Der Laie freut sich über das Zirpen der Grillen und das Vogelgezwitscher. Landschaftsplanerin Inge Steidl hat in diesem Moment schon den tieferen Einblick. Sie ist abgetaucht im hohen Gras der Wiese in Wolfersdorf (Kastl/Landkreis Amberg-Sulzbach) – und präsentiert den ersten Fund, für den sich die Expertenrunde interessiert: Das Wiesenlabkraut. Mit seinen zarten weißen Blüten ist es eine von mindestens vier so genannten "Kernarten", die hier gefragt sind. Die Ökomodellregionen Amberg-Sulzbach und Neumarkt nehmen die fünf Finalisten des Wettbewerbs genau unter die Lupe, um den "Wiesenmeister" zu ermitteln.
Die Landesanstalt für Landwirtschaft und der Bund Naturschutz in Bayern veranstalten die "Wiesenmeisterschaft" in wechselnden, aber vergleichbaren Regionen. Eine Almwiese gegen eine Wiese in der Oberpfalz: Das wäre unfair. Heuer, in der 13. Auflage des Wettbewerbs, konkurrieren fünf Landwirte aus den Ökomodellregionen Amberg-Sulzbach und Neumarkt um den Titel. Dabei sind sie eigentlich alle schon Wiesenmeister, weil sie wertvolle Kulturlandschaft erhalten und diese trotzdem landwirtschaftlich nutzen. Preise gibt's auch: Gutscheine für einen Aufenthalt im Bio-Hotel im Wert von 500 bzw. 300 Euro für den Erst- und Zweitplatzierten, dazu weitere Geld- und Sachpreise sowie eine Artenliste der jeweiligen Wiese mit Foto.
Diesmal 33 Teilnehmer
Ökologie und landwirtschaftliche Nutzung: Um die Balance zwischen beidem geht es. Teilnehmen können nur Betriebe mit mindesten einen halben Hektar großen Wiesen, die extensiv, also mit wenig Dünger und ohne Pflanzenschutz, genutzt und nur ein- oder zweimal im Jahr gemäht werden. Ein Gewinn für die Artenvielfalt, erklärt Sabine Heinz von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Die Zahl der Kräuter, die hier wachsen, wird bewertet, aber auch Aspekte wie der Futterertrag und der kulturlandschaftliche Wert.
47 Landwirte hatten sich diesmal angemeldet, 33, darunter nur zwei Vollerwerbsbetriebe, durften teilnehmen: Die Zahl ist wegen des erforderlichen Aufwands begrenzt. Elf der Betriebe wirtschaften ökologisch, 16 halten keine eigenen Tiere mehr, sondern produzieren auf ihren Wiesen Heu für Pferde, das sie verkaufen. Landschaftsplanerin Inge Steidl hat alle 33 Wiesen begangen und anhand eines Punktesystems bewertet. So kristallisierten sich die fünf Finalisten heraus, die jetzt Besuch von der Jury bekamen. Neben Steidl und Heinz waren das Tobias Maul von der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung der Oberpfalz, Harald Gebhardt, Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Amberg-Neumarkt, Christine Hertrich, Agrarreferentin des Bund Naturschutz in Bayern, und Landwirt Josef Schmid aus dem Landkreis Tirschenreuth, der Wiesenmeister von 2014.
Fünf Finalisten
Die Wiese von Franz und Elisabeth Geitner ist die zweite Station der Bewertungskommission, die zuvor schon bei Konrad Klostermann in Deining-Arzthofen (Kreis Neumarkt) war und später noch drei weitere Stationen in Amberg-Sulzbach vor sich hat: Roland Heldrich (Frechtesfeld/Birgland), Norbert Übler (Riglashof/Hirschbach) und Martin Pickl (Großenfalz/Sulzbach-Rosenberg). Wie sie abgeschnitten haben und wer von ihnen der "Wiesenmeister 2023" ist, wird am 26. September im Kloster Ensdorf bekanntgegeben.
In Wolfersdorf marschieren die Experten direkt hinein in die Wies, ins hüfthohe Gras. Franz Geitner mäht hier nur zweimal im Jahr. Die Jury entdeckt sofort Interessantes: Das weiß blühende Wiesenlabkraut, Wiesenbocksbart und Wiesenpippau mit leuchtend gelben Blüten und die lilafarbene Witwenblume. Besonders groß ist die Freude, als die Gruppe oben am Hang auch noch Wiesensalbei und -glockenblume sieht. Bach, Hecke und eine Quelle mitten in der Wiese sind weitere Pluspunkte.
