Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zog es viele junge Burschen und Mädchen nach München, um dort Arbeit und Lohn zu finden. In Kirchenthumbach gab es zur damaligen Zeit keine Arbeitsplätze. Eine der wenigen Einnahmequellen boten die Handwerksbetriebe, die Land- und Forstwirtschaft und das Beeren- und Pilzesammeln. Trotz aller Arbeit und Mühe, die den "Thumbachern" in der Metropole Bayerns abverlangt wurde, vergaßen sie nicht, auch das Gesellige zu pflegen und den Kontakt untereinander und zur Heimat aufrechtzuerhalten.
Regelmäßig trafen sich die "Ausgewanderten" in der Arndtstraße beim "Sporer-Josef", der ein Lokal gepachtet hatte, zum Plausch, zum Schafkopfspielen und zu einer Maß Bier. Die Gastwirtschaft war bekannt für ihre vorzügliche Küche, in der natürlich auch Oberpfälzer Schmankerl zubereitet wurden. So blieb es nicht aus, dass zu Ostern 1910 in München ein Verein gegründet wurde, der offiziell "Landsmannschaftliche Vereinigung Kirchenthumbach" genannt wurde. Als äußeres Zeichen wurde 1935 eine Standarte angeschafft, die bei allen Festen und Umzügen mitgeführt wurde. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde sie 1935 beim Heimatfest in Kirchenthumbach.
Die Fahne mit einer Größe von 90 mal 90 Zentimeter zeigt auf der vorderen Seite den Turm, das Wahrzeichen von Kirchenthumbach, mit dem Gründungsjahr 1910. Auf der Rückseite ist das "Münchner Kindl" zu sehen, eingerahmt von einem Kranz aus Eichenblättern. Eingestickt ist auch die Jahreszahl 1935. In diesem Jahr wurde die Standarte angeschafft. Gestiftet wurde sie von Georg Braun, Johann Sporer, Anton Hofmann und Josef Sporer.
Dass die Standarte der Nachwelt erhalten geblieben ist, ist vor allem dem langjährigen Marktgemeinderat und zweiten Bürgermeister Ludwig Kellner zu verdanken, der die Fahne seit der Auflösung des Vereins aufbewahrt hatte. Er sorgte dafür, dass dieses Stück Kirchenthumbacher Geschichte einen würdigen Platz im Rathaus gefunden hat und der Nachwelt erhalten blieb. Mit dem Dienstantritt von Bürgermeister Jürgen Kürzinger wurde das edle Stück abgenommen.
Nur drei Jahre nach der Vereinsgründung traten die Münchner Kirchenthumbacher in ihrer Heimatgemeinde als Wohltäter auf. Aus Anlass der Einweihung des Elisabethenheimes (Kloster) am 26. Mai 1913 spendete der inzwischen auf 138 Mitglieder angewachsene Verein eine Statue der heiligen Elisabeth von Thüringen für die Fassade des Hauses und die Statue des heiligen Antonius für das Atrium des Klosters. Die Elisabeth-Figur wurde vor einigen Jahren restauriert und fand einen neuen würdigen Platz im Foyer des Kinderhauses, das sich seitdem "Kinderhaus St. Elisabeth" nennt. Initiator der Namensgebung war Pfarrer Konrad Beierl.
1932 verlegten die Münchner Kirchenthumbacher das Stammlokal in die Nähe des Isartalbahnhofes in die Gastwirtschaft "Drei Mühlengarten". Auch dieser Wirt, der "Lindner-Franz", ein Bruder vom "Pistlhansn-Seppl," war ein waschechter Kirchenthumbacher. Sein Geburtshaus trug die Hausnummer 1 und stand am Eingang zum Burgring (heute Kausler). Bereits einige Jahre später waren die "Ausgewanderten" gezwungen, in die Mainstraße umzuziehen. Gegenüber der Ortskrankenkasse eröffnete der "Turner-Gustl" eine Gaststätte, die bis Kriegsbeginn als Stammlokal diente.
Noch während des Zweiten Weltkrieges löste sich der Verein auf, da alle jungen Männer zu den Waffen gerufen wurden. Die wenigen Alten, die geblieben waren, wurden zu Kriegsende ausgebombt und verließen ebenfalls München. Doch deswegen sind die Kirchenthumbacher aus der Landeshauptstadt nicht verschwunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es wieder viele Oberpfälzer in die Stadt an der Isar. Auch jetzt leben, arbeiten und studieren zahlreiche Kirchenthumbacher in München. Der bekannteste von ihnen dürfte Charles Schuhmann sein, der am Hofgarten erfolgreich ein Lokal betreibt.
Das Heimatfest 1935
Am zurückliegenden Wochenende feierten die Kirchenthumbacher Kirwa. Es ist jetzt 85 Jahre her, da herrschte aus diesem Anlass in den Wirtshäusern ein ganz besonderer Hochbetrieb: Zur Kirchenthumbacher Kirchweih und zur Präsentation der neuen Standarte in der Heimat veranstaltete die "Landsmannschaftliche Vereinigung Kirchenthumbach" vom 17. bis 20. August 1935 ein Heimatfest. Deshalb waren auch viele Kirchenthumbacher, die in München lebten, gekommen. Das Programm beinhaltete einen Empfang am Bahnhof mit der SA-Kapelle, eine gesellige Unterhaltung im Postsaal und einen Feldgottesdienst an der Bergkirche. Hinzu kamen ein Festzug zum Festplatz beim Sporer-Keller (Kellerwirt) sowie abends Tanz und Unterhaltung in verschiedenen Gasthäusern. Am Kirchweihmontag standen ein Trauergottesdienst auf dem Programm und nachmittags eine Nachkirchweihfeier mit Tanz und Unterhaltung im Gasthaus "Bayerische Ostmark" beim "Mauerer-Karl". Den Abschluss des Heimatfestes bildete ein Ausflug nach Sassenreuth mit Einkehr "beim Steiger" und nach Burggrub, wo man sich in der alten Schlossschänke beim "Grouwirts-Toni" eine Mass frisches Kellerbier schmecken ließ. Die Abschiedsfeier fand am Mittwoch, 21. August, im Gasthof Thumbeck statt. Begrüßt wurden die Wahlmünchener zum Heimatfest von der Ortsgruppe der NSDAP, vertreten durch Bürgermeister Karl Sporer, mit den Worten: "Im neuen Reich Adolf Hitlers, der dem Heimatbegriff eine neue feste Grundlage gegeben hat und der uns wieder mit Blut und Boden verwurzeln lässt, kommt einem solchen Fest eine erhöhte Bedeutung zu. Wir erwarten zu unserer Feier auch all jene Kirchenthumbacher, die das Geschick aus der Heimat fort getrieben hat und die dennoch die Heimatliebe in ihrem Herzen bewahrten. Mit ihnen vereint wollen wir diese festlichen Tage begehen. Wir wollen uns freuen, Glieder einer einzigen großen Familie zu sein. Und wir wollen dessen eingedenk bleiben, dass wahrer Liebe zu Volk und Vaterland nur die Liebe zur Heimatscholle entwachsen kann. Darum rufen wir allen, die an unserem Feste teilnehmen, ein herzliches Willkommen zu."
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