anders als in den vergangenen Jahren ebbe das Seuchengeschehen heuer nicht bereits im Frühjahr ab, schreibt das Landratsamt. Im Gegenteil, seit Oktober 2022 nähmen die Fälle der Geflügelpest bei Wildvögeln deutschlandweit zu. Derzeit seien in Bayern vor allem Möwen betroffen, seltener anderes Wassergeflügel oder Greifvögel.

Risiko ist "hoch"

Das deckt sich mit den Daten, die das Friedrich-Loeffler-Institut (LFI) im Mai bereitstellte. Das LFI veröffentlicht regelmäßig aktuelle Risikoeinschätzungen zur Geflügelpest. Die meisten Virus-Fälle von Wildvögeln traten der aktuellen Fassung vom 10. Mai zufolge in Bayern auf. "Berichte von Massensterben von Lachmöwen in deutschen binnenländischen Brutkolonien lassen auf lokale, ausgeprägt epizootische Geschehen schließen", heißt es vom FLI. Epizootisch steht dabei für eine zeitlich wie räumlich häufige Tierkrankheit. Das Risiko, dass die Wildvögel auch Geflügelbestände von Züchtern anstecken, klassifiziert das LFI derzeit mit "hoch". Auch weil sich deren Lebensräume häufig überschneiden.

Im April gab es in Bayern laut LFI 40 nachgewiesene, wegen Geflügelpest verendete Wildvögel, der Schwerpunkt liegt derzeit in Niederbayern, aber auch in der südlichen Oberpfalz. Dass laut Förster Gottsche rund 50 Tiere am Rußweiher gestorben sind, bedeutet allerdings nicht, dass ein Gros der bayernweiten Meldungen nun auf Eschenbach entfällt. In die LFI-Statistik gehen nur die auf das Virus untersuchten Fälle ein. Das Veterinäramt schickte vier tote Tiere vom Rußweiher ein. Die tatsächliche Anzahl der bayernweiten Fälle dürfte also um ein Vielfaches höher liegen.

Laut dem Revierförster könnte derzeit das Wetter dem Landkreis in die Karten spielen. Ähnlich wie beim Coronavirus nehme die Gefahr durch das Geflügelpest-Virus und dessen Übertragungswahrscheinlichkeit mit steigenden Temperaturen und höherer UV-Strahlung ab. Für den Landkreis Neustadt sind das gute Nachrichten. Schließlich steht der Sommer vor der Tür.

 
 

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