Freudenberg
20.02.2019 - 11:25 Uhr

Dialekt-Vielfalt im Landkreis Amberg-Sulzbach: Glubberl in allen Sprachfarben

Die einen sagen Baa, die anderen Boi und wieder andere Boa - alle meinen dasselbe: Bein. Der Kreis Amberg-Sulzbach ist ein echtes Refugium für Dialektfreunde. Zum Tag der Muttersprache klären Martha Pruy und Josef Schmaußer über die Besonderheiten der Mundart auf.

Drei Farben, drei Sprachfärbungen: Der Ausdruck Glubberler für Wäscheklammern ist einer der Begriffe, die sich in der Oberpfälzer Mundart schön analysieren lassen. Bild: Jan Woitas/dpa
Drei Farben, drei Sprachfärbungen: Der Ausdruck Glubberler für Wäscheklammern ist einer der Begriffe, die sich in der Oberpfälzer Mundart schön analysieren lassen.

Haal ist es, als sich Martha Pruy und Josef Schmaußer auf der Buchberghütte zum Fachsimpeln treffen. Die beiden wären auf dem Weg zur Wirtshaustür beinahe ausgerutscht auf Schnee und Eis. Haal - das ist der schon fast in Vergessenheit geratene Oberpfälzer Begriff für glatt. Heute geizen die beiden Heimatpfleger nicht mit solchen besonderen Ausdrücken. Zum Internationalen Tag der Muttersprache (immer am 21. Februar) dürfen es schon mal ein paar extra schöne Brocken sein.

Martha Pruy kommt aus Schnaittenbach und ist eine Vertreterin des Dialekts mit dem Einschlag des Oberpfälzer Waldes. Das Bein heißt bei ihr Boi, der Stein Stoi - ganz anders wie bei Josef Schmaußer, der in Hohenkemnath bei Ursensollen aufgewachsen ist. Dort heißt es Boa und Stoa. Und nordwestlich von Sulzbach-Rosenberg klingen diese Wörter wieder anders: Baa und Staa heißt es hier. Woher kommen die Sprachgrenzen in der Region? Pruy und Schmaußer sind sich da schnell einig: Migration und die Lage einzelner Orte an den Verkehrsachsen spielen eine große Rolle.

Konfessionsgrenzen

Der östliche Landkreis hatte schon immer viele Verbindungen ins Naabtal. Zugezogene brachten ihren Dialekt quasi als Heiratsgut mit. Im Westen ist es die Nähe zum fränkischen Sprachraum. Natürlich spielt auch die konfessionelle Zugehörigkeit eine Rolle. "Wo die Bevölkerung mehrheitlich evangelisch ist, wird anders gesprochen als bei den Katholischen", weiß Schmaußer. Deutlich wird das zum Beispiel bei der Bezeichnung der Geistlichen. Die Evangelischen sagen Pfarra, die Katholiken Pfoarra.

Im Blickpunkt:

Dialektwörter

Glubberler an der Wäsche

Glubberler sorgen dafür, dass der Frühlingswind Seckl (Socken) und Unterhosen nicht von der Wäscheleine fegt. Auch hier zieht sich eine unsichtbare Sprachgrenze durch den Landkreis Amberg-Sulzbach. Die Dialektsprecher im Birgland neigen bereits zum Ausdruck Zwicker, der in nahezu ganz Franken und auch noch im Landkreis Neumarkt für Wäscheklammern geläufig ist. Glubberl stammt von klieben, eine frühere Bezeichnung von spalten. Die althochdeutsche Vorstufe dazu ist das Substantiv „kluba“ (Zange).

Uras und sam dou

Uras ist ein vom Aussterben bedrohter Mundartausdruck, der immer dann verwendet wird, wenn einem etwas zum Hals heraushängt. „I hob mi an de Erdäpfel uras gessn“, bedeutet: hier hat jemand so viele Kartoffel vertilgt, dass er beim besten Willen keine mehr mag. Von einem ähnlichen Kaliber ist das schöne Dialektwort sam. Der Oberpfälzer kann zum Beispiel sam dou, wenn er jemanden hinters Licht führen will. Sam dou heißt so viel heißt wie „so tun, als ob“.

