Nabburg
22.03.2019 - 14:07 Uhr

Fahrkarte für neue Feinde

Die Bösewichter sind identifiziert, doch dingfest sind sie kaum zu machen. Land- und Forstwirte wappnen sich gegen immer neue Schädlinge und Krankheiten. Die Schuldfrage hilft da kaum weiter.

Heuer werden zum ersten Mal auch im Landkreis Fallen für den Maiswurzelbohrer aufgestellt, ein Winzling, der die Maisernte drastisch reduzieren kann. Bild: Llandesanstalt für Landwirtschaft
Heuer werden zum ersten Mal auch im Landkreis Fallen für den Maiswurzelbohrer aufgestellt, ein Winzling, der die Maisernte drastisch reduzieren kann.

"Heuer geht es los", prophezeit Patricia Steinbauer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Nabburg mit Blick auf den Maiswurzelbohrer. Der Käfer, vor Jahrzehnten nur in Amerika bekannt, hat im vergangenen Jahr der Region um Passau stark zugesetzt. Jetzt rechnet man damit, dass er die Landkreisgrenze passiert. Fallen zum Monitoring sind schon vorbereitet. Und das ist bei weitem nicht der einzige "Einwanderer", der den Landwirten Sorgen bereitet. Im Forst blickt man argwöhnisch auf Nordischer Fichtenborkenkäfer, Laubholzbock und Eichen-Prozessionsspinner. Und Tierhalter fürchten Blauzungenkrankheit oder Afrikanische Schweinepest.

Fachleute sind sich einig: Die neuen Bedrohungen im Bereich der Landwirtschaft gehen vor allem auf das Konto von zwei Faktoren: Klimawandel und globale Handelsströme. Egal, ob Erreger oder Schädlinge per Schiff, Auto, Bahn oder Flugzeug eingeschleppt wurden, aufzuhalten sind sie kaum. Um sie einzudämmen, hilft aber manchmal schon eine Pause.

Da ist zum Beispiel der Maiswurzelbohrer, der vermutlich über Osteuropa eingeschleppt wurde. Eigentlich fliegt er nur 25 Kilometer weit. "Daten belegen allerdings auch, dass er in der Region um den Münchner Flughafen vermehrt aufgetreten ist", weiß Patricia Steinbauer und legt damit nahe, dass so manche Population auch mit dem Flugzeug nach Bayern eingereist ist. Noch bereitet der Schädling im Landkreis keine Probleme. Anders sei das in Passau, wo der Maisanbau eine viel größere Rolle spielt, berichtet Steinbauer. "Der Befall war dort im vergangenen Jahr so intensiv, dass für die grafische Darstellung sogar eine neue Farbe gewählt werden musste." Immerhin gibt es einfaches Gegenmittel: Fruchtfolge. Wenn die Landwirte nicht zweimal hintereinander Mais anbauen, "verhungern" die Larven im Boden. Bei Maisanbauflächen im Landkreis im Bereich von 25 Prozent, lasse sich das ganz gut managen, meint Steinbauer. Nicht so gut kalkulierbar sind andere Folgen, die der Klimawandel begünstigt: Rostpilze sind hier auf dem Vormarsch: Ihnen reicht schon wenig Feuchtigkeit, um beispielsweise Getreide zu befallen.

Die Naab überschritten

So ideal die wärmeren Temperaturen sind, um auch hierzulande empfindlichen Soja anzubauen, das milde Klima hat auch negative Auswirkungen im Gepäck. Gartenbaubetriebe und Waldbauern im Landkreis müssen inzwischen mit dem Eichen-Prozessionsspinner rechnen. Ein Schädling, der laut Alwin Kleber, Bereichsleiter Forsten am AELF, inzwischen "von Westen her die Naab überschritten" hat. "Als ich studiert habe, galten diese Raupen noch als mediterrane Schädlinge, die nur in den wärmsten Ecken, im Weinbauklima, anzutreffen waren". Inzwischen seien sie in die "kühlere" Gebiete vorgestoßen, haben im Südwesten auch schon die tschechische Grenze erreicht.

