München. Die in Bayern lebenden Juden sehen sich zunehmend antisemitischen Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS). "Antisemitismus ist für Jüdinnen und Juden in Bayern ein alltagsprägendes Phänomen", erklärte der Projektleiter der Studie, Benjamin Steinitz, bei der Vorstellung der Ergebnisse am Freitag in München. Deren Basis ist eine Befragung in Bayern lebender Juden sowie die Auswertung polizeilicher und von zivilen Organisationen erhobener Daten. Die Fälle reichen laut Studie von Diskriminierungen und verbalen Attacken bis hin zu gewaltsamen Übergriffen.
Sie kommen in Schulen, am Arbeitsplatz und im Alltagsleben vor. Verursacher sind nicht nur rechte Gruppierungen und Neonazis, sie kommen auch aus islamischen Kreisen sowie von Personen, die die israelische Politik gegenüber den Palästinensern kritisieren. Letzteres sei ein "neuartiges und besonders relevantes Phänomen", sagte Steinitz. Es habe sich gezeigt, dass Antisemitismus in der "deutschen Mehrheitsgesellschaft" verbreitet sei. Dieser äußere sich in abfälligen Bemerkungen oder falschen Behauptungen.
Während Gewaltdelikte sowie Übergriffe aus islamischen Kreisen vorwiegend ein Problem der großen Städte seien, fühlten sich Juden in kleineren Städten und auf dem Land vor allem durch Rechtsextreme bedroht, berichtete Steinitz. Von den von Anfang 2014 bis Mitte 2018 erfassten 706 antisemitischen Straftaten im Freistaat entfielen 431 auf Kleinstädte und ländliche Regionen.
Die Mehrzahl betraf den Straftatbestand der Volksverhetzung. In der Oberpfalz wurden im Berichtszeitraum 47 Fälle registriert. Steinitz sprach aber von einer hohen Dunkelziffer, da in den Befragungen deutlich geworden sei, dass die Juden in Bayern nur knapp ein Drittel aller Vorfälle bei Polizei oder zivilen Einrichtungen anzeigten. Zudem sei die Polizei bei antisemitischen Straftaten oft nicht ausreichend sensibilisiert.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Staatsregierung, Ex-Kultusminister Ludwig Spaenle, bewertete die Studie als Beleg dafür, "dass die Fratze des Antisemitismus lebt". Dieser müsse als "Krebsgeschwür der Gesellschaft ganzheitlich bekämpft" werden. Spaenle betonte, dass der Staat fest an der Seite der und Juden in Bayern stehe. Bedenklich seien "strategisch gezielte Tabu-Brüche" aus rechtsgerichteten Parteien und Gruppierungen. "Dagegen werden sich Staat und Gesellschaft wehren", versprach Spaenle. Bekämpft werden müsse auch die Hetze im Internet.
Die Vizepräsidentin der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Anna-Deborah Zisler, appellierte an die jüdischen Bürger Bayerns, auch kleinere Anfeindungen und Übergriffe zu melden. Sie begrüßte den vom Freistaat mit 380 000 Euro geförderten Aufbau einer beim Jugendring angesiedelten Meldestelle.



















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