Haal auf der Straße

Kaum sinkt die Temperatur unter den Gefrierpunkt, wird es draußen haal. Das war schon immer so. „Haal is’ gwest, söllmals“, pflegten die Alten zu erzählen, wenn sie von ihrem nächtlichen Heimgang anno dazumal berichteten, bei dem einer nach dem anderen auf dem spiegelglatten Weg ausgerutscht ist. Der Ausdruck haal ist ganz und gar in den Hintergrund gerückt. Das Adjektiv glatt hat sich durchgesetzt, das die gleiche Bedeutung hat.

Vom Äijarl zum Schmooz

Mit der körperlichen Zuneigung ist es im Dialekt so eine Sache. Ein Synonym für Liebe gibt es im Oberpfälzischen gar nicht. Dafür ein schönes Wort für eine kleine, aber feine Liebesbezeugung: das Äijarl – eine sanfte Wangenreibung. Dazu gesellt sich der ordinäre Schmooz (Kuss) und das Busserl (Küsschen). Der Ausdruck darf auch als kleiner Liebesgruß an unsere böhmischen Nachbarn verstanden werden, denn er leitet sich vom tschechischen Wort Pusa (Mund) ab. Wer busslt, bedient sich eines Lehnwortes aus dem Slawischen und „mündelt“.

Wenn der Dialekt heute verschwindet, dann macht sich das besonders im Wortfeld Landwirtschaft bemerkbar. Viele Bezeichnungen für landwirtschaftliche Geräte braucht heute keiner mehr, die Begriffe geraten in Vergessenheit. Ähnlich verhält es sich bei Bräuchen, die ja immer - weil sie sich zu bestimmten Anlässen wiederholen - mit den Jahreszeiten verbunden sind. Beim Fasching zum Beispiel.

Der Begriff Loava ist vom Aussterben bedroht. Dabei ziehen sich in diesen närrischen Tagen viele Menschen eine solche über. Loava ist ein Synonym für Maske und die bairische Form der Bezeichnung Larve, die sich wiederum vom lateinischen larva (Gespenst) ableitet. Auch das Maschkara-Göih ist ein schöner Mundart-Ausdruck. Wer maschkara geht, der begibt sich maskiert unters Volk. "Und dann gibt es natürlich noch die Fasenacht oder Fosenocht, je nachdem in welcher Gegend man im Landkreis wohnt", erzählt Pruy. Die Fasnacht ist einer der selten gewordenen Mundartbegriffe für Fasching.

Auf den Fasching folgt ab Aschermittwoch die Fastenzeit und auch die steckt voller Dialekt-Perlen. Kartoffeln werden da gerne als Fastenspeise gereicht - Eapfl (Erdäpfel) sagen die Mundartsprecher im Osten des Landkreises, während sich das Wort Richtung unteres Vilstal in Eadepfl wandelt. Im Sulzbacher Land hingegen heißen die Kartoffel Eadbian, also Erdbirnen, wie übrigens in weiten Teilen Mittelfrankens und in Nordschwaben.

Die Heimatpfleger Martha Pruy und Josef Schmaußer auf dem Gipfel des Fachsimpelns. Auf dem Buchberg trafen sich die beiden, um die Eigenheiten des Amberg-Sulzbacher Dialekts zu ergründen. Bild: Stephan Huber
Die Heimatpfleger Martha Pruy und Josef Schmaußer auf dem Gipfel des Fachsimpelns. Auf dem Buchberg trafen sich die beiden, um die Eigenheiten des Amberg-Sulzbacher Dialekts zu ergründen.
Mehr zum Thema:

Mundart im Onetz

Als Heimatzeitung haben Amberger und Sulzbach-Rosenberger Zeitung dem Oberpfälzer Dialekt schon immer einen großen Stellenwert eingeräumt. Viele Freunde hat die Mundart-Ecke gefunden, in der die Redaktion außergewöhnliche Begriffe und Redewendungen vorgestellt hat. Sie sind nachzulesen und teilweise als Podcast nachzuhören im Internet.

Die Mundart-Ecke

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.