Michael Heiden aus Kemnath kämpft sich nach doppelter Organspende zurück ins Leben

Kemnath
02.06.2023 - 13:02 Uhr
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Vor einem halben Jahr bekommt Michael Heiden aus Kemnath eine Bauchspeicheldrüse samt Nieren transplantiert. Ein Eingriff, der sein Leben verändert. Heute will er anderen die Angst vor einer Organspende nehmen und über das Thema aufklären.

"Wir hätten da zwei top Organe. Eine Bauchspeicheldrüse und eine Niere. Haben Sie Interesse?" Diese Frage eines Arztes vom Uniklinikum Erlangen verändert das Leben von Michael Heiden vor einem halben Jahr schlagartig. Wie er in diesem Moment, warten derzeit 9500 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Es ist ein Wettkampf gegen die Zeit, denn täglich verlieren bis zu drei Menschen ihr Leben, weil sie nicht rechtzeitig ein neues Herz, eine neue Lunge, Leber oder Bauchspeicheldrüse bekommen. "Ich hatte einfach sehr viel Glück", sagt der 57-Jährige und strahlt über das ganze Gesicht. Wie wichtig das Thema Organspende ist, darauf möchte Michael Heiden nicht nur am Tag der Organspende am Samstag, 3. Juni, aufmerksam machen.

An den 30. November vergangenen Jahres kann sich Michael Heiden noch sehr genau erinnern. "Es war ein Mittwoch, wir hatten zu Abend gegessen und saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer, als das Handy klingelte", erinnert er sich. Wir, das sind seine Lebensgefährtin Ines Hebenstreit und Hündin Bella. Auf der Suche nach einer neuen Bleiben zog der gebürtige Rheinländer vor drei Jahren von Schwandorf nach Kemnath. "Am Anfang war ich etwas überrumpelt, weil ich nicht mit einem Spenderorgan gerechnet habe", sagt er. Schnell wird das Nötigste für einen Krankenhausaufenthalt gepackt, um 21.45 Uhr liegt Michael Heiden "auf Station". Es folgen Grunduntersuchungen, Blutbild und ein Corona-Test. Um 4.45 Uhr wird der 57-Jährige für die Transplantation vorbereitet, um 6 Uhr beginnt die fünfstündige Operation.

Diabetes greift Nieren an

Ein kurzer Blick zurück: 1987, Michael Heiden ist 21 Jahre alt und leistet seinen Wehrdienst ab. Im Rahmen des Militärischen Ehrendienstes durfte er unter anderem Prinz Charles und Diana, Margaret Thatcher, Helmut Kohl und andere internationale Gäste am Flughafen Köln/Bonn begrüßen. Eigentlich wollte er danach eine Ausbildung bei der Polizei beginnen, aber daraus wurde nichts.

Bei ihm wird Diabetes Typ 1 festgestellt. Seine Bauchspeicheldrüse (Pankreas) funktioniert nicht mehr. Seitdem ist er auf Insulin angewiesen. Eingeschränkt habe ihn die Krankheit nicht. "Es erforderte allerdings ein diszipliniertes Leben im Umgang mit Essen." 2019 geht es Michael Heiden immer schlechter. "Ich war schlapp, hatte Stimmungsschwankungen", erinnert er sich. Im Krankenhaus stellen die Ärzte gleich fest, dass seine Nieren so stark geschädigt sind, dass nur noch eine Dialysebehandlung die Funktion des Organs ersetzen kann.

Er entscheidet sich für die Bauchfelldialyse: ein Blutreinigungsverfahren, das von den Betroffenen mehrmals täglich umfangreiche Spülvorgänge über einen Katheter erfordert. "Früher konnte ich trotz meiner Diabetes-Erkrankung noch jede Woche drei Läufe zwischen 10 und 20 Kilometern absolvieren. Mit Beginn der Dialyse war es mit meinem Sport völlig vorbei", erzählt er. "Dieser Zustand hat mich fertig gemacht. Ich hatte keine Lebensqualität mehr."

