Lennesrieth bei Waldthurn
25.08.2019 - 15:09 Uhr

Volkschule Lennesrieth in den Kriegswirren

Löcher im Dach und Fensterflügel in Trümmern. So beschreibt ein Lehrer den Zustand des Schulhauses nach Kriegsende. Normaler Unterricht war da nicht mehr möglich.

Den Oberbernriether Heimatexperten, Vorsitzenden des Heimatkundlichen Arbeitskreises Waldthurn und ehemaligen Seminarrektor Georg Schmidbauer interessieren die schulischen Verhältnisse früherer Zeiten. So hat er sich unter anderem mit den Aufzeichnungen des einstigen Lennesriether Lehrers und Schulleiters Silvester Schwertsik befasst.

Dessen Aufzeichnungen dokumentieren extreme Schulverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg „Der Unterricht kann nicht als geordnet bezeichnet werden.“ So lautet die lapidare Feststellung von Silvester Schwertsik. Von 1945 bis 1961 unterrichtete er an der Volksschule Lennesrieth. Der Lehrer und Schulleiter hat festgehalten, wie sich Kriegsgeschehen und die damit verbundenen Umstände auf den Schulbetrieb auswirkten.

Lehrerin auf der Flucht

Vom 28. April 1942 bis zum Zusammenbruch des Dritten Reichs ist Anna Iser an der einklassigen Volksschule Lennesrieth tätig. Sie hatte zuvor in Spielberg unterrichtet. Zeitweise besuchen sämtliche Schüler aus Albersrieth, Spielberg, Lennesrieth und Waldthurn kriegsbedingt im Abteilungsunterricht die hiesige Schule. Da Fräulein Iser Sudetenländerin ist, eilt sie kurz vor Kriegsende 1945 zur Mutter in die Heimat, um dort die letzten Tage abzuwarten. Noch im Sommer des Jahres 1945 flüchtet sie zurück nach Bayern.

Von etwa April bis September 1945 findet überhaupt kein Schulbetrieb statt. Erst im September beginnt die Lehrerin wieder mit dem Unterricht. In welchem Zustand sich das Schulhaus präsentiert, darüber schreibt Franz Prem, mehrere Jahre Lehrer in Lennesrieth: „Bis 1945 wurden am Schulgebäude keine wesentlichen Renovierungen durchgeführt. Das Haus verwahrloste immer mehr und bot am Ende des Jahres 1945 einen trostlosen Anblick.“

Kein Schulleiter

Prem führt weiter aus: „Das Schieferdach glich einem Sieb, zertrümmerte Fensterflügel hingen an den Wänden des Hauses. Der Verfall findet aber eine ganz natürliche Erklärung. Seit 1937 ist an der Schule kein Schulleiter. Der Bürgermeister strebte nach einem Zentralschulhaus für die umliegenden Ortschaften mit dem Mittelpunkt Waldthurn.“ Investitionen für das Gebäude schienen daher überflüssig. Schließlich gestattete das Gemeindeoberhaupt einer Familie aus dem Rheinland, die Dienstwohnung zu benutzen. Unter diesen Umständen nahm die Lehrerin im September 1945 den Unterricht wieder auf. Im Schulhaus hatten nach Kriegsende abwechselnd amerikanische Soldaten und Vertriebene aus dem Osten Unterschlupf gefunden.

Das wenige Inventar der Schule ist vollkommen verloren. Durch Ankunft von Sudetendeutschen und Schlesiern wächst die Zahl der Schüler plötzlich bis auf 120 an. „Nur mit größter Anstrengung kann Fräulein Iser den Anforderungen nachkommen, denn das Versäumte in der Schule, das bunt zusammengewürfelte Material und die große Anzahl der Schüler können nicht von einer einzigen Lehrkraft ausgeglichen werden,“ schreibt Schwertsik. Daher wurde er im November 1945 zunächst auf Dienstvertrag an die Lennesriether Schule bestellt und mit der Leitung der Einrichtung betraut.

Aufbau nach dem Krieg

Schwertsik wurde am 22. Dezember 1915 in der heutigen Mittelslowakei geboren und absolvierte in Preßburg (Bratislava) die Lehrerprüfung. Nach mehreren Stationen wurde er zum Militärdienst eingezogen und 1944 wieder entlassen. Nur mit Hilfe der Polizei konnte er mit seiner Familie ein Zimmer der Dienstwohnung beziehen. Mit bemerkenswertem Elan und Engagement ging Schwertsik daran, den Schulbetrieb wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Bereits am 26. Dezember 1946 traten die Schüler mit dem selbst geschriebenen Weihnachtsstück „Goldchen“ im Gasthof Weig am Bahnhof an die Öffentlichkeit. Die Bevölkerung begrüßte den Auftritt lebhaft, Schwertsik bezeichnete ihn als „einen guten Erfolg“.

Der Schulleiter war bis Ende 1956 an der Lennesriether Schule und ließ sich dann nach Weiden versetzen. Kaum drei Monate später kehrte er wegen Wohnungsschwierigkeiten zurück. Im September 1961 wurde er dann Leiter der Albert-Schweitzer-Schule in Weiden. Am 25. November 1980 starb der verdiente Schulmann. Die Aufzeichnungen sind im Besitz von Marianne Vitzthum in Lennesrieth.

 
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