Als Ende der 1950er Jahre Männer mit merkwürdig tickenden Geräten über die Wiesen und Felder und durch die Wälder im Stiftland laufen oder fahren und Gesteins- und Bodenproben nehmen, sind sie als Teil einer Aufholjagd unterwegs. Ihre Geräte sind Geigerzähler. Damit suchen sie zwischen Falkenberg, Plößberg und Mähring (alle Landkreis Tirschenreuth) nach radioaktiven Anomalien, die auf mögliche Uranerzvorkommen hinweisen. Sie suchen nicht nur zu Fuß oder vom Auto aus, sondern auch mit einem Hubschrauber. Ein Bild aus der damaligen Zeit zeigt den Helikopter auf einer Wiese bei Liebenstein (Landkreis Tirschenreuth), als er aufgetankt wird.
Die Aufholjagd, zu der die Suche nach Uranerzlagerstätten in der Oberpfalz gehört, hatte der spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) als Atomminister ausgerufen. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte ihn im Oktober 1955 an die Spitze des neu gebildeten Bundesministeriums für Atomfragen gesetzt. Die Aufgabe: Die noch junge Bundesrepublik sollte den Rückstand im Bereich der Atomwissenschaft aufholen und auf das Niveau anderer Länder kommen. Voller Pathos verkündete Strauß am 26. Januar 1956 der neu eingerichteten Deutschen Atomkommission: "Auf uns kommt die Aufgabe zu, nicht nur den 10 bis 15-jährigen Rückstand aufzuholen, sondern der Menschheit zu zeigen, dass die Erforschung der Atomenergie für friedliche Zwecke geeignet ist, eine neues Zeitalter, eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Umwälzung auf lange Sicht gesehen, herbeizuführen."
Bergmann verdient ein Vielfaches mehr als ein Mauerer
Eine wirtschaftliche Umwälzung haben die Uranbergwerke in der Oberpfalz nie gebracht, weder die beiden Gruben im östlichen Teil des Landkreises Tirschenreuth, noch das Bergwerk im Landkreis Schwandorf. Aber für einige Jahre sorgten die Bergwerke für einige vergleichsweise gut bezahlte Arbeitsplätze. Das gilt vor allem für den Norden der Oberpfalz. "Ein Obersteiger oder ein Hauer hat das Vierfache eines Mauerers verdient", erzählt Ferdinand Wagner aus Mähring (Landkreis Tirschenreuth). Das seien damit vermögende Leute gewesen. Sorgen wegen möglicher Schäden durch die Strahlung habe sich damals niemand gemacht, berichtet Wagner.
Der Steinmetz und leidenschaftliche Mineraliensammler zeigt in seinem privaten Mineralienmuseum in seinem Heimatort unter anderem Mineralien und Kristalle aus den Uranbergwerken in der Oberpfalz. Zudem hat Wagner Geräte und Ausrüstung aus der Zeit des Uranbergbaus zusammengetragen – darunter Geigerzähler, Loren und einen Förderkorb, sowie den Bergarbeiteranzug des Obersteigers der beiden Urangruben bei Mähring und Poppenreuth. Angehörige einiger an der Erkundung der Uranlagerstätten beteiligte Geologen haben ihm für sein Museum deren Nachlass überschrieben. Wer etwas über die Uransuche und den Abbau des radioaktiven Erzes in der Oberpfalz erfahren will, ist bei ihm an einer guten Adresse.
Ab dem Jahr 1978 Uranabbau im Landkreis Schwandorf
Weiter südlich in der Oberpfalz, im Landkreis Schwandorf, sorgte der Bergbau über Jahrzehnte für Wohlstand. Hier wurden Braunkohle und Flußspat abgebaut. Das Vorkommen von radioaktiven Mineralien war lange bekannt. Bereits im Jahr 1804 wurde bei Wölsendorf Uranglimmer gefunden und im Jahr 1920 im Johannesschacht, dem früheren Barbara-Stollen, Pechblende (Uraninit). Noch bevor Strauß seine Aufholjagd ausrief, hatte die Suche nach Uranlagerstätten begonnen. Im Auftrag der Bayernwerke suchte in den Jahren 1954 bis 1960 die Bayerische Braunkohlen Industrie AG mit Sitz in Schwandorf in Nord- und Ostbayern nach Uran. Davon berichtete vor einigen Jahren Heinz Ziehr bei seinem Vortrag in Steinberg am See (Landkreis Schwandorf). Er hatte in seiner Doktorarbeit im Marienschacht bei Wölsendorf erstmals Pechblende festgestellt. Später trug Ziehr seine Einschätzung zu den Lagerstätten bei Atomminister Strauß vor.
Abgebaut wurde Uran im Landkreis Schwandorf erst ab dem Jahr 1978, im Schirmbergstollen bei Girnitz. Normalerweise war die Welt unter Tage mit ihren Uranerz-Adern nur Bergleuten zugänglich. Im Dezember 1979 machte die Betreiberin, das Bergbauunternehmen "Saarberg Interplan" aus dem Saarland, eine Ausnahme. Sie nahm Vertreter der Aufsichtsbehörden und Politiker mit in das Innere des Uranbergwerks Schirmberg. Mit dabei unter anderem der damalige Schwandorfer Landrat Hans Schuierer (SPD), der später wegen seines unbeugsamen Widerstandes gegen die in seinem Landkreis geplante Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf berühmt werden sollte. An den Besuch unter Tage könne er sich erinnern, sagt Schuierer heute, aber warum dieser damals zustande kam, wisse er heute nicht mehr. In Schirmberg war bis 1982 nach Uranerz gesucht worden. Dann ruhte der Betrieb der Anlage.
