Eschenbach
30.10.2019 - 13:48 Uhr

Ungeliebtes Projekt der Stadtväter

Im Oktober 1929, also vor 90 Jahren, war es endlich soweit: Das Leichenhaus wurde „eingeweiht“. Über ein Jahr hatte es im fertigen Zustand darauf gewartet. Denn der Bezirksamtmann verlangte auch fließendes Wasser und elektrisches Licht.

Was lange währt, wird endlich gut: Seit 90 Jahren gibt es in Eschenbach ein Leichenhaus. Die Planung dafür startete 1912, wobei die Vorgabe für die Errichtung schon seit 1840 existierte. Bild: exb/Johann Ott
Was lange währt, wird endlich gut: Seit 90 Jahren gibt es in Eschenbach ein Leichenhaus. Die Planung dafür startete 1912, wobei die Vorgabe für die Errichtung schon seit 1840 existierte.

Von Johann Ott

Seit 1840 sollte Eschenbach ein Leichenhaus bauen. Erst 1927 fing die Stadt schließlich damit an. Da könne man ruhig auch noch ein Jahr warten, meinte Ludwig v. Brandt.

Bevor es das Leichenhaus gab, wurden die Verstorbenen meist an ihrem Sterbeort, der normalerweise zu Hause war, aufgebahrt. Angehörige und Nachbarn hielten Totenwache. Wenn ein Mensch starb, hielt man früher die Uhr an und öffnete das Fenster, damit die Seele den Ort verlassen konnte. Bei einem Bauern war es üblich, alle Tiere auf dem Bauernhof von seinem Tod in Kenntnis zu setzen, ob das nun Kühe waren oder Bienen.

1912 hatte die Stadt - Magistrat und Gemeindebevollmächtigte - mit der Planung des Gebäudes, für das das Leichenhaus in Pfreimd Vorbild war, begonnen. Vorher hatte man sich geweigert und auf die Schulden verwiesen, denn die Kommune hatte gerade die Wasserleitung und eine rudimentäre Kanalisation gebaut sowie die Stadt neu pflastern lassen.

Mit dem Neubau wollte man die Erweiterung des Friedhofes verknüpfen. Erste Planungen sahen eine Vergrößerung nach Westen mit einem Leichenhaus an der Esperngasse vor. Dann aber besannen sich die Verantwortlichen darauf, dass eine Erweiterung nach Osten hin einfacher ist, da dieser Grund der Stadt gehörte. Schließlich fiel den Vertretern der Kommune ein, dass es doch einfacher sei, wenn die katholische Pfarrgemeinde den Grund kauft und selbst das Leichenhaus errichtet. Für die Kosten - der Voranschlag belief sich auf 6000 Mark - wollte man der Kirchenstiftung ein Darlehen geben.

1914 war der Plan fertig. Zum Bau aber kam es nicht mehr. Zum einen kam der Erste Weltkrieg dazwischen, zum anderen die Ablehnung der Kirchenstiftung. Denn diese hatte für die Erweiterung der Pfarrkirche ein Darlehen über 10 000 Mark aufgenommen, das sie bis 1921 abstottern musste.

1924 wurde auf Drängen des Bezirksamtmannes das Thema „Leichenhausbau“ wieder aufgegriffen. Die Stadt wollte aber immer noch die Kirche zwingen, den Bau zu realisieren. Die Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz musste die Eschenbacher Stadtväter davon überzeugen, dass die Abhängigkeiten der katholischen Kirche vom Staat sich seit 1918 geändert hatten: „Zwingen“ könne man niemand. Der Bezirksamtmann riet, doch den Plan von 1914 der Zeit anzupassen. Die Gemeindevertreter aber blieben stur.

Letztlich kostete der Bau 8400 Mark und wurde von Karl Luber ausgeführt. Gleichzeitig wurden alle Satzungen rund um das Begräbnis erneuert. Die Friedhofserweiterung erfolgte erst 1966/67.

Im Blickpunkt:

Obolus fürs "Leichbitten"

Von Johann Ott

Den Satzungen nach war früher die Frau des Totengräbers für den Leichnam zuständig, aber auch für das „Leichbitten“ in der Stadt. Dafür erhielt sie sieben Mark. Denn es gab wenige, die eine Zeitung abonniert hatten, es gab auch wenige – nicht nur in Eschenbach –, die sich eine Todesanzeige leisten konnten. Daher ging noch zu meiner Kinderzeit eine Frau von Haus zu Haus, erzählte, wer gestorben war und nannte den Beerdigungstermin. Dafür erhielt sie zusätzlich einen kleinen Obulus.

Bis zur Mitte der 1970er Jahre war es üblich, dass Verstorbene im offenen Sarg aufgebahrt wurden. Bis Mitte der 1960er Jahre hinein wurde mein Vater (Foto-Ott) oft beauftragt, zur bleibenden Erinnerung ein Foto vom Verstorbenen anzufertigen. Im Alter ab 12 Jahren musste oft ich diesen Auftrag ausführen. Ich ging zum Totengräber, holte den Leichenhaus-Schlüssel, sperrte auf, holte eine Leiter, um von oben zu fotografieren. Mich gruselt es heute noch, wenn ich daran denke.

 
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