Kirchenthumbach
02.10.2019 - 14:14 Uhr

"Treter", Beinbruch und ein "Platten"

Andere Zeiten, andere Sitten: Der Schuljugend war es in den 1930er Jahren verboten, einem Fußballspiel des SC Kirchenthumbach als Zuschauer beizuwohnen, weil die Spieler kurze Hosen trugen. Den Spielern wurde mangelnde Moral unterstellt.

Josef Rupprecht, geboren 1885 und verstorben 1973, war nicht nur ein guter Bader und Dentist. Er versorgte auch Kranke und Verletzte. So behandelte er erfolgreich die Beinfaktur von Josef Müller am Kirchweihsonntag 1935. Bild: ü
Josef Rupprecht, geboren 1885 und verstorben 1973, war nicht nur ein guter Bader und Dentist. Er versorgte auch Kranke und Verletzte. So behandelte er erfolgreich die Beinfaktur von Josef Müller am Kirchweihsonntag 1935.

Beleuchtet man die doch recht umfangreiche Geschichte des Sportclubs, stößt man - schriftlich oder mündlich - auf historische Schmankerln. Heinrich Sporer ("Trolln-Heiner") etwa, ein örtlicher Fußballexperte, erzählte dem Autor schon 1972: "Der Spieler Sepp Müller brach sich bei einem Spiel gegen eine Reichsmannschaft am Kirchweihsonntag 1935 ein Bein. Mit einem Handwagen wurde er zu Josef Rupprecht, einem approbierten Bader, gefahren. Der hat dem Sepp seinen Hax'n wieder g'rad g'richt und ei'gipst. Ein halbes Jahr später hat der Sepp wieder gspielt."

Beim selben Spiel waren Torwart Köhl, genannt "Hauptmann Köhl", und Verteidiger Munkert - beide vom 1. FC Nürnberg - bei der Familie Schiener zu Gast. Beide baten darum, in der Kirchenthumbacher Mannschaft gegen die Reichsmannschaft mitspielen zu dürfen. Dieser Wunsch wurden den beiden "Clubberern" gerne erfüllt. Doch es gab Probleme mit den "Tretern", wie die Fußballschuhe damals genannt wurden: Den wackeren Nürnbergern passte nur Schuhgröße 43.

Der einzige Kirchenthumbacher Spieler, der über Schuhe dieser Größe verfügte, war Martin Dobmann. Allerdings hatte er eben auch nur ein Paar davon. Irgendjemand kam schließlich auf die rettende Idee: Köhl zog den linken Dobmann-Schuh an, dazu einen rechten Halbschuh. Verteidiger Munkert begnügte sich mit dem rechten Dobmann-Schuh", dazu ebenfalls einem Halbschuh. Ausgerüstet mit solchen halben Sachen gewannen die Kirchenthumbacher mit 3:1 - und das wollte damals gegen eine Reichswehrmannschaft schon etwas heißen.

Idealismus wurde früher noch größer geschrieben als heutzutage. Wie weit dieser ging, beweist eine kleine Episode, die sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zugetragen hat. Ein Spieler hatte sich in eine Regensburgerin verliebt. Am Tag der Hochzeit war in Kirchenthumbach ein wichtiges Spiel gegen den SC Eschenbach angesetzt. Einer der Fußballfans war bereits glücklicher Besitzer eines Autos. Zusammen mit einem anderen Spieler fuhr er nach Regensburg, um den Mannschaftskameraden kurz nach der Trauung abzuholen.

Allerdings mussten die Kirchenthumbacher die Begegnungen mit nur neun Mann beginnen, weil das Auto mit einem "Platten" auf der alten B 85 im heutigen Truppenübungsplatz zwischen Amberg und Kirchenthumbach liegenblieb. Fieberhaft wurde die Reifenpanne behoben. Die beiden kamen etwas spät, aber noch rechtzeitig zum Einsatz: Die Kirchenthumbacher gewannen das Prestigeduell noch mit 3:2.

Im SCK-Lager herrschte Hochstimmung, zumal Brauereibesitzer Martin Dobmann den Freibierhahn öffnete. Gefeiert wurde der Sieg in der Gastwirtschaft Strauß am Marktplatz. Metzgermeister und Gastwirt Franz Strauß war Teil der siegreichen Mannschaft.

Heiner Sporer, geboren 1908 und verstorben 1992, war ein profunder Kenner des Fußballsports und ein grandioser Erzähler von Begegenheiten aus der lokalen Fußballszene. Ihm zuzuhören war ein Genuss. Bild: ü
Heiner Sporer, geboren 1908 und verstorben 1992, war ein profunder Kenner des Fußballsports und ein grandioser Erzähler von Begegenheiten aus der lokalen Fußballszene. Ihm zuzuhören war ein Genuss.
Kirchenthumbach02.10.2019
 
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