Aus Tschechien wiederum droht eine andere Gefahr: der Nordische Fichtenborkenkäfer. Seine Eintrittspforte ist weniger der Klimawandel, vielmehr der Handelsstrom. "In Tschechien ist da die Katastrophe los, Flächen von bis zu 100 Hektar sind dort vernichtet - so viel wie im ganzen Land jährlich an Gesamtzuwachs verzeichnet wird." Ob die heimischen Borkenkäfer (Buchdrucker und Kupferstecher) heuer Konkurrenz bekommen, soll eine neue Falle beim Monitoring in Teunz klären, die Förster Markus Lobinger im Blick hat. Was die neue Art betrifft, befürchtet Kleber, dass der Wirtsbaum dem noch schutzloser ausgeliefert ist, weil er ihn nicht kennt. Einfacher in den Griff zu kriegen sei der Asiatische Laubholzbock, ein Käfer, der mit Bau- und Verpackungsholz aus Ostasien eingereist ist. Um den Befall der von ihm gekaperten Laubbäume zum Erlöschen zu bringen, hilft aber nur eines: gezielte Fällung.

Seuchen vor der Tür

Nicht immer ganz neu und doch akut sind winzige Feinde, die in der Tierwelt in den Blick geraten. Ein Beispiel: die Blauzungen-Krankheit. Erst kürzlich gab es Fälle im östlichen Baden-Württemberg und im Nürnberger Land. Die anzeigenpflichtige Tierseuche kommt aus Afrika und wurde 2006 erstmals in Europa nachgewiesen. Gnitzen, eine Mückenart, gelten als Überträger. Thema ist da eine Impfempfehlung, "weil man damit rechnet, dass die Seuche rüberkommt", sagt Landwirtschaftsdirektor Thomas Nibler, promovierter Rinderzüchter im Schwandorfer Fachzentrum.

Zwar seien die Symptome dieser speziellen Virus-Variante bei Rindern nicht allzu dramatisch oder lebensbedrohlich, aber die Auswirkungen im Fall einer Restriktionszone über 150 Kilometer durchaus beträchtlich. "Hauptproblem sind die Handelsbeschränkungen, viele Länder stoppen den Import." Dank rigoroser Impfpflicht habe man die Infektionskrankheit, die auch Schafe und Ziegen befällt, vor zehn Jahren schon einmal erfolgreich bekämpft. Krankheiten wie diese gehören für den Fachmann zum Alltag. "Unsere Untersuchungsmethoden sind auch genauer geworden, und dazu kommt die Schnelligkeit der Medienkanäle", relativiert er die Gefahr.

"Die Medienlandschaft verstärkt das alles", ist sich auch ein Kollege von ihm sicher, der den Fachbereich Schweinezucht betreut. Während Dänemark wegen der möglichen Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest über Wildschweine an der Grenze zu Deutschland einen Zaun zieht, hofft er auf Problembewusstsein bei Lebensmitteln. Hauptgefahr sei hier ein Stück Wurst aus baltischen Ländern, das irgendwo achtlos weggeworfen wird. Immerhin: Für den Menschen geht von diesen tierischen Krankheiten keine Gefahr aus. Und vielleicht hat ja der Klimawandel auch den Nebeneffekt, so manchem alten oder neuen Schädling den Stammplatz madig zu machen. Patricia Steinbauer hat da schon einen im Visier, der trockene Sommer gar nicht liebt: die Nacktschnecke.

Patricia Steinbauer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten rechnet damit, das der Klimawandel neue Pilzkrankheiten und Schädlinge begünstigt. Bild: bl
Patricia Steinbauer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten rechnet damit, das der Klimawandel neue Pilzkrankheiten und Schädlinge begünstigt.
Der Maiswurzelbohrer gilt als invasive Spezies. Heuer steht er zum ersten Mal auch im Landkreis unter Beobachtung. Bild: Landesanstalt für Landwirtschaft
Der Maiswurzelbohrer gilt als invasive Spezies. Heuer steht er zum ersten Mal auch im Landkreis unter Beobachtung.
Diese Kuh hat es erwischt. Sie leidet unter der Blauzungen-Krankheit. Die virale Infektionskrankheit ist nicht mehr weit von den Landkreis-Grenzen entfernt. Bild: Ralf Roeger/dpa
Diese Kuh hat es erwischt. Sie leidet unter der Blauzungen-Krankheit. Die virale Infektionskrankheit ist nicht mehr weit von den Landkreis-Grenzen entfernt.
 
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