Mystisches Prag - Das goldene Herz Tschechiens

Deutschland und die Welt
27.11.2019 - 08:54 Uhr

Es ist der süßliche Geruch der Trdelník in den verwinkelten Gassen, die anmutigen Barockbauten, die warmherzigen Menschen und die mystische Geschichte voll Alchemie und Magie, die Prag zu einer der schönsten und Städte Europas machen.

Die John-Lennon-Mauer ist noch heute einer der großen Anziehungspunkte für Jugendliche und Touristen.

Goldene Stadt. Stadt der Hundert Türme. Prag hat viele Namen. Doch kaum einer beschreibt die Schönheit der Millionenmetropole in ihrer Vollkommenheit. Gründe nach Prag zu fahren gibt es viele – vor allem zur Weihnachtszeit. Prag im schneeweißen Winterschlaf ist traumhaft schön. Das Schimmern der Sonnenstrahlen auf der Moldau, die unterschiedlichsten Düfte, die über die Weihnachtsmärkte strömen, die einnehmende Mentalität der Menschen. So viel sei verraten: Wer sich ein Mal auf den Zauber der Stadt eingelassen hat, wird nie wieder davon loskommen.

Was man als Erstes machen sollte, wenn man in der tschechischen Hauptstadt angekommen ist? Das ist einfach. Durch die Gassen schlendern, Geräusche und Eindrücke in sich aufsaugen – und genießen. Dabei ist es nicht leicht, bei all den kleinen Gassen und historisch schönen Bauwerken den überblick zu behalten. Den Kern der Altstadt bildet der Altstädter Ring. Der riesengroße Marktplatz ist überwältigend. Straßenmusiker mit ihren Pianos, Kontrabassen und Geigen, lebensgroße Maskottchen, die für umliegende Geschäfte werben, die Prager Jugend, die es sich in Gruppen auf dem großen Platz bequem macht und das Treiben an sich vorbeiziehen lassen. Und genau das sollte man auch machen. In eines der umliegenden Cafés setzen – und das Prager Leben bei einer heißen Tasse Kaffee bewundern.

500 Meter lange Härteprobe

Zudem bietet sich vom Marktplatz aus ein wunderbarer Blick auf die Teynkirche mit ihren zwei unterschiedlichen Türmen und das Altstädter Rathaus. Es lohnt sich, auf die volle Stunde zu warten, denn an der Fassade des Rathauses hängt eine astronomische Uhr, die alle 60 Minuten eine fantastische Melodie über die Altstadt verbreitet. Hat man sich an den Menschenmengen sattgesehen, sollte man sich auf die Suche nach der Karlova-Straße machen. Denn die führt direkt zur Karls- brücke – eines der Wahrzeichen der Stadt und Hauptverbindung zwischen der östlichen und westlichen Zentren entlang der Moldau. Ein Tipp: Taschen festhalten. Denn die Karlsbrücke ist ein beliebter Ort für Taschendiebe, die leichtes Spiel bei den Menschenmassen haben. Dennoch lohnt es sich, langsam über die steinerne Brücke zu schlendern, sich den Wind, der über die Moldau fegt, durch die Haare wehen zu lassen – und die Heiligenfiguren zu bewundern, die links und rechts am im 14. Jahrhundert errichteten Bauwerk emporragen. Aber warm anziehen! Im Winter wird es bitterkalt – und die 500 Meter lange Brücke zur Härteprobe. Auch, wenn es eng zugeht, spielen Straßenmusiker auf der Karlsbrücke. Und auch für alle, die sich gerne zeichnen lassen wollen, gibt es dort reichlich Möglichkeiten.

Anstrengend aber schön: der Aufstieg zur Prager Burg.

