Kemnath
11.11.2020 - 16:08 Uhr

Auch Bauern im Landkreis Tirschenreuth "geht die Luft aus"

Den Landwirten brennt die Hütte. Ruinöse Preise für ihre Erzeugnisse decken die Kosten nicht mehr. Sie fordern mehr Geld - durch höhere Markterlöse bei Fleisch und Milch. Mit Forderungspapieren richten Sie sich an ihre „direkten Partner“.

Vor dem Gelände des Kemnather Milchhofs übergaben Matthias Zahn (rechts) und Bernhard Schultes (links) die Forderungspapiere an Werksleiter Richard Schaller (Mitte). Sie wollen mehr Geld für den Liter Milch. Von „mindestens 15 Cent“ ist die Rede. Bild: mde
Vor dem Gelände des Kemnather Milchhofs übergaben Matthias Zahn (rechts) und Bernhard Schultes (links) die Forderungspapiere an Werksleiter Richard Schaller (Mitte). Sie wollen mehr Geld für den Liter Milch. Von „mindestens 15 Cent“ ist die Rede.

Den Landwirten reicht es. Die auf ihren Betrieben anfallenden Kosten können durch die gezahlten Preise für ihre Erzeugnisse nicht mehr gedeckt werden. Insbesondere die Tier- und Milchviehhalter trifft besonders hart. Sie sehen die Molkereien und Schlachtereien "als ihre direkten Partner". "Schlachtkapazitäten brechen weg, seit Monaten ruinöse Preise für Rinder, Schweine und Milch", heißt es in einem gemeinsamen Forderungspapier.

Damit machten die Bauern - unterstützt von landwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen - am Mittwoch in ganz Deutschland bei Molkereien und Schlachthöfen auf ihre Situation aufmerksam. "Schluss mit lustig - Uns geht die Luft aus!", lautete der Slogan der Aktion. Einige Milchvieh- und Tierhalter aus dem Kemnather Land, Steinwald, Fichtelnaabtal und der Kösseine sowie rund um den Rauhen Kulm waren mit ihren Traktoren zum Milchhof, dem Betrieb der Bayernland e.G., nach Kemnath gekommen, um den einheitlichen Forderungen der landwirtschaftlichen Betriebe Nachdruck zu verleihen.

Partner mit Verantwortung

Sie hatten sich mit ihren landwirtschaftlichen Zugmaschinen neben dem Tor zum Betriebsgelände positioniert, als Matthias Zahn und Bernhard Schultes das Forderungspapier an Werksleiter Richard Schaller übergaben. Unter Einhaltung des vorgeschriebenen physischen Abstands und mit Maske erläuterten die Landwirte ruhig und sachlich ihre konkreten Forderungen. "Wir Milchviehhalter sehen die Bayernland e.G. als unsere direkten Marktpartner, als unseren Partner mit Verantwortung gegenüber uns Bauern", erklärte Zahn, der im Landkreis Tirschenreuth den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter vertritt und selbst einen Öko-Milchviehbetrieb in Eiglashof bei Reuth bei Erbendorf betreibt. "Und von unserem Partner erwarten wir einen fairen Preis für unsere Erzeugnisse, damit wir Bauern unsere Betriebe erhalten und auch wirtschaftlich nachhaltig weiterentwickeln können."

"Es muss alles dafür getan werden, dies zu realisieren. Die Erlöse müssen innerhalb der Wertschöpfungskette gerechter verteilt werden", heißt es in dem Forderungspapier. Von den erzielbaren Erlösen müsse mehr "bei uns Bauern ankommen", bringt es Schultes, Landwirt aus Pilgramsreuth bei Pullenreuth, auf den Punkt. Er vertrat Stefan Adam, der in der Region für die Organisation "Land schafft Verbindung" zuständig ist.

Richard Schaller nahm das Forderungspapier zeigte sein persönliches Verständnis gegenüber den Landwirten. "Ihr könnt euch sicher sein, dass ich die Forderungen an die Zentrale weiterleite." Der Werksleiter hoffe, "dass sich die Situation für alle Beteiligten verbessert". Momentan befänden sich "auch die Molkereien wie auch die Schlachthöfe in einer schwierigen Situation". "Wir sind stark vom Export abhängig", erörterte Schaller eines der Probleme hinsichtlich der Käsereiprodukte.

Kostendeckende Bezahlung

Die Forderungen richten sich nicht an die Politik, sondern "an die Verarbeiter als die nächsten Marktpartner welche die Erzeugnisse der Bauern auch bezahlen". "Wer sich nach eigener Aussage als Partner oder Unternehmen der Landwirte versteht, muss diese auch partnerschaftlich behandeln - dazu gehört eine mindestens kostendeckende Bezahlung als Regelfall und nicht als Ausnahme!", heißt es in dem Forderungspapier eindringlich.

Lage existenzbedrohend

"Es lassen sich gerade mal noch zwei Drittel der Kosten decken", schreibt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. So wie jetzt gewirtschaftet werde, kann es laut Matthias Zahn nicht weiter gehen. "Die Lage ist für viele landwirtschaftliche Unternehmen existenzbedrohend."

Die Politik wird dennoch nicht außer Acht gelassen, denn "mit weiteren Auflagen steigen die Kosten weiter". Es brauche Rahmenbedingungen und Initiative von allen Beteiligten der Wertschöpfungskette - vom Handel bis zu den Landwirten selbst.

"Unsere Verarbeiter sind in der Lage, schon kurzfristig mehr zu bezahlen und weiter zu berechnen", heißt es in der Pressemitteilung von "Milchdialog". Es werde aktuell "über die Zukunft der Landwirtschaft verhandelt, die viele Betriebe aber nicht mehr erleben werden, wenn sich nicht kurzfristig die Erlössituation auf dem Markt verbessert". Wie ernst die Lage ist, fasste Matthias Zahn abschließend nochmals zusammen. Es gebe keine Zeit zum Vertrösten. "Es muss gehandelt werden, denn es geht um Existenzen." Als Fristtermin nannte er gegenüber dem Werksleiter des Kemnather Milchhofs den 19. November. "Dann werden wir wiederkommen."

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Bayern11.11.2020
Amberg11.11.2020
Mit den Traktoren waren Landwirte aus der Region zu "ihrem Partner", der Bayernland e.G. zum Milchhof nach Kemnath gekommen, um der Übergabe der Forderungspapiere "optisch etwas Nachdruck" zu verleihen. Bild: mde
Mit den Traktoren waren Landwirte aus der Region zu "ihrem Partner", der Bayernland e.G. zum Milchhof nach Kemnath gekommen, um der Übergabe der Forderungspapiere "optisch etwas Nachdruck" zu verleihen.
Hintergrund:

Die Preisforderungen

  • Milch: Für den Liter wollen die Bauern mindestens 15 Cent mehr.
  • Fleisch: Für das Kilogramm Rindfleisch sollen es mindestens 1 Euro und für das Schweinefleisch mindestens 50 Cent mehr sein, die am Ende bei den Landwirten zusätzlich ankommen sollen. Für Geflügelfleisch führt das deutschlandweit einheitlichen Forderungspapier 20 Cent pro Kilogramm an.

Diese „Mehrpreise“ nennt der „Milchdialog“ in der gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der „Land schafft Verbindung“-Milchgruppe, des European Milk-Board, der Freien Bauern und der Milcherzeugergemeinschaft „Milch-Board“.

 
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