Johannes Seidl kam am 20. November 1905 in Schneiderberg zur Welt. Nach dem Studium der Theologie wurde er 1930 zum Priester geweiht. Mit dem Stiftland kam er erstmals 1931 in Kontakt, als Kooperator in Tirschenreuth. Am 1. August 1937 trat Pfarrer Seidl seine Stelle als Expositus in Stein an. Durch Denunziation wurde er 1939 von den Nazis zu neun Monaten Gefängnis (siehe Infokasten) verurteilt. Bis zum letzten Tag musste er die Strafe absitzen. Seidl, so berichtete seine Nichte Martha Richtmann, erkrankte durch diesen qualvollen Gefängnisaufenthalt schwer. Er musste zeitweilig in den Ruhestand versetzt werden, um sich zu erholen. Ganz gesund sollte er aber nie mehr werden. 1943 konnte er schließlich doch die Pfarrei in Griesbach übernehmen.
Seidl war immer ein Kämpfer für den Herrn, aber auch für die Demokratie. Am 17. März 1946 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der CSU im Landkreis Tirschenreuth. Bei der folgenden ersten Kreistagswahl wurde er ins Gremium gewählt, dem er bis zu seinem Tod angehörte. Von 1946 bis 1964 arbeitete er verantwortlich im Kreisausschuss mit. Robert Treml aus Waldsassen kannte Seidl gut: "Ein unheimlich fleißiger und umtriebiger Mann, der sich um die CSU im Landkreis sehr verdient gemacht hat." Pfarrer Seidl war sich nicht zu schade für Wahlkampfauftritte und scheute auch nicht vor Fahrten in die damalige SPD-Hochburg Mitterteich zurück. Der frühere Ministrant Konrad Beer berichtet, dass sich Seidl aber gerne von einer Gruppe starker Buschen als "Bodyguards" begleiten ließ. "Wilhelm und Hubert Rath, Adalbert Sporrer und Josef Reisnecker wichen nicht von seiner Seite, sicher ist sicher."
Die Sorge um die Jugend war Seidl wichtig. 1949 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des SV Griesbach. Um dem klammen Verein unter die Arme zu greifen, wurde anfangs unter der Regie des Pfarrers auch Theater gespielt. Ab 1956 führte er den Verein als Vorstand an, bis kurz vor seinem Tod. Nach den Spielen erkundigte er sich sofort nach der Gesundheit seiner Fußballer, erst danach fragte er nach dem Ergebnis. Als Anfang der 60er Jahre ein neuer Fußballplatz nötig war, stellte er ein Pfarreigrundstück zu Verfügung. Allerdings mit einer Auflage: Kein Spiel während eines Gottesdienstes.
Kreisstraße entschärft
Danach kam die größte Herausforderung, der Bau des Jugendheims. Engelbert Wurm hat ihn in dieser Zeit oft in die Ministerien nach München chauffiert. Dort wurde auch angeboten, den Pfarrhof neu zu bauen. Obwohl durch seine Krankheit schon schwer gezeichnet, stimmte Seidl zu. Als 1967 das Jugendheim fertig war, zog er dort provisorisch ein, um den Pfarrhof abreißen zu können. Martha Richtmann erzählte, dass er für die Bauten in Griesbach immer auf der Suche nach Studentengruppen gewesen sei, die beim Bau kostenlos geholfen haben. Durch seinen Einfluss im Kreisausschuss brachte es Seidl auch fertig, dass die Kreisstraße von Griesbach nach Lauterbach entschärft wurde. Die vielen Unfälle gehörten bald der Vergangenheit an. In seiner knappen Freizeit ging Seidl gerne auf die Jagd. Rosa Keis schwört noch heute, dass er dabei nie auf ein Tier geschossen habe. "Er hat nur geschaut." Konrad Beer durfte ihn mal zu einer Jagd ins "Mühlhölzl" begleiten: "Plötzlich sprang er auf und kletterte vom Hochsitz", erzählte der damals junge Ministrant. Seidl müsse schnell heim, Gebet läuten, so seine Worte. "Wenn der Bock kommt, dann schieß." Letzterer erschien zum Glück nicht, eine halbe Stunde später war Seidl wieder da.
Imker und Bergsteiger
Mehr "Glück" hatte der Geistliche mit dem Aufstellen von Fallen. Er und seine Pfarrköchin Maria Weigl hielten damals Hühner, so berichtete Ernst Ries. Weil der Fuchs oft vorbeigeschaut habe, stellte der Pfarrer eine Falle auf, schön verdeckt. Allerdings erwischte es keinen Fuchs, sondern die Pfarrköchin, die von der Falle keine Ahnung hatte. Befreit wurde die jammernde Frau schließlich vom Nachbarn, nachdem der Postbote die offenbar raffinierte Falle nicht öffnen konnte. Ab 1944 hatte Johannes Seidl auch ein Getreidefeld, gleich neben dem Pfarrhof, das er noch eigenhändig mit der Sense mähte. Bis zu seinem Tod betrieb Seidl einen Fischteich, hatte Bienen, versuchte sich als Bergsteiger einige Male am Matterhorn und spielte leidenschaftlich gerne Schafkopf.
Nachdem Johannes Seidl am 27. Oktober 1968 im Alter von nur 63 Jahren verstorben war, versammelte sich die gesamte Politikprominenz des Landkreises am Grab. Landrat und MdL Otto Freundl lobte den treuen Weggefährten in höchsten Tönen: "Nur wer selbst bei dieser Neugestaltung des öffentlichen Lebens mitgearbeitet hat, kann ermessen, was Johannes Seidl geleistet hat." Neben zahlreichen Priestern, Vereinen und Organisationen trauerte die vollzählig anwesende Pfarrgemeinde mit Bürgermeister Ambros Hecht an der Spitze. Sie hatten nicht nur einen Priester und einflussreichen Gemeindevertreter verloren, sondern vor allem ihren "wahren guten Hirten".
Die, die ihn kannten, trauern noch heute um einen Mann, der ihnen nicht nur Seelsorger, sondern ein wahrer Freund und Helfer in der Not war. "Ich habe nie mehr wieder so einen seelenguten Menschen wie Pfarrer Seidl getroffen", so Rosa Keis, die jahrelang im Griesbacher Kirchenchor gesungen hat, der von ihrem Mann Herbert unter Pfarrer Seidl gegründet worden war. Der gute und weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannte Chor wurde bald nach Seidls Tod aufgelöst.
"Staatsgefährdende Äußerungen"
Herbert Keis schilderte im OWV-Heft "Die letzten Kriegswochen in und um Griesbach" folgende Begebenheit: Nachdem 1939 der deutsche und russische Außenminister den Nichtangriffspakt in Moskau unterschrieben hatten, fragte der damalige Expositus von Stein, Johannes Seidl, in einer Drogerie am Tirschenreuther Marktplatz, ob von nun an nicht nur die Nationalhymne und "Die Fahne hoch", sondern auch noch die "Internationale" gesungen werden müsse. Eine Kundin fühlte sich dadurch beleidigt und zeigte den Geistlichen an. Wegen "staatsgefährdender Äußerungen" wurde er zu neun Monaten Haft in Nürnberg verurteilt.
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