Von der Brücke aus bietet sich ein beeindruckender Blick auf die Prager Burg. Zugegeben, der Aufstieg ist etwas anstrengend – lohnt sich aber. Die „Pražský hrad“ gilt als die größte Burganlage der Erde. Der Eintritt ist kostenlos, wird aber von Sicherheitskräften überwacht, da sich in der Burg auch der Regierungssitz befindet. Neben dem Veitsdom, der mit bunten Mosaiken verzierten Kathedrale des Erzbistums Prag, sollte man unbedingt durch die Goldene Gasse in der Burganlage laufen. Ein kleiner Haken: Es kostet Eintritt. Doch dafür entschädigt der Anblick und die Geschichte der Straße. Denn der Name kommt nicht von ungefähr. Kaum eine Stadt des Mittelalters war so sehr Sammelpunkt von Alchemisten und Pseudo-Wissenschaftlern, wie das alte Prag. So wundert es nicht, dass es auf dem Burgareal eine Gasse gab, in der die kaiserlichen Alchemisten untergebracht waren. Die Goldene Gasse. Auch der berühmte Schriftsteller Franz Kafka lebte und arbeitete dort. Heute haben sich Goldhandwerker und regionale Händler in die verwinkelten Häuschen eingemietet und verkaufen Souvenirs. Wenn man denkt, das ganze Areal erkundet zu haben, sollte man nicht gleich zurück in die Altstadt. Nein. Zuerst sollte man sich ein ruhiges Plätzchen an der alten Burgmauer suchen. Von keinem anderen Ort in Prag aus hat man so einen unbeschreiblichen Blick über die komplette Stadt als vom Rand der Burg. Unwirklich und atemberaubend. Stille, während die lebendige Metropole direkt vor einem liegt. Nicht leicht zu finden, aber ein absolutes Muss für alle Beatles-Fans, ist die John-Lennon-Mauer. Eine bunt bemalte Wand voll Street-Art mitten in der Stadt. Inspirierend und ein tolles Fotomotiv. Auch, wenn John Lennon nie in Prag war, galt er als Held der tschechischen Jugend. Während des Kommunismus war westliche Musik in der damaligen Tschechoslowakei verboten. Insbesondere in den Botschaften Lennons sahen die Machthaber eine Bedrohung. Doch der Gedanke von Freiheit gefiel den Jugendlichen. Im Geheimen hörten sie die Musik – und fanden darin ihr persönliches Stück Freiheit. Noch heute verbreitet die Mauer das Gefühl von Freiheit.

Anziehende Passage

Wer nach all der Kultur und Geschichte Lust auf ein wenig Shopping hat, für den ist das Shopping Center Paladium das Richtige. Wer hätte das gedacht – der moderne Komplex ist eines der am meisten von Touristen besuchten Gebäude der Stadt. über 200 Shops und Restaurants ziehen die Menschen förmlich an. Das Center ist vor allem im Winter eine gute Gelegenheit, um sich etwas aufzuwärmen, bevor man sich wieder ins Stadtgetümmel begibt. Ein wenig versteckt, aber ein absoluter Anziehungspunkt, ist die Lucerna-Passage unweit des Wenzels- platzes entfernt, dem modernen Herzen von Prag. Sobald man die zwischen 1907 und 1921 erbaute Passage betritt, fühlt man sich in eine vergangene Zeit versetzt. Marmorverzierungen, imposante Säulen, edle Ladenfassaden der frühen Moderne.

Das Kino Lucerne ist noch in Betrieb. Kein 3D, keine Luxus-Sessel - aber genau das macht den Charme des Lichttheaters aus. Aber das wohl Interessanteste ist das Reiterdenkmal unter der großen Glaskuppel, das einen Ritter und sein an allen Vieren aufgehängtes Pferd zeigt – das Denkmal des Heiligen Wenzel. Genau. Daher auch der Name des Platzes unweit der Passage. Der Wenzelsplatz. Vergleichbar mit dem historischen Marktplatz ist er nicht. Aber auch, wenn es anfangs irritiert, dass rechts und links Autos entlang des 800 Meter langen Platzes fahren, zieht es einen immer wieder dorthin. Edle Läden reihen sich an Café-Ketten, Comicgeschäfte und teure Restaurants.

Kaum ein Viertel spiegelt die Geschichte so gut wider wie das Jüdische. Sofort fällt auf: In den engen, wunderschönen Gassen ist es deutlich ruhiger, da sich dorthin nicht ganz so viele Touristen verirren. Der Weg führt vorbei an einigen Synagogen und dem jüdischen Museum, in dem unzählige Namen der Opfer des Dritten Reichs an den Wänden niedergeschrieben sind. Gleich daneben grenzt der alte jüdische Friedhof an. Wer auf der Suche nach Kafkas Grab ist, ist hier falsch. Das befindet sich am neuen jüdischen Friedhof. Auch, wenn der Eintritt nicht billig ist – der alte Friedhof ist beeindruckend. Ein enger Weg führt um die verwachsenen Gräber, die schiefstehenden Grabsteine und kaum mehr lesbaren Erinnerungstafeln. Ein Ort der Ruhe inmitten der Großstadt. Doch wer sich für eine Tour entscheidet, sollte Zeit mitbringen. Der Andrang ist in der Regel groß, die Wartezeiten lang. Abgesehen von den Synagogen und Denkmälern fällt im Jüdischen Viertel vor allem eines auf. Es ist ein Paradies für Antiquitätenliebhaber. An allen Ecken bieten Händler antike Schätze an. Nicht wundern, wenn man auf der Erkundungstour plötzlich wieder mitten auf dem großen Marktplatz steht. Das Viertel grenzt genau ans Zentrum an. Auch das ist das Schöne an Prag. Die Wege sind kurz, alle Sehenswürdigkeiten zentral und man ist nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.

Natur, Stadttrubel, Kultur und Geschichte. Prag hat so viel zu bieten.

