Ihre Wiege stand allerdings nicht in der Kaolinstadt, sondern in Schindlwald im Sudetenland. Dort erblickte sie am Allerweltskirwasamstag um 6.30 Uhr das Licht der Welt – aus Sicht der Eltern, die eine Bäckerei hatten - nicht der ideale Tag. Die Mutter hat später oft zu ihr gesagt: „Da hab’n mir so viel Arbeit g‘habt. Und dann kommst du a nu daher!“ 1946 ereilte ihre Familie das Schicksal vieler Sudetendeutschen. Sie wurde aus ihrer Heimat vertrieben, in einen Waggon verfrachtet und kam nach Hirschau. Dort wurde die Familie Stark dank der Familie Droßbach in Baracken gegenüber der AKW untergebracht, anschließend in den Kreishäusern.
Volkstumsbürgermeisterin
Bei ihren zwei Besuchen in der alten Heimat konnte sie feststellen, dass das Elternhaus nach wie vor steht. Noch zu gut erinnert sie sich an die ersten Schultage in der 1. Klasse. Sie wurde von der Schulschwester nach Hause geschickt, weil sie – noch von der Flucht traumatisiert – unaufhörlich weinte. „Ich habe dauernd den Waggon voller verängstigter Menschen im Kopf und einfach fürchterliche Angst gehabt.“ Nach dem Schulabschluss wurde sie zahnärztliche Helferin und arbeitete als solche 23 Jahre lang in der Praxis Dr. Dorfner. 28 Jahre trug sie in aller Frühe die Amberger Zeitung aus. In dem im Jahr 1989 gegründeten Wenzelkreis engagierte sie sich 27 Jahre lang als 2. Vorsitzende bis zu seiner Auflösung 2018. Der Verein kürte sie 1994 im Rahmen der Kirwa zur Wenzelin, eine Ehre, die nur einem echten Hirschauer Original zuteil wird. Dass ihr der rasende AZ-Reporter Sepp Müller Anderl, Kürzel „ll“, den Titel Volkstumsbürgermeisterin verpasste, kommt nicht von ungefähr. Schließlich pflegt Marianne Mendl das gesellige Leben bei den Trachtlern genauso wie bei den Tauberern und den Hoserern. Beim Musikzug ist sie schon seit 40 Jahren Mitglied. Ist beim Gschrei böhmischer Musikantenabend, übernimmt sie gerne die Begrüßung. Auch um die Klassentreffen ihres Jahrgangs kümmert sie sich.
Besonders am Herzen liegt ihr die würdevolle Verabschiedung verstorbener Hirschauer. Ihnen widmet sie am Grab einen selbst verfassten, persönlichen Nachruf. Den Beinamen „Friedhofsengel“ hat sie sich dadurch erworben, dass sie seit rund 15 Jahren beim Beten bei der Aussegnung und Läuten der Friedhofsglocke unersetzlich ist. In dieser Funktion brachte sie Ex-Stadtpfarrer Bergmann nur allzu oft wegen seines notorischen Zuspätkommens in Wallung. „Wir zwei waren wie Don Camillo und Peppone. Ich habe ihm gesagt, dass bei ihm einmal nicht die Glocken von Rom erklingen, sondern die Trompeten von Jericho erschallen werden.“ Förmlich aus der Fassung hatte er sie gebracht, als er ihr das Glockenläuten bei der Aussegnung untersagen wollte. „Da hab ich im Rathaus gefragt, ob die Leichenhalle auf Kirchen- oder Stadtgrund steht. Sie steht auf Stadtgrund. Dann hab ich dem Pfarrer gesagt, dass er mir in der Sache nichts zu sagen hat. Drum läute ich bis heute und die Glocke heißt im Volksmund „Marianne-Glöckerl“. Kein Wunder, dass Pfarrer Bergmann resignierend festgestellt hat: „Ich kann an diese Frau nicht ran!“
Kapelle gestaltet
Eine besondere Beziehung scheint das Läutwerk der Vierzehnnothelferkirche zu ihr zu haben. Ein Blitzschlag machte es funktionsunfähig, als sie drei Tage in Österreich war. „In der Zeit ist niemand gestorben. Als ich zurückgekommen bin, war die Glocke repariert. Und an dem Tag sind gleich drei Leute verstorben.“ Gut ist sie auf den neuen katholischen Pfarrherrn, Pfarrer Hofmann, zu sprechen. „Der passt!“, lautet ihr Kurzkommentar. Gleiches gilt für den evangelischen Pfarrer Fischer. Damit sie beim Aufhalten des fließenden Verkehrs besser geschützt ist, hat sie von ihm eine Warnweste mit der Aufschrift „Im Dienste des Herrn“ und eine Winkerkelle geschenkt bekommen. Eine Herzensangelegenheit ist ihr die liebevolle Pflege und Gestaltung der Lourdes-Kapelle. In dieser zündet sie für Mitmenschen, die ihr am Herzen liegen, gerne ein Kerzerl an.
So hält es Marianne Mendl auch nach ihrem 80. Geburtstag, zu dem sie unendliche viele Glückwünsche bekam, mit ihrem Lebensmotto: „Alt werden ist Gottes Gunst, jung bleiben ist Lebenskunst!“
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