Floß
19.03.2021 - 11:24 Uhr

Aus sieben Gemeinden wird eine: Die Gebietsreform im Flosser Land

Die Eingliederung der sechs Flosser Landgemeinden in den Markt Floß vollzog sich bereits vor 50 Jahren. Der Markt war damit die Vorzeigegemeinde im Landkreis.

Vor 50 Jahren vereinigten sich die Flosser Landgemeinden Bergnetsreuth. Gailertsreuth, Gösen, Grafenreuth, Schlattein und Schönbrunn mit Floß zu einer Hauptgemeinde. Bild: fz
Vor 50 Jahren vereinigten sich die Flosser Landgemeinden Bergnetsreuth. Gailertsreuth, Gösen, Grafenreuth, Schlattein und Schönbrunn mit Floß zu einer Hauptgemeinde.

Was heute selbstverständlich ist, war vor 50 Jahren eine der größten Herausforderungen für die Kommunen im Flosser Amt: die von der Bayerischen Staatsregierung 1969 angestrebte Gemeindegebietsreform bis zum 31. Dezember 1971 umzusetzen. Der Markt Floß war die erste Kommune im Landkreis Neustadt/WN, die die sogenannte Freiwilligkeitsphase von kommunalen Zusammenschlüsse verwirklichte. Die Gemeinde Weiherhammer folgte.

Über 130 Jahre bildeten Bergnetsreuth. Gailertsreuth, Gösen, Grafenreuth, Schlattein und Schönbrunn eine Verwaltungsgemeinschaft. Sie im Zuge der Gemeindegebietsreform aufzulösen, brauchte Zeit und Überzeugungskraft.

Wegbereiter für ihre Eingliederung waren die Amtsinspektoren Albert Prölß von der Verwaltungsgemeinschaft der Landgemeinden sowie Karl Jung und Fred Lehner vom Markt Floß. Unterstützer waren der Flosser Bürgermeister Hans Ruckdäschel sowie die Bürgermeister Wilhelm Galland aus Gösen und Karl Steinacker aus Schlattein.

Unzählige Verhandlungen in den Ministerien in München, bei der Regierung der Oberpfalz in Regensburg und mit der Rechtsaufsichtsbehörde, dem Landratsamt Neustadt, waren vorausgegangen. Immerhin standen staatliche Hilfen in Höhe von 490.183 Deutsche Mark auf dem Spiel.

Am 11. März 1971 kam es zur ersten gemeinsamen Sitzung der sechs Bürgermeister der Flosser Landgemeinden. Sie ebnete den Weg zur Eingemeindung nach Floß. Bereits elf Tage später befasste sich der Marktgemeinderat mit dem Thema. Er gab durch einstimmigen Beschluss der angestrebten freiwilligen Eingliederung der Landgemeinden grünes Licht. Denkwürdig war der 13. April 1971. Gemeinderäte und Bürgermeister der Landgemeinden trafen sich mit dem Marktgemeinderat zu einer gemeinsamen Sitzung. Der einstimmige Beschluss über die freiwillige Eingliederung der sechs Gemeinden in den Markt Floß war der Grundstein.

„Gesicherte Zukunft – Leistungsfähige Gemeinden", so lautete der Slogan, als die Wähler am 16. Mai 1971 zu einer Art Volksabstimmung aufgerufen wurden. Nur 16,4 Prozent der Bürger votierten. Jedoch: In jeder der sechs Gemeinden überwog die Zustimmung.

Mit der Eingliederung der sechs Landgemeinden zählte der Markt Floß im April 1971 dann 4174 Einwohner, aufgeteilt in Floß: 2915, Bergnetsreuth: 107, Gailertsreuth: 161, Gösen: 238, Grafenreuth: 125, Schlattein: 191 und Schönbrunn: 437. Heute sind es knapp 3500 Einwohner, die in 32 Ortsteilen auf über 54.42 Quadratkilometern im Gemeindegebiet leben.

Der Eingemeindungsvertrag löste den Zweckverband der Landgemeinden und den Zweckverband zur Wasserversorgung der Landgemeinden ebenso wie den Schulverband und den Feuerlöschzweckverband sowie die Satzungen über die Müllabfuhr auf. Jede der sechs Gemeinden bestand darauf, dass sich der Markt Floß verpflichten musste, bereits beschlossenen Baumaßnahmen in der Legislaturperiode 1972 bis 1978 zu verwirklichen. Dabei ging es meist um den Ausbau des Straßen-und Wegenetzes sowie um die Stärkung der Infrastruktur, etwa durch die weitere Sicherung der Trink- und Brauchwasserversorgung.