Dennoch versucht er, weiter als Projektleiter zu arbeiten, die Flüssigkeit immer und überall dabei - natürlich auch auf Reisen. Die gesundheitlichen Einschränkungen nehmen mehr und mehr zu. Im Frühjahr 2022 muss Michael Heiden aufhören zu arbeiten und Erwerbsminderungsrente beantragen.

Gegen den schleichenden körperlichen Verfall und die Abhängigkeit von der Insulin- und Dialystherapie gab es in seinem Fall nur eine Rettung: die kombinierte Pankreas-Nieren-Transplantation. Die OP verläuft gut, die Organe springen an. "Als ich aufgewacht bin, habe ich mich erstmal abgetastet", sagt er. Eine lange Narbe ziert seitdem seine Bauchmitte. Nach zwei Wochen darf er zurück nach Hause. Als er dort das Insulin, die Nadeln und die Dialyseflüssigkeit sieht, wird ihm zum ersten Mal bewusst, wie viel Raum die Krankheiten in seinem Leben eingenommen haben. "Weg damit! Ab in die Tonne! Jetzt beginnt mein neues Leben", sagt er sich. Endlich kann er wieder weite Strecken mit dem Motorrad oder E-Bike zurücklegen und Sport treiben. Drei Mal pro Woche geht er mit Ines ins Fitnessstudio, trainiert dort Kraft und Ausdauer. Auch das Spazierengehen mit Hündin Bella wird mit jedem Tag einfacher.

Keine Angst vor Organspende

Um darauf aufmerksam zu machen, wie dringend Spenderorgane gebraucht werden, nimmt er nach einem Reha-Aufenthalt im April am virtuellen "Corza Medical Organspendelauf" teil – die Distanz: 10 Kilometer. Die Strecke absolviert er rund um Kemnath. Mit 1 Stunde und 31 Minuten landet er in seiner Altersklasse auf dem 38. Platz. Allein am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg werden derzeit mehr als 400 Menschen betreut, deren Leben von einer baldigen Spende abhängt.

In seinem neuen Alltag verspürt Michael Heiden vor allem eines: Dank. "Ich bin so unglaublich dankbar, dass diese verstorbene junge Frau ihre Organe gespendet und mir damit das Leben gerettet hat." Seiner Meinung nach gibt es keinen Grund, vor einer Organspende - lebend oder nach dem Tod - Angst zu haben. Er befürwortet die sogenannte Widerspruchslösung, die in Österreich gilt. Jeder ist dort automatisch Organspender, außer er widerspricht zu Lebzeiten.

Den 1. Dezember, will Michael Heiden in diesem Jahr besonders feiern. "Es ist mein zweiter Geburtstag."

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Tirschenreuth02.06.2023
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Tirschenreuth02.06.2023
Hintergrund:

Die postmortale Organspende

  • Definition: Verstorbene stellen die eigenen Organe für eine Transplantation zur Verfügung.
  • Einwilligung über Organspendeausweis oder Patientenverfügung, alternativ werden Angehörige um eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen gebeten.
  • Organe: Herz, Lunge, Leber, Nieren, Bauspeicheldrüse und Darm können gespendet werden.
  • Gewebe: Horn- und Lederhaut der Augen, Herzklappen, Haut, Blutgefäße, Knochen-, Knorpel- und Weichteilgewebe.
  • Höchstaltersgrenze gibt es nicht, es zählt der jeweilige Zustand der Organe.
  • Minderjährige dürfen ab 16 ihre Breitschaft zur Organ- und Gewebespende in einem Organspendeausweis festhalten, ein Widerspruch ist bereits ab 14 Jahren möglich.
  • Anonymität von Empfänger und Angehörige gesetzlich vorgeschrieben, Kontakt ist anonym über eine Koordinierungsstelle möglich.

Quelle: Ministerium für Gesundheit

 
 

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