Leuchtenberg
29.05.2022 - 22:06 Uhr

Festspieleröffnung beim Landestheater: Molière im modernen Mosaik

Dadü ist ein schmieriger Betrüger. Bei Molière heißt er Tartuffe. Über die Jahrhunderte gibt es viele Bezeichnungen für diese Art Menschenschlag. Und auch den Zuschauern der inspirierten Eröffnung der LTO-Sommerfestspiele dürfte die eine oder andere einfallen.

Vor vollen Rängen, und mit spielfreudigen Darstellern nimmt das Landestheater Oberpfalz am Samstag nach langer Coronapause die Burg Leuchtenberg künstlerisch wieder in Besitz. Das Eröffnungsstück könnte nicht besser gewählt sein: Molières Tartuffe oder „Der Beutelschneider“. Noch dazu als Uraufführung einer bayerischen Fassung, die die Botschaften der wunderbar lebensnahen Satire noch verstärkt.

In Molières Komödie schleicht sich ein gerissener Halunke in eine Kaufmannsfamilie ein und nimmt sie aus. Der Leuchtenberger Beutelschneider kommt da moderner daher. Eingebettet in die Szenerie einer schwierigen Firmenübergabe mit drei beteiligten Generationen, in der alte Konflikte ohnehin schon offen ausgetragen werden, platzt ein charismatischer Betrüger.

Johannes Lukas legt in dessen überzeugender Darstellung den zwielichtigen Bauernfänger zwischen Esotherik-Guru, Gigolo und Pseudo-Psychologen an. Passend zum Namen flötet, tönt und kreischt sich Dadü mit salbungsvollen Worten und dreisten Lügen in die Köpfe und Herzen der Gandlgrubers, während die Emotionen langsam hochkochen.

Starke Frauen, schwache Männer

Nicole Schymiczek bringt die immergrüne Vorlage mit Hilfe des frischen bayerischen Dialekts, cleverer wandelbarer Mosaik-Ausstattung und einer detaillierten Bearbeitung in ein zeitgemäßes Format. Auch weil die Regisseurin die Frauenfiguren – wie die radikale Erbin Julia (Josepha Reber) und den aufmüpfigen „Firmendrachen“ Wally (Doris Hofmann) – schärft. Deren männliche Mitstreiter mit schwächelnden Egos bilden wunderbare Gegenparts. Wie etwa Clanchef Bonifazius Gandlgruber (herrlich abgedreht: Reinhard Kausler), der wegen der Übergabe seiner Firma mit Kontrollverlust zu kämpfen hat, und dem „Beutelschneider“ hörig wird, oder dessen dauerfassungsloser Schwager Pauli (Gerhard Kühner).

Trotzdem sind allesamt ratlos, als Bonifazius Dadü im Wahn sein Vermögen überschreibt. Armut und Gefängnis drohen. Doch Gott sei Dank gibt es noch die patente Seniorchefin (Waltraud Janner-Stahl).

Komödie für alle

Mit „Der Beutelschneider – Tartuffe“ gelingt dem starken Ensemble des Landestheaters eine schwungvolle Inszenierung, die Freunde des klassischen Theaters ebenso anspricht wie ein junges Publikum. Denn ein Typ wie dieser Dadü dürfte in einer Zeit der Blender jedem irgendwie bekannt vorkommen.

Karten auf www.nt-ticket.de, unter der Tickethotline 0961/85-550 sowie allen NT-Ticket-Vorverkaufsstellen

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Leuchtenberg26.05.2022

Vier Fragen an den Münchener Autor Leonhard M. Seidl

ONETZ: Herr Seidl, wie hat Ihnen die Ur-Aufführung ihrer Fassung von „Der Beutelschneider– Tartuffe“ gefallen?

Leonhard M. Seidl: Sehr gut. Ein Lob an die Bühnenbildner. Der Minimalismus gefällt mir. Ich habe nicht genau gewusst, was ich mit den Bausteinen auf der Bühne anfangen soll. Das ist Theater! Es soll neugierig machen.

ONETZ: Entspricht die Umsetzung ihres Scripts den Bildern, die sie sich beim Verfassen vielleicht vorgestellt haben?

Beim Schreiben denke ich nicht daran. Es wäre schlecht, wenn der Autor beim Erstellen des Scripts auch Regie führt. Ich bemühe mich daher immer, die Regieanweisungen sparsam und einfach zu halten. Eben um möglichst vielen Theatern, auch kleinen Bühnen, Raum zum Spielen zu geben. Theater ist immer ein Gemeinschaftswerk zwischen Autor, Regisseur und allen Beteiligten. Und – wie ich gerne sage: Shakespeare hatte auch keinen Vorhang.

ONETZ: Wie lässt sich ihre bayerische Molière-Bearbeitung sprachlich einordnen? Oberbayerisch mit etwas „Kunst-Bayerisch“?

Nein, ich verwende keine Bühnensprache. Die Grundlage ist eine gute deutsche Übersetzung und ich fange an, sie zu zerlegen und umzubauen. Das verwendete Bayerisch ist ein Münchener Stadtdialekt, etwas flacher wie etwa der zupackende Oberpfälzer Dialekt, aber allgemein gut verständlich ...

ONETZ: ... mit ein paar eingestreuten deftigen Kraftausdrücken?

Kraftausdrücke funktionieren (lächelt). Die Zuschauer mögen sie, sie sorgen für Aufmerksamkeit und als Autor kann ich das nutzen. Ich schaue da oft auch ins Publikum. Es ist immer spannend wie es reagiert. (tos)

 
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