Vorsicht: Rote Ampel

Bekannt ist Prag auch für seine traditionelle Küche. Es lohnt sich, eine der einheimischen Gaststätten zu besuchen und ein Gulasch mit Knödel zu bestellen – eines der köstlichen Nationalgerichte Tschechiens. Und dazu: ein kühles Bier. Noch heute gibt es in unserem Nachbarland über 300 Biermarken. In Prag wird die Brautradition hochgehalten – nicht nur in der südlich der Karlsbrücke gelegenen Staropramen-Brauerei. Mehr als 1300 Bierlokale

gibt es alleine in Prag, in denen jeden Tag Abertausende Liter des begehrten Gerstensaftes ausgeschenkt werden. Nicht wirklich authentisch, aber trotzdem sehr lecker ist Trdelnik. Diese süße Leckerei kommt ursprünglich aus der Slowakei, ist in Prag aber an vielen Ecken zu bekommen. Mit Vanilleeis, heißen Himbeeren, Schokosoße oder deftig mit Schinken und Käse – die Prager lieben den Snack zum Mitnehmen genauso wie die Touristen.

Am Ende noch ein Tipp: Die Ampelgasse. Zwar ist der kleine Weg keine typische Sehenswürdigkeit, aber dennoch so ausgefallen, dass es sich lohnt, einen kurzen Schlenker von hinter der Karlsbrücke Richtung Burg zu machen. Die „Ampel-Gasse“ ist an ihrer engsten Stelle nur 50 cm breit und damit die schmal- ste Gasse Prags. Da deswegen nicht einmal zwei sich entgegenkommende Fußgänger aneinander vorbeikämen, wird der „Verkehr“ hier mit einer wahrhaftigen Fußgängerampel geregelt. Selbst Touristen, die nicht extra deswegen vorbeigekommen sind, bleiben stehen und lächeln, weil sie so etwas zuvor noch nie gesehen haben.

Prag hat so viel zu bieten. Kultur, wunderschöne Gebäude, warmherzige Menschen, tolles Essen. Vor allem aber eine besondere Atmosphäre. Prag verzaubert. Mit seiner Vielfalt. Seiner mystischen Vergangenheit. Seiner Weltoffenheit und den unendlichen Möglichkeiten, die Metropole immer wieder neu entdecken zu können.

Mystisches Prag:

Golem und alchemistische Experimente

Prag ist eine Stadt voll bunter Kulturen. Doch die Metropole hat auch düsteren Seiten. Reste ihrer mystischen Vergangenheit, die sich auch heute noch in verborgenen Ecken und in geheimen Räumen finden lassen. Das Mittelalter war nicht nur eine Zeit der Epidemien, sondern auch die Zeit der Alchemisten in Prag. Goldmacher. Magier. Spirituelle. Die Wissenschaftler agierten im Verborgenen, wodurch sie ein besonderer Mythos umgab. Sie experimentierten mit chemischen Stoffen, interessierten sich für die Pharmakologie – und oft wird ihnen nachgesagt, fanatisch geforscht zu haben, um eine Formel zu finden, mit der sie Gold herstellen und unsterblich werden können. überlieferungen erzählen von unterirdischen Explosionen, die immer wieder die Prager Altstadt während des Mittelalters erschütterten. Brände, die plötzlich unter der Erde ausbrachen und unerklärlich waren. Nachdem auch in jüngster Zeit immer wieder unterirdische Labore entdeckt wurden, gehen die Bewohner davon aus, dass es sich bei den Beben um missglückte alchemistische Experimente gehandelt haben muss. In den Laboren entdeckte man Reste getrockneter Pflanzen, aus denen die Wissenschaftlicher Medikamente für Kranke hergestellt hatten.

Noch heute soll er über die Stadt wachen. Schlafend aber bereit, zu erwachen. Der Golem – ein stummes Wesen aus Lehm. Auch die Prager Golem-Legende hat ihren Ursprung im Mittelalter. Laut zahlreicher überlieferungen soll ihn der Rabbiner Judah Löw erschaffen haben, um seinen jüdischen Mitbürgern zu helfen, die immer wieder beschuldigt wurden, zu rituellen Zwecken Kinder zu ermorden. Um vier Uhr morgens des 17. März 1580 sollen Löw, sein Schwiegersohn und einer seiner Schüler zu einer Lehmgrube an der Moldau gegangen sein und eine drei Ellen hohe Figur geformt haben. Der Golem war erschaffen. Löw legte ihm einen Zettel mit dem Schem – dem Namen Gottes – unter die Zunge. Die Aufgabe des Golems war es, jede Nacht durch die Straße zu streifen und alle Juden aufzuhalten, um zu kontrollieren, dass sie rechtschaffend handeln.

Noch heute glauben einige Prager, dass der Golem über sie wacht.
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