Floß
29.10.2021 - 12:36 Uhr

Die Geschichte des jüdischen Friedhofs in Floß

Die Grabsteine am jüdischen Friedhof in Floß sind Zeugen der Vergangenheit des Ortes. 72 Familien und über 400 jüdischen Mitbürgern lebten Mitte des 19. Jahrhunderts in Floß. Und heute?

Otmar Singer, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Weiden, weckte Erinnerungen an die reiche jüdische Geschichte der Gemeinde Floß. Der frühere Studienrat aus Altenstadt/WN nützte dafür jüngst die Führung einer kleinen Gruppe, die er ins Flosser Amt begleitete.

In der Synagoge erzählte Singer über die 337-jährige jüdische Vergangenheit in Floß. Sie nahm mit der Ansiedlung von zwei Brüderpaaren aus der heutigen Kreisstadt 1684 ihren Anfang. Die Synagoge, von 1815 bis 1817 gebaut, 1817 eingeweiht, wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 zerstört, von 1972 bis 1980 saniert und am 9. November 1980 wieder eingeweiht. Dass heute keine Juden mehr in Floß leben und damit auch keine Judengemeinde mehr existiert, erstaunte die Teilnehmer.

Die jüdische Gemeinde zählte in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihren 72 Familien und über 400 jüdischen Mitbürgern, etwa ein Viertel der gesamten Flosser Bevölkerung. Zu dieser Zeit gab es auch ein über 33 Jahre bestehendes jüdisches Ghetto, zur damaligen Zeit das einzige in Bayern. Mit der Deportation der letzten jüdischen Familien Ernst Ansbacher und Hugo Wilmersdörfer 1942 wurde die bedeutende Judengemeinde in Bayern ausgelöscht.

Der Weg führte die Gruppe zum jüdischen Friedhof an der Flossenbürger Straße. Dort übernahm Bürgermeister a. D. Fred Lehner als Experte die Führung.

Als 1684 die aus Neustadt kommenden Juden Gewissheit hatten, in Floß eine bleibende Stätte gefunden zu haben, hielten sie sofort Umschau nach einem Grundstück für die Ausweisung und Anlegung einer Begräbnisstätte, berichtete er. Nach ritueller Vorschrift lagen die Friedhöfe der Juden stets außerhalb des Ortes. So auch in Floß. Das Grundstück konnte vom Besitzer der Weikersmühle (heute noch bestehend) käuflich erworben werden. Schon 1692 fand die erste Beerdigung statt. Bereits 1729 musste die damals wachsende jüdische Gemeinde um eine Erweiterung nachsuchen. Ähnlich in den Jahren 1754, 1780, 1806 und 1811. Erst nach einem Rechtsstreit wurde den Juden die Erweiterung der Friedhofanlage im Jahre 1841 genehmigt. Verbunden war diese mit der Erweiterung einer 1775 erbauten Granitmauer, die 1842 fertiggestellt wurde und heute noch besteht. Sanierungen fanden ausschließlich mit den Steinen aus dem 19. Jahrhundert statt.

Vom Judenberg und der Synagoge, dort war auch der Leichenwagen untergebracht, führte ein teilweise aus Granitsteinen befestigter Weg in einem weiten Bogen am Markt vorbei zum jüdischen Friedhof. Der Weg erstreckte sich von der Synagoge zum Oberen Berg zur Plößberger Straße (früheres Judenanwesen Ernst Ansbacher). Von dort ging es zur Gemeindeflur „Am hohen Baum" und zum „Gösener Weg“ (heute Schulstraße). Von dort zweigte der Weg (heute zwischen den Anwesen Stetter und Lindner) ab in Richtung Neumühle (Lohmühle) über die Furt des Floßbaches zur Flossenbürger Straße hin zum Friedhof. Die Flosser Friedhofanlage weist heute noch über 400 Grabsteine auf, deren Inschriften in Hebräisch und Deutsch verfasst sind. Der Flosser Friedhof wurde auch von den jüdischen Gemeinden in Schönsee, Waidhaus und bis 1901 von der jüdischen Gemeinde Weiden genutzt. Schändungen gab es bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus, Ende Oktober 1929.

1942 erwarb der Markt Floß zum Kaufpreis von 100 Reichsmark die Friedhofanlage, die 1951 an den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Bayern, Sitz München, überging.

Fred Lehner erzählte über die für ihn unvergesslichen Begegnungen mit in Floß aufgewachsenen Juden, so mit den Geschwistern Norbert Steinhardt, Erna Löbstein und Julie Greifenhagen, sowie Ludwig David Bloch. Sie hatten die Gräber ihrer Ahnen und Urahnen noch besucht. "Für sie war es wie ein kleines Wunder sehen zu dürfen, dass trotz der Nazizeit die Begräbnisstätte noch besteht." Lehner hatte auch berichtet, dass im April 1945 in einem Gemeinschaftsgrab 33 jüdische Häftlinge des KZ Flossenbürg bestattet wurden. Ihnen wurde ein Gedenkstein gesetzt. Die letzte Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Floß fand 1946 statt. Nach 1945 übernahm der Markt die Pflege der Gesamtanlage. Ebenso nach 1951vertragsgemäß mit dem Landesverband.

Floß26.10.2021
 
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