Zwölf Häuser und eine Heizung: Nahwärmenetz in Gaisthal erweitert

Gaisthal bei Schönsee
06.02.2022 - 11:24 Uhr
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Der Ölpreis und die Diskussion um Russlands Pipeline "Nord Stream 2" lassen zwölf Gaisthaler Hauseigentümer kalt. Sie haben ihre Heizung stillgelegt und beziehen Nahwärme von einem Landwirt am Ort. Die regionale Wertschöpfung hat Vorteile.

Im Esszimmer von Michael Sorgenfrei (30) ist es kuschelig warm: Heizenergie muss die Familie des Landwirtschaftsmeisters nicht sparen. Der Grund: Die Biogasanlage am Bauernhof, die mit Gülle, Mist, Mais und Gras befüllt wird, produziert durch Vergärung Energie (Biogas), die im angrenzenden Blockheizkraftwerk (BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt wird. Vater Hans Sorgenfrei hat bereits im Jahr 2011 fünf Häuser angeschlossen. Mittlerweile ist der Sohn Chef dieses Betriebszweiges und ging noch einen Schritt weiter.

„2020 hat mich ein Nachbar angesprochen, ob ich etwas Wärme für ihn übrighabe, da seine Heizung kaputt wird“, berichtet der Junior beim Besuch der Oberpfalz-Medien-Redaktion. Er habe daraufhin weitere Hausbesitzer am Ort angesprochen und „Stück für Stück wurde die Planung größer“. Ab Herbst 2020 startete das Projekt „Leitungsbau“ für sieben Anwesen, die bis zu 500 Meter entfernt liegen. Mit viel Eigenleistung wurden Gräben gebaggert und mittels Spülbohrung einer Fachfirma auch unter der Staatsstraße 2159 durchgegraben.

800 Meter Leitungen

„Alle, die anschließen wollten, waren hochmotiviert und haben mitgeholfen“, freut sich Michael Sorgenfrei und ergänzt bescheiden: „Es hat ganz gut geklappt“. Gemeinsam wurden rund 800 Meter Leitungen mit einem Durchmesser von 23 Zentimeter verlegt. Innerhalb des Plastikmantels befinden sich im Isolierungsschaum zwei kleinere Leitungen für den Vorlauf (75 Grad heißes Wasser) und den Rücklauf (60 Grad). Die Hausanschlüsse zweigen jeweils von der Hauptleitung ab. Das neue Nahwärmenetz ging ab Anfang des Jahres 2021 in Betrieb. „Die meisten hatten eine Ölheizung und wollten die Tanks noch leer bekommen“, erklärt der Jungunternehmer zur Zeitschiene.

In den Heizungskellern ist jetzt viel Platz. Denn alleine die Übergabestation mit einer Abmessung von einem Meter auf einem Meter (Tiefe 30 Zentimeter) bildet die neue Heizung. Angeschlossen werden kann auf jedes System, egal ob Fußbodenheizung oder Heizkörper. Die Station enthält den Wärmetauscher, eine Steuerung für die Temperaturregelung und den Zähler. „Der Verbrauch, also wie viel Kilowattstunden Wärme bezogen werden, ist immer ablesbar“, erklärt Michael Sorgenfrei. Trotz aktuell zwölf Abnehmern geht ihm die Wärme aber nicht aus: „Es könnten noch mehr anschließen, es ist eine enorme Kapazität vorhanden.“

Günstig und bequem

Die Nahwärme spart nicht nur Platz, sondern auch Kosten bei der Anschaffung (kein Kessel, kein Speicher), beim Betrieb und bei der Instandhaltung. Michael Sorgenfrei zählt noch mehr Vorteile auf: „Die Anlage ist klimafreundlich, regional und bequem.“ Es gebe keinen Schmutz im Haus wie bei einer Holzheizung, der Kaminkehrer müsse nicht mehr vorbeikommen und als Ansprechpartner sei er selber vor Ort. Außerdem „wird nur bezahlt, was verbraucht wird ohne Grundgebühr“. Ja genau, der Preis: „Es ist eine günstige Wärme, die Heizkosten halbieren sich gegenüber dem Heizöl.“ Außerdem sei die Energiequelle „zuverlässig und immer verfügbar“.

Als Sicherheit für das Wärmenetz hat der Jungunternehmer einen Pufferspeicher (Volumen: 30 000 Liter) draußen beim Blockheizkraftwerk aufgestellt. Das Kraftwerk läuft mit Biogas, welches den Generator für die Stromerzeugung antreibt. Die Abwärme des Motors wird für das Nahwärmenetz genutzt. „Durch unsere Biogasanlage werden jährlich rund 1800 Tonnen CO2 vermieden“, führt Sorgenfrei an. Außerdem versorge die Anlage durch die Einspeisung ins Stromnetz 525 Vier-Personen-Haushalte. Der 30-Jährige will auch weiterhin innovativ handeln: Seit zwei Wochen probiert er ein Programm seines Strom-Direktvermarkters aus: „Ich will die Anlage flexibel fahren und den Strom dann produzieren und liefern, wenn er gebraucht wird.“ Am Laptop kann er das Kraftwerk komplett abschalten oder die Leistung drosseln. Deshalb hat der Landwirtschaftsmeister das Handy auch bei der Stallarbeit immer dabei.

Waldeck bei Kemnath07.03.2021
Hintergrund:

Blockheizkraftwerk für Strom und Wärme

  • Blockheizkraftwerke (BHKW) wandeln einen Energieträger (wie Biogas) in Strom und Wärme um. Auch als Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bezeichnet.
  • Der Strom wird in das Netz eingespeist und das "Abfallprodukt Wärme" kann zum Heizen verwendet werden.
  • Als Nahwärme wird die Übertragung von Wärme zwischen Gebäuden zu Heizzwecken umschrieben, wenn sie über kurze Strecken erfolgt.
  • Dabei wird das heiße Wasser zu den Häusern gepumpt. Die Übergabestation beim Abnehmer enthält einen Wärmetauscher, der die Wärme auf den hausinternen Heizkreislauf überträgt.
  • Das abgekühlte Wasser fließt zurück zum BHKW (Rücklauf).

„2020 hat mich ein Nachbar angesprochen, ob ich etwas Wärme für ihn übrighabe,

da seine Heizung kaputt wird.“

Michael Sorgenfrei

 
 

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