Neuer Apotheken-Notdienst führt im Kemnather Land zu längeren Wegen

Kemnath
01.06.2023 - 15:05 Uhr
OnetzPlus

Welche Apotheke im Raum Kemnath, Pressath und Speichersdorf den Notdienst übernimmt, hat sich zum 1. Juni grundlegend geändert. Was die Schließung einer Apotheke damit zu tun hat und wie sich das auf die Patienten auswirkt - ein Überblick.

Apotheker Dr. Sebastian Vonhoff erklärt, wie sich die Neustrukturierung des Apotheken-Notdienstes ab dem 1. Juni auswirkt.

Ob mitten in der Nacht, am Wochenende oder an Feiertagen: Wer im Notfall dringend Medikamente benötigt, bekommt diese in einer Notdienstapotheke. Wer wann und wie oft diese Notfallversorgung übernimmt, wurde im Kemnather Land neu geregelt. Betroffen davon sind vor allem Patienten im Raum Kemnath, Pressath, Eschenbach, Grafenwöhr, Speichersdorf und Weidenberg.

Laut Apotheker Dr. Sebastian Vonhoff war dieser Schritt wegen einer Veränderung in der "Apothekenlandschaft" nötig. Der 42-Jährige betreibt in Kemnath selbst zwei Apotheken. Wenn im ländlichen Raum eine Apotheke schließe, bekämen die Patienten die Konsequenzen deutlich zu spüren, weiß er. Und genau dies sei der Fall.

Bisher gab es im Dienstkreis sechs Apotheken: drei in Kemnath, zwei in Weidenberg und eine in Speichersdorf. Das habe sich zum 1. Juni geändert. An diesem Tag schloss Georg Schütz seine Apotheke in der Lindenstraße in Weidenberg, die er vor 34 Jahren von seinen Eltern übernommen hatte. Er habe "die Reißleine gezogen", wie er im Gespräch mit Oberpfalz-Medien erzählt. Gründe gebe es dafür mehrere. Einer sei die große Belastung durch den Nacht- und Notdienst, der andere der Personalmangel und die vergebliche Suche nach einem Nachfolger. "Eine kleine Apotheke auf dem Land mit gut 64 Notdiensten im Jahr ist für einen potenziellen Nachfolger einfach nicht attraktiv", sagt er. "Apotheken sterben leise", sagt Schütz.

Versorgungslücken nehmen zu

Das kann auch Sebastian Vonhoff bestätigen. Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland sei Ende März auf unter 18 000 gefallen – das entspreche einem Rückgang um 3 500 Apotheken gegenüber 2008. Damit sei der niedrigste Stand seit 40 Jahren erreicht. „Auch in unserer Region tun sich immer neue Lücken auf“, so Vonhoff. Zuletzt durch die Schließung einer Apotheke in Neusorg vor etwa eineinhalb Jahren. Durch den Wegfall der Apotheke in Weidenberg verbleiben in der Notdienst-Gemeinschaft Kemnath-Speichersdorf-Weidenberg noch fünf Apotheken. Diese müssten nun die Notdienste neu unter sich aufteilen. „Zu fünft wäre die Belastung für alle einfach zu hoch“, erklärt Vonhoff. Durch den Wegfall werden die künftigen Gebiete größer, die übrigen Apotheken-Teams, die „häufig jetzt schon überlastet sind, müssen mehr Patienten versorgen“.

Abhilfe soll nun der Zusammenschluss mit den Apotheken in Eschenbach (zwei), Pressath und Grafenwöhr schaffen. "Zu neunt können wir die 24-Stunden-Versorgung in unserer Region aufrechterhalten", so Vonhoff. Dabei ändere sich auch der Rhythmus. Bisher habe eine Apotheke sieben Tage am Stück den Nacht- und Notdienst übernommen. Künftig werde täglich zwischen den Standorten gewechselt. "In Städten ist diese Form des Notdienstes bereits gängige Praxis", sagt Vonhoff.

Größere Entfernungen zwischen den Apotheken ließen sich durch den neuen Zusammenschluss allerdings nicht vermeiden. Das sei besonders dann unangenehm, wenn aufgrund der aktuellen Lieferengpässe mehrere Apotheken angefahren werden müssten. Die größte Distanz besteht zwischen Grafenwöhr und Weidenberg - gut 40 Minuten mit dem Auto. "Um das abzufedern, werden Weidenberg und Grafenwöhr immer zusammen einen Dienst übernehmen", erläutert Vonhoff. Im Notfall könnten sich Patienten aus dem Raum Grafenwöhr auch in Richtung Weiden, Kunden aus Weidenberg in Richtung Bayreuth orientieren.

Gleiches Honorar seit zehn Jahren

Für Vonhoff steht fest: Um langfristig die für die Bevölkerung so wichtigen Apotheken vor Ort zu erhalten und zu stärken, muss politisch gegengesteuert werden. Darauf möchte auch er am 14. Juni, bei einem deutschlandweiten Protesttag, aufmerksam machen. Aufgerufen hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda). Sie will gegen die zunehmende Bürokratie, mangelnde Wertschätzung der Politik und die Unterfinanzierung vorgehen. Trotz steigender Kosten und der Inflationsentwicklung hätten die Apotheken in den vergangenen zehn Jahren keine Honoraranpassung erhalten. "Hochschulabsolventen könnten sich immer seltener den Schritt in die Selbstständigkeit vorstellen, vor allem, weil die wirtschaftliche Perspektive fehle. Das muss sich dringend ändern", sagt Vonhoff.

Zudem forderten die Apothekerverbände einen Ausgleich für die Bewältigung von Lieferengpässen. Denn sind Medikamente nicht vorhanden, müsse diese Nichtverfügbarkeit dokumentiert werden - ein Arbeitsaufwand, der laut Verband den Apotheken sechs Stunden pro Woche koste.

Hintergrund:

Bundesweiter Apotheken-Protesttag

  • Wann: 14. Juni
  • Was: Apotheken bleiben geschlossen, Arzneimittelversorgung bleibt über die Notdienstapotheken erhalten
  • Warum: Apothekerschaft reagiert auf gesundheitspolitische Entscheidungen der Bundesregierung, Lieferengpässe, Personalnot und eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung
  • Weitere Infos: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; www.abda.de
 
 

Kommentare

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Peter Schmid

Eine solche Entscheidung erfordert Fachwissen und Kenntnisse realen Lebens. Deshalb großes Lob an Dr. Sebastian Vonhoff und den beteiligten Apotheken incl. Personal. - Leider kann man das von unserer derzeitigen Regierung nicht im geringsten erwarten.

02.06.2023