Künftige Stromtrasse trifft im Landkreis Tirschenreuth auf mögliche Steinzeitsiedlung

Leichau bei Plößberg
11.07.2023 - 16:34 Uhr
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Mit Schaufel und Kelle arbeiten Archäologen auf einem Acker bei Plößberg und suchen nach Verfärbungen im Boden. Denn dort, wo später die Erdverkabelung des Süd-Ost-Links verlaufen soll, werden historische Siedlungen vermutet.

Eine längliche Schneise zieht sich durch einen Acker bei Leichau (Gemeinde Plößberg). Ein Bagger gräbt sich durch die Erde, schaufelt den Boden nach links und rechts ab, Bauzäune sind aufgestellt und sichern das Gelände. Britta Kopecky-Hermanns ist Fachbeauftragte für Denkmalschutz und Naturschutz bei Stromnetzbetreiber Tennet. Die Geoarchäologin untersucht mit einer Kelle den Boden und entdeckt eine dunkle Verfärbung in der Erde.

"Man sieht Holzkohlestücke", sagt sie. Es handelt sich um kein natürliches Phänomen. Menschen müssen das hinterlassen haben. Wie die Fachfrau vermutet, könnte es eine Feuerstelle gewesen sein oder eine Stelle, wo jemand die Kohlereste entsorgt hat. Im Zuge der Planungen für die Erdkabelleitung des Süd-Ost-Links laufen seit Kurzem archäologische Voruntersuchungen in ganz Bayern. Die Gleichstrom-Leitung soll künftig Strom aus Windenergie vom Norden und Osten Deutschlands in den Süden transportieren und wird in Bayern vollständig unterirdisch verlegt.

Verdacht auf Siedlungen

Auch bei Plößberg gibt es Verdachtsflächen, die auf historische Siedlungen hindeuten. Britta Kopecky-Hermanns erklärt: "Tennet hat früh Kontakt zum Landesamt für Denkmalschutz aufgenommen." Auf diese Weise würden archäologische Funde schon rechtzeitig in die Planung aufgenommen.

Bereits im Vorfeld wurden von dem Gebiet Luftbilder aufgenommen, historische Daten in Archiven ausgewertet sowie eine Untersuchung per Magnetogramm, das Rückschlüsse auf historische Überreste im Boden zulässt, veranlasst. Die Daten seien in ein geografisches Informationssystem übertragen worden. "Da kann die Trasse auch entsprechend angepasst werden", so die Fachfrau.

Vier Grabungsfirmen

Da jedoch bei den Planungen des Süd-Ost-Links Faktoren wie Boden- und Naturschutz ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich auch Bodendenkmäler entlang der geplanten Trasse befinden. "Verdachtsflächen wollen wir nochmal nachschauen", so Kopecky-Hermanns.

"Wir sind in einer Art Siedlungsspektrum", erklärt sie anhand einer Karte, die auch andere Bodendenkmäler um den geplanten Verlauf der Trasse zeigt. Wie Kopecky-Hermanns erläutert, könnten die Siedlungen bis zum Mesolithikum (Mittelsteinzeit) zurückreichen, also etwa 9000 bis 5000 Jahre vor Christus. An den Voruntersuchungen sind vier archäologische Grabungsfirmen sowie ein Tiefbauunternehmen beteiligt.

Wie der archäologische Koordinator Daniel Ebrecht vom Unternehmen "Kohler & Tomo Archäologie" aus Neumarkt erklärt, seien auf jedem Abschnitt des Süd-Ost-Links ein bis zwei Grabungen vorgesehen. "Wir haben Subschnitte von Hof bis an die Isar", sagt Ebrecht. Die richtigen Grabungen könnten aber erst beginnen, wenn der Planfeststellungsbeschluss da ist.

16 Zentimeter tief

Ebrecht geht auf den Ablauf der Voruntersuchung ein. Im ersten Schritt werde Humus abgezogen. "Dann schneiden wir horizontal den Boden auf." Das erleichtere den Archäologen die Arbeit. Zunächst untersuchen die Wissenschaftler Verfärbungen im Boden, die auf menschliche Eingriffe hindeuten, wie etwa Holzkohle im Boden. Als Werkzeuge dienen den Experten vor allem Schaufel und Spitzkelle.

Gegraben werde laut dem Koordinator in der Regel 16 Zentimeter tief. "Wir gehen maximal 80 bis 90 Zentimeter runter." Das sei auch ausreichend: "Funde liegen oft gar nicht so tief. Der Bodenauftrag hat sich über die Zeit nicht stark verändert." Das sei auf dem Land anders als etwa in Städten, wo auch nach oben gebaut werde. Die Archäologen haben rund zwei Wochen für ihre Voruntersuchungen geplant. "Wir sind hier diese Woche zugange und nächste Woche ist die nächste Baustelle dran", so Ebrecht.

Kleine Sensation

Auch er geht von einer potenziellen Siedlung bei Plößberg aus. "Wo heute Menschen unterwegs sind, waren auch früher schon Menschen unterwegs", sagt Ebrecht. Die Besiedlungsdichte sei geringer gewesen. Bislang sind in der Region eher spätmittelalterliche Funde bekannt, daher ist der Fund einer vorgeschichtlichen Siedlung schon eine kleine Sensation.

Gibt es Funde, werden diese freigelegt, dokumentiert und archiviert, damit sie für künftige Forschungen zugänglich sind. Von Bedeutung ist laut Kopecky-Hermanns auch der Bodenschutz. Da die Voruntersuchungen und Grabungen bei Leichau auf landwirtschaftlichen Flächen stattfinden, werde darauf geachtet, dass der Boden später in der richtigen Reihenfolge wieder eingefüllt wird und landwirtschaftlich genutzt werden kann.

Scherbe aus dem Mittelalter

Die Archäologen werden auf dem Acker auf eine zweite Stelle aufmerksam. Wieder zeigt sich am Boden eine kreisrunde Verfärbung. An der Stelle finden die Experten auch eine Scherbe. Kopecky-Hermanns vermutet, dass die Verfärbung auf einen Holzpfosten eines Siedlungshauses hindeutet. Ebrecht datiert die Keramikscherbe grob auf das 13. bis 14. Jahrhundert nach Christus in das Spätmittelalter.

Beim Betrachten der Scherbe erkennt er eine Kerbe, die auf die Fertigung mit einer Drehscheibe schließen lässt. Der Koordinator und die Fachfrau freuen sich über die Funde, wenn sie in ihren Augen auch nicht so spektakulär sind. "Das bestätigt die Vermutungen. Je mehr man findet, desto aufgeregter wird man", sagt Ebrecht.

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Hintergrund:

Archäologische Vorarbeiten für Süd-Ost-Link

  • Rechtliche Grundlage: Arbeiten werden auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 44) durchgeführt und durch die Unteren Denkmalschutzbehörden in Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege genehmigt. Das Amt kontrolliert auch die Grabungen.
  • Verdachtsflächen: Über Luftbilder und Datenbanken werden Flächen identifiziert, die archäologische Befunde im Boden vermuten lassen. Tennet definiert in Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege die Flächen.
  • Vorgehen: Bei den Arbeiten wird mit einem Bagger, der rückwärts fährt, der Oberboden abgezogen. Die darunterliegenden Bodenschichten werden archäologisch überprüft. Geöffnet werden Flächen mit vier Metern Breite, die maximale Arbeitsbreite mit Lagerflächen für den Oberboden beträgt 16 Zentimeter.
  • Befunde: Werden von den Fachleuten gesichert und dokumentiert.

Quelle: Tennet

 
 

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