Uranbergwerk bei Mähring startet im Jahr 1971
Bereits im Jahr 1958 war die Uranerzlagerstätte bei Mähring entdeckt worden. Der erste Schacht zur Erkundung der Lagerstätte entstand aber erst zehn Jahre später. Schon im Jahr 1971 wurden die Arbeiten in der Grube "Wäldel", wie die Anlage nördlich des Ortes hieß, wieder eingestellt. Von 1977 bis 1982 wurde erneut nach Uran gesucht. Dabei erreichten die Bergleute eine Tiefe von rund 170 Metern. Im benachbarten Schacht "Höhenstein" nördlich der Ortschaft Poppenreuth (Landkreis Tirschenreuth) ging es tiefer hinunter, bis auf 320 Meter. Die Arbeiten hier begannen im April 1977 und wurden im Jahr 1982 gestoppt – ohne, dass sie je wieder aufgenommen worden sind. "Eine Gewinnung von Uranerz fand auch hier nicht statt", teilte das Bergamt Nordbayern auf Anfrage mit. Dasselbe sagt die Sprecherin auch über die Grube "Wäldel".
Gleichwohl wurde das Uranerz, das in den beiden Gruben gewonnen wurde, genutzt. Von 1978 bis 1988 wurde auf dem Gelände der Grube "Wäldel" eine "schwefelsaure Haldenlaugung zur Gewinnung von Uran aus den sogenannten Arm-Erzen (Erz mit einem niedrigen Metallgehalt) der Schachtanlagen ‚Höhenstein‘ und ‚Wäldel‘ betrieben", teilte das Bergamt weiter mit. Das so gewonnen Vorkonzentrat aus beiden Gruben wurde zur Aufarbeitung nach Ellweiler in Rheinland-Pfalz gebracht worden. Dort wurde es zu Yellowcake verarbeitet, dem Rohstoff, aus dem Brennelemente hergestellt werden.
Rund 88 Millionen Euro steckte das Bundesforschungsministerium in den Jahren 1956 bis 1982 in die Uranexploration in Deutschland. Mit weiteren 20 Millionen Euro förderte das Bundeswirtschaftsministerium in den Jahren 1981 bis 1987 die Uranförderung – die Gelder flossen unter anderem an die Gewerkschaft Brunhilde, die Betreiberin der Gruben in Poppenreuth und Mähring, und an Saarberg Interplan, das die Grube Schirmberg betrieb. Die drei Oberpfälzer Gruben liefen als Versuchsbergwerke. Einen kommerziell erfolgreichen Abbau gab es nie. Als der Preis für Uran weltweit fiel, waren auch die Gruben am Ende.
Gruben verfüllt, Sickerwässer werden überwacht
In Mähring und Poppenreuth lies wegen des Konkurses der Gewerkschaft Brunhilde im Jahr 1993 das damalige Bergamt Amberg "die zur Schließung der Grube erforderlichen Abschlussmaßnahmen durchführen". Auf dem Gelände der Grube "Wäldel" wurde "zur langfristigen sicheren Verwahrung der Laugungsrückstände sowie der Neutralisationsschlämme" eine neue Halde als Monodeponie errichtet. Die Bergaufsicht ist Ende Juli 2003 beendet worden. Allerdings prüft das Landesamt für Umwelt bis heute die Ableitung der Deponiesickerwässer. "In diesem Zusammenhang ist keine Gefährdung der Umwelt und der Bevölkerung erkennbar", heißt es beim Bergamt Nordbayern. Auch in Poppenreuth wurden die Anlagen entfernt, der Schacht verfüllt. Ende 1993 ist das Gelände wieder aufgeforstet worden, auch dort ist die Bergaufsicht beendet.
Auch der "Schirmberg-Stollen" bei Girnitz ist längst verfüllt. Das gesamte übertägige Gelände sei unter Aufsicht des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz, des heutigen Landesamts für Umwelt, dekontaminiert und kontaminiertes Gestein in den Stollen gebracht und dort sicher verschlossen worden, heißt es beim Bergamt Nordbayern. "Die übertägig vorhandene Erzhalde wurde bereits 1983 ordnungsgemäß abtransportiert." Nachdem Untersuchungen ergeben hatten, dass das Betriebsgelände aus Sicht des Strahlenschutzes freigegeben werden konnte, wurde im Jahr 1990 auch die Bergaufsicht beendet. Allerdings wurde das inzwischen zuständige Bergamt Nordbayern im Jahr 2008 noch einmal eingeschaltet. Damals stimmte es der Verfüllung Belüftungsschachtes zu, der in den 1990er Jahren aufgrund des Wunsches des Grundeigentümers zunächst nicht verfüllt, sondern nur abgedeckt worden war, zu. Weiterhin gilt, was der damals 90-jährige Heinz Ziehr im Jahr 2016 in Steinberg sagte: "Uran liegt nicht erst seit drei Tagen in unserer Erde, wir alle leben damit."
Mineralienmuseum Mähring
- Eröffnung: 23. und 24. Juli 2022, jeweils von 10 bis 17 Uhr
- Eintritt: 1 Euro als Spende für die Jugendschützen vom Schützenverein "Linda" 1963 Mähring
- Ort: Zollstraße in Mähring (Landkreis Tirschenreuth)
- Weitere Informationen: Mineralienmuseum
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