Flossenbürg
19.07.2022 - 09:25 Uhr

Experimentierfeld Erinnerung in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Die südafrikanische Künstlerin Talya Lubinsky tritt mit ihrer Ausstellung "Melting Stone" in einen künstlerischen Dialog mit dem Erinnerungsort Flossenbürg.

Die Ausstellung befindet sich in einem etwas versteckt liegenden Gebäude. Darin war früher die Verwaltung der Deutschen Erd- und Steinwerke (DESt), ein SS-eigener Betrieb, untergebracht Die DESt bewirtschaftete den angrenzenden Granitsteinbruch. "Die Installation nimmt die geologisch-historische Bedeutung von Granit und Glas zum Ausgangspunkt, um Gedenkkulturen zu befragen", erklärt Dr. Jörg Skriebeleit, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. "Mit dieser Ausstellung eröffnen wir das DESt-Verwaltungsgebäude erneut als Raum für Kunst und Gedanken."

"Sanding Glass" ist eine großflächige Arbeit auf und mit Glas. Sie ist vor einem 14 Meter langen und 2,5 Meter hohen Wandbild an den Wänden des ehemaligen "Gefolgschaftssaals" der DESt installiert. Der nationalsozialistischen Ideologie der Zeit folgend, sind hier kräftige Steinmetze und Bauarbeiter dargestellt, die im faschistisch-realistischen Stil gemalt sind. In den Jahrzehnten nach der Befreiung des Lagers wurden die Gesichter der Figuren absichtlich entfernt. Auch die Farbe des Wandgemäldes ist vielfach aufgesprungen und abgeblättert.

Talya Lubinsky bearbeitet jene Teile des Gemäldes, die nicht abgerieben oder verwittert sind auf Glas, um sie undurchsichtig zu machen. Steht der Betrachter direkt vor der Installation, sind durch das klare Glas nur noch diejenigen Teile der Wand zu sehen, die bereits durch die Zeit oder durch menschliche Eingriffe verunreinigt worden sind. So entsteht durch das Kratzen an der Oberfläche visueller Konventionen eine neue Zeichnung, die den Blick auf die Inhalte einer Geschichte lenkt, die durch ihre Abwesenheit erzählt wird.

"Zum einen setzt sich Talya Lubinsky aktiv mit der An- und Abwesenheit von Täterspuren im Gebäude auseinander. Zum anderen symbolisiert sie mit Skulpturen aus geschmolzenem Granit den Wandel und die Vergänglichkeit der Erinnerung", erläutert Skriebeleit. Gerade deshalb passe ihre Kunst hervorragend zum ehemaligen KZ-Steinbruch, der sich weiterhin als Experimentierraum für Erinnerungskultur definieren werde.

Kuratorin Dr. Katharina Fink, die Leiterin der künstlerischen Programme im Iwalewahaus der Universität Bayreuth, die eine Gruppe Studenten zur Eröffnung mitgebracht hatte, bezeichnete die Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg als "bereichernde Erfahrung". Lubinsky, mit der sie schon oft zusammengearbeitet habe, ermögliche es, mit ihren Arbeiten eine neue poetische Sprache dafür zu finden, Geschichte zu vergegenwärtigen. Die Künstlerin selbst bedankte sich bei allen, die ihr bei der Erstellung der Installation geholfen haben.

Info:

Hintergrund

  • Erste Artist in Residence- und Ausstellungskooperation zwischen der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und dem Iwalewahaus der Universität Bayreuth, einem Raum für die Produktion und Diskussion von Kunst aus Afrika und darüber hinaus.
  • Talya Lubinsky ist eine Künstlerin aus Johannesburg, die derzeit in Berlin lebt. Sie die Enkelin jüdischer Großeltern, die damals nach Südafrika ausgewandert sind.
  • 2019/2020 erhielt sie eine einjährige Residenz im Künstlerhaus Bethanien in Berlin. Sie macht seit 2012 durch zahlreiche Einzelausstellungen in Deutschland und Südafrika auf sich aufmerksam.
  • Die Ausstellung kann noch bis 18. September täglich von 13 bis 17 Uhr im ehemaligen DESt-Gebäude besucht werden.
 
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