Die Wurzeln der Evangelischen Gemeinde sind unmittelbar mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr im Jahr 1910 verbunden. Der erste evangelische Gottesdienst seit der Reformationszeit wurde am 17. April 1909 in der Munitionsanstalt gefeiert.
Im Lauf der Zeit gab es immer verschiedene Notkirchen im Lager, die vom Kriegsministerium zur Verfügung gestellt wurden. Darunter war auch eine Reithalle, die für 1000 Personen Platz bot. Wie das Volk Israel bei seiner Wanderung durch die Wüste zog auch jedes Mal das Heiligtum mit: ein transportabler Altar, vier Kerzenständer, ein verziertes Standkreuz, das Abendmahlsgerät, ein Bild mit der Abendmahlsszene und ein Harmonium. Dies war seit der Einweihung der Michaelskirche nicht mehr nötig.
1875: Zwei evangelische Christen
Die Anfänge der evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Grafenwöhr liegen weitaus länger zurück; und sind in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts, bald nach der Einführung der Reformation durch Martin Luther (1517) zu finden. Bei der Volkszählung am 1. Dezember 1875, als es in Grafenwöhr 927 Einwohner gab, waren darunter zwei evangelische Christen. Der große Wandel trat mit der Eröffnung des Truppenübungsplatzes und dem Zuzug von Militärangehörigen, Beamten, Arbeitern und Geschäftsleuten ein. Deshalb wurden regelmäßige evangelische Gottesdienste (circa 12 bis 15 pro Jahr) eingeführt. Den ersten hielt Pfarrer Sauer aus Kaltenbrunn am Sonntag "Jubilate" (17. April 1909).
Als Kirche diente ein kleiner Saal in der Munitionsanstalt am Ringbahnhof im Truppenlager. 1911 folgte die Gründung des "Evangelischen Vereins Grafenwöhr-Eschenbach und Umgebung", der zum ersten Vorstand Oberamtsrichter Höhn aus Eschenbach wählte. Zwei Jahre später wurde konkret ans Bauen gedacht und der "Protestantische Kirchenbaufond Grafenwöhr" gegründet.
Zu den Gründungsmitgliedern gehörte Pfarrer Fuchs aus Kaltenbrunn, der später Militärgeistlicher für den Truppenübungsplatz wurde. Damit ist klar, dass die Geschichte der Evangelischen in Grafenwöhr aufs Engste mit der Entwicklung des "Lagers" beziehungsweise dem Militär auf dem Truppenübungsplatz zusammenhängt.
Im Juli 1914 wurde vom Staatsministerium der Finanzen ein kostenloser Bauplatz für eine protestantische Kirche genehmigt. Die Bedingung war jedoch, dass innerhalb von sieben Jahren mit dem Bau begonnen werden musste. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges verhinderte dies, brachte aber tausende evangelischer Soldaten nach Grafenwöhr. Der frühere Raum in der Munitionsanstalt wurde für Gottesdienste zu klein, so dass Weihnachten 1914 im schönen großen Saal der Offiziersspeiseanstalt IV (Kasino) der Gottesdienst gehalten wurde.
Silvester 1916 gab es im Truppenübungsplatz sogar ein "Simultaneum" für beide Konfessionen. Die erste Konfirmation wurde am 9. April 1917 gefeiert. Am 1. Dezember 1917 wurde das "Exponierte Evangelische Vikariat Grafenwöhr" als Tochtergemeinde von Neustadt am Kulm errichtet. Aber es dauerte noch fast sechs Jahre, bis die Gemeinde Gottesdienste in ihrer Michaelskirche feiern konnten. Der Bau wurde in einer Blitzaktion von nur 16 Wochen errichtet. Das Holz als Baumaterial kam aus dem Truppenübungsplatz. Die Nägel dazu waren gebraucht.
Kirche von Bombenhagel verschont
Am 5. und 8. April 1945 wurde Grafenwöhr zweimal schwer von amerikanischen Bombenverbänden verwüstet, doch wie ein Wunder blieb die Michaelskirche verschont. Zeitzeugen berichteten, dass während der Angriffe an diesen Tagen eine Brandmine durch das Dach der Michaelskirche schlug. Doch dem damaligen Pfarrer Mayer sei es zu verdanken, dass eine völlige Zerstörung verhindert wurde, indem er die bereits gezündete Mine aus der Kirche trug.
Aber es gab noch einige andere Pfarrer, die sich um die Menschen in Grafenwöhr und um die Michaelskirche gekümmert haben. Einer davon ist Pfarrer Ernst-Wilhelm Schiller, den es am 1. Februar 1964 hierher verschlug. In seine Dienstzeit (bis Januar 1972) fiel der Neubau des Pfarr- und Gemeindehauses im Jahr 1966 und die komplette Umgestaltung der Michaelskirche 1971. Der komplette Altarraum wurde verändert. Anstelle eines großen Kreuzes wurde ein Kunstwerk installiert, das vom Pressather Künstler Langhammer stammte.
Auch der alte Altar und die Kanzel wurden entfernt. Ein moderner hölzerner Altar sowie ein hölzernes Lese- und Predigtpult wurde installiert. Der Bretterboden wurde gegen Klinkerfliesen ausgetauscht. Auch farblich hatte sich einiges getan: Der Außenanstrich wurde schwedenrot und die Innengestaltung hellgrau und bauernblau mit roten Absätzen der Kassetten am Kirchengestühl. Die Glocken wurden am Michaelstag 1971 aus dem Allgäu abgeholt.
Einige Pfarrer und Vakanzen
Vakanzzeiten gab es des Öfteren; aber auch mehrere Pfarrer: Von 1972 bis 1978 war Günther Lohrey und von 1979 bis 1988 Werner Latteier in der Gemeinde. Mit Pfarrer Wolfgang Neubauer kommt ein Pfarrer z. A. nach Grafenwöhr, der von der Landeskirche bestimmt wurde. Mit der Grenzöffnung im November 1989 wird Grafenwöhr zum Auffanglager für 150 ehemalige Bürger der DDR sowie für Asylbewerber. 1992 kommen viele Aussiedler hierher. Deshalb steigt die Zahl der Gemeindemitglieder auf circa 1800.
Später waren es Dr. Wolfgang Körner, Günter Daum sowie von 2012 bis 2021 Dr. André Fischer, die sich in Grafenwöhr fürsorglich um die evangelischen Christen und um die Michaelskirche kümmerten.
Vor fünf Jahren gab es für die Kirche mit Ausnahme der Orgel schließlich eine Generalsanierung. Investiert wurden damals rund 500 000 Euro.
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