Von den früheren 36 Gemeinderäten und den 6 ersten Bürgermeistern des Flosser Landes und den 10 Marktgemeinderäten mit dem Bürgermeister aus Floß gibt es mit Anton Eismann (Schönbrunn), Helmut Schönberger (Schlattein) und Bürgermeister a. D. Fred Lehner (Floß) noch drei Zeitzeugen.In den ersten 20 Jahren des Zusammenschlusses investierte der Markt über 20 Millionen Mark im Flosser Land. Dafür wurden staatliche Zuwendungen von rund 11.5 Millionen erkämpft. Die Eigenleistungen von über 8,5 Millionen Mark wurde aus Steuergeld und durch sparsamste Verwaltung angesammelte Rücklagen gedeckt.

Die Abschlusssitzung der Landgemeinden fand am 14. Dezember 1971 statt. In den Abschiedsreden gingen die Bürgermeister Karl Steinacker (Schlattein), Wilhelm Galland (Gösen) und Amtsinspektor Albert Prölß (Verwaltungsgemeinschaft) auf die kommunale Geschichte ein. "Wir kommen als intakte Gemeinschaften und wollen die neue Großgemeinde bei den kommenden Herausforderungen stärken", hieß es.

Was weder der Markt Floß noch die Nachbargemeinde Flossenbürg wollten: Eine aufgezwungene Verwaltungsgemeinschaft (VG). Eine dann doch gesetzlich verfügte Zwangsehe konnte trotzdem zunächst nicht aufgehalten werden. Sie war aber nicht von langer Dauer. Unter Ministerpräsident Franz Josef Strauß wurde die VG unter Vorsitz von Bürgermeister Fred Lehner wieder aufgelöst, obwohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vorher noch eine andere gerichtliche Entscheidung getroffen hatte. Lehner hatte in der Abschlusssitzung der Verwaltungsgemeinschaft am 21. Dezember 1979 festgehalten, dass alles, was mit Zwang geschehe, von keiner großen Lebensdauer sei. Die VG Floß/Flossenbürg sei dafür ein Beispiel.

Im Flosser Amt begann 1972 eine neue Ära. Am 6. Februar 1972 erfolgte die erste Kommunalwahl. Bei einer Wahlbeteiligung von 94 Prozent wurde Lehner (SPD) mit 67 Prozent der Stimmen zum ersten Bürgermeister der Großgemeinde Floß gewählt. Der Marktgemeinderat setzte sich aus acht Mitgliedern der SPD, fünf der CSU und drei der Freien Wähler zusammen. Das bisherige Schlatteiner Gemeindeoberhaupt Karl Steinacker (Freie Wähler) wurde zweiter Bürgermeister.

BildergalerieOnetzPlus
Floß29.11.2020
Im Zeichen des Adlers begannen vor 50 Jahren nach der Eingliederung der sechs Flosser Landgemeinden in den Markt Floß die Aufbauarbeiten in der Großgemeinde Floß. Sie können sich sehen lassen. Floß wurde zu einer Vorzeigegemeinde im Landkreis. Bild: le
Im Zeichen des Adlers begannen vor 50 Jahren nach der Eingliederung der sechs Flosser Landgemeinden in den Markt Floß die Aufbauarbeiten in der Großgemeinde Floß. Sie können sich sehen lassen. Floß wurde zu einer Vorzeigegemeinde im Landkreis.
Hintergrund:

Die Gebietsreform

  • Bei der Gemeindegebietsreform stand vor allem das Argument der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung im Vordergrund.
  • Es sollten so große Gemeinden gebildet werden, dass sie in der Lage wären, ihre Grundausstattung mit den vorhandenen personellen und finanziellen Mitteln selbst zu tragen und effizient zu nutzen.
  • Die Gemeinden sollten nach Kriterien der späteren Leistungsfähigkeit, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtungsräume, der Überschaubarkeit des Raumes und vorhandenen Ansatzpunkten der Integration neu gebildet werden.
  • Die Verwaltung sollte bürgernah sein und ohne die Hilfe von Zweckverbänden ihre Aufgaben erfüllen können.

Quelle: www.historisches-lexikon-bayerns.de

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.