Es gibt auch Minuspunkte
Auch Minuspunkte gibt es. Hier ist das die Herbstzeitlose – hübsch, aber giftig, auch getrocknet. Das ist gefährlich für Pferde, die das Wiesenheu fressen. Diese Pflanze ohne Spritzmittel loszuwerden, ist problematisch, das wissen alle Exkursionsteilnehmer. In Wolfersdorf ist das trotzdem kein großes Problem, weil die Herbstzeitlose nur im Randbereich der Wiese vorkommt. Geitner versucht, sie durch rechtzeitiges Mähen zu verdrängen: Dann kann sie sich nicht aussamen. Das hätten auch die Experten empfohlen. Sie haben noch eine Anregung für den Landwirt: Er könnte beim Mähen "auch mal einen Streifen stehen lassen. Fünf Meter wären schon mal ein guter Anfang", schlägt Sabine Heinz vor: "Wenn Sie mähen, verschwindet Lebensraum" – wenn da ein ungemähter Streifen stehenbleibe, könnten sich die Insekten dorthin zurückziehen, ein Teil des Bodens bleibe verschattet. "Eine Methode, die nachweislich was reißen kann." Geitner ist sofort bereit, das zu versuchen.
Extensiv genutzte Wiesen gehören zu den artenreichsten Biotoptypen in Bayern, erklärt Heinz, doch sie seien stark im Rückgang. Der Grund: "Viele landwirtschaftliche Betriebe haben ihre Tierhaltung aufgegeben und können deshalb das Grünland nicht mehr als Futter verwerten. Andererseits sind Betriebe mit Milchviehhaltung aufgrund niedriger Erzeugerpreise für Milch dazu gezwungen, intensiv zu düngen und häufig zu mähen, um ausreichend Futter für die Kühe zu produzieren. So kommen die Wiesenpflanzen dann nicht mehr zum Blühen und die Artenvielfalt geht zurück." Von den rund 2.700 in Bayern heimischen Farn- und Blütenpflanzen komme die Hälfte auf Dauergrünlandflächen vor. 53 Prozent davon sind nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums in ihrem Fortbestand bedroht. Von den Wiesenblumen sind viele Insektenarten abhängig – und 59 Prozent von ihnen sind in Bayern bedroht. Umso wichtiger sei „eine attraktive Förderung" für Landwirte, die solche Flächen haben und pflegen, betont Christine Hertrich: "Sie verzichten durch die spätere Mahd und die reduzierte Düngung auf Ertrag und müssen mehr Zeit aufwenden, um z.B. steile Hanglagen zu mähen.“
Jury ist zufrieden
Die Runde ist sehr zufrieden mit dem, was sie gesehen hat. Das war jetzt, Anfang Juni, sogar noch mehr als die "47 krautigen Arten", die Inge Steidl bei ihrem ersten Besuch Anfang Mai gezählt hat, als manche Pflanzen noch nicht zu sehen waren. "Inzwischen sind es wahrscheinlich über 50 Arten: Das ist für eine ein- bis zwei-Schnitt-Wiese schon sehr beachtlich", fasst sie zusammen, bevor die Jury weiterfährt.
Die Wiesenmeisterschaft
Bei der Wiesenmeisterschaft, diesmal im Raum Amberg-Sulzbach und Neumarkt, gelten folgende Aspekte und Bewertungskriterien:
- Kennzeichnende Arten wie Schafgarbe, Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Labkraut, Herbst-Löwenzahn,
Margerite, Knöllchen-Steinbrech, Fadenklee, Wilder Oregano - Teilnehmen konnten Betriebe, die den Aufwuchs ihrer Wiesen und Weiden
landwirtschaftlich verwerten - Gesamtzahl an Wiesenblumen (keine Gräser) wird erhoben
- seltene, stark gefährdete Pflanzen wurde zusätzlich
honoriert - Landwirtschaftlicher Ertrag und gute wirtschaftliche Verwertung
des Aufwuchses (Verfütterung oder Verkauf) werden positiv
bewertet - Für Weidetiere gefährliche Giftpflanzen und lästige Weideunkräuter
(wie Ampfer oder Jakobs-Kreuzkraut) ergeben Punktabzüge - „Zukunftsfähigkeit“ der Wiese wird eingeschätzt
Informationen zur Wiesenmeisterschaft: www.lfl.bayern.de/Wiesenmeisterschaft
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