Schnee, Kälte, Rorate und Kerzenschein

Kirchenthumbach
21.12.2020 - 11:39 Uhr

"Tauet Himmel, von oben": Der Anfang des Introitus vom vierten Adventsonntag erinnert an das Warten auf die Ankunft des Herrn, das Weihnachtsfest. Der Vorbereitung darauf dienten früher die jetzt nur noch selten gefeierten Rorateämter.

Mitte der 1950er Jahre entstand an einem Tag Anfang Dezember dieses Bild bei Raureif an der Südseite des Maria-Hilf-Bergkirchleins. Eiskalt war es häufig bei den Rorateämtern dort, und kniehoch lag oft der Schnee, durch den man sich einen Weg zu dem Gotteshaus bahnen musste.

Von Georg Paulus

"Früher ist alles anders gewesen", ist ein Satz, den ich von meinen Omas hörte, wenn sie von Weihnachten redeten. „Plätzln hat ma‘ erst am Heiligen Abend gess’n, vorher nur Hutzl-Birn. Und net‘ bloß an Weihnachten war die Kirche ganz voll, auch zu den Rorateämtern im Advent hat's immer a' volle Kirch'n geb’n.“

Diese Sätze erinnern mich an die Zeiten Mitte der 1950er Jahre, als Josef Schuller, Ludwig Lindner, Siegfried Iberl und ich junge Mitglieder im Kirchenchor waren. Weil unser Kaplan im Advent an jedem Montag in der Maria-Hilf-Bergkirche ein Rorateamt zelebrierte, durften wir, die Jungen, dabei mitsingen. Organistin war Rosa Böhm (Seitz).

In aller Frühe hinauf auf den Berg

Die Rorateämter auf dem Berg waren damals eine Buße. Zuerst hieß es bald aufzustehen, denn die Gottesdienste begannen schon um sechs Uhr. Dazu musste man entweder bei Nebel, Raureif oder damals schon öfters kniehohem Schnee entlang der 14 Kreuzwegstationen im Dunkeln auf Granitstufen zur Bergkirche hinaufgehen. Die bequeme, geteerte Straße zu dem Wallfahrtskirchlein hat es damals ebenso wenig gegeben wie Licht für die holprigen Stufen.

Hatten schon "normale" Rorate-Besucher mit diesen winterlichen Problemen zu kämpfen, so die Mitglieder des Kirchenchores umso mehr. Weil außer dem Kreuzweg auch das Kirchlein noch nicht an das Stromnetz angeschlossen war, hatten sie auf der Empore im Schein vieler Kerzen die Roratelieder zu singen.

Weil dann auch der Herr Kaplan bei den festlichen Gottesdiensten nicht mit Weihrauch sparte und die Ministranten eifrig das Weihrauchfass schwenkten, vermengten sich Kerzenschein und Weihrauchduft und schufen im Kirchlein eine eigentlich romantische Atmosphäre. Einige der Chorsängerinnen sahen das jedoch gar nicht so, denn bei ihnen löste der Weihrauch Hustenreiz aus.

Blasebalgtreten und Zusammenläuten

Ein weiteres Problem war die Orgel. Weil die Kirche noch stromlos war, musste der Blasebalg des Instruments mit Menschenkraft bedient werden. Mit diesem „Ehrenamt“ betraute die Chorregentin uns Nachwuchskräfte. So mussten wir im Wechsel das Pedal langsam und gleichmäßig treten, "damit die Töne nicht wackeln", schärfte uns Rosa Böhm ein.

Wir waren stolz auf dieses Ehrenamt, auch wenn uns verraten wurde, dass ältere Chormitglieder uns erduldeten, weil es den Gläubigen im kleinen Kirchlein nicht so aufgefallen wäre, wenn "durch die Jungen a‘ paar falsche Töne drunter san‘"! Außerdem war das uns egal: Das Blasebalgtreten hat in der eisig kalten Kirche richtig warm gehalten und war auch schöner, als lateinische Messen zu singen. Trotz der Anmerkungen „alter“ Sänger wurden wir bald fester Bestandteil des Ensembles.

Einen weiteren Ehrendienst leisteten wir für den Mesner. Weil die beiden Glocken der Kirche mangels Strom nicht per Knopfdruck aus der Sakristei geläutet werden konnten, mussten zum „Zusammenläuten“ Ministranten auf die Empore kommen, um hinter der Orgel von Hand die Glocken zu läuten. Um ihnen bei Schnee und Schmutz den Weg um das Kirchlein zur Empore zu ersparen, vereinbarte der Mesner mit uns ein Zeichen, dann erledigten wir, die Jungsänger diesen Ehrendienst. Das Beste aus dieser Zeit war das Lob unseres Vorbilds Anton Böhm: „Guat habt's gsunga!“

Kirchenthumbach17.11.2020
Hintergrund:

Tragende Säulen des Kirchenchores unter der Leitung von Karl Endres, der von Rosa Böhm als Organistin unterstützt wurde, waren damals im Bass Jakob Schäfer, Hans Schreglmann, Hermann Zeitler und Hans Sporer. Im Sopran waren Margarete Iberl, Annemarie Schuller und Anni Albersdorfer, später noch Gerlinde Knopf, nicht wegzudenken, ebenso wie Maria Rodler, Theres Schiener, Lisbeth Fritzl tragende Altstimmen waren. Bei den Tenören war es Anton Böhm, auf den sich jahrzehntelang jeder Leiter des Kirchenthumbacher Kirchenchores verlassen konnte. (gpa)

Bevor der Weg zur Bergkirche eine Beleuchtung bekam, war es schwer, im Finstern und bei hohem Schnee die Granitstufen bei den 14 Kreuzwegstationen zu finden.
 
 

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