Das Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasium zeigte Trauerbeflaggung, denn am 27. Januar beging man den bundesweiten "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus". An diesem Tag vor 77 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz, in dem mehr als eine Million Menschen ermordet wurden. Auf dem Gelände des Lagers befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch etwa 7000 Menschen, unter ihnen die damals zehnjährige Ruth Melcer, die nun während einer Videokonferenz des "Zeitzeugenforums der Friedrich-Ebert-Stiftung" den Schülern n circa hundert zugeschalteten deutschen Klassenzimmern als Zeitzeugin Auskunft gab. Sie erzählte anschaulich von ihren ersten Erinnerungen an den Alltag im jüdischen Ghetto und der zunehmenden Entrechtung bis hin zur Deportation in Arbeits- und Konzentrationslager, um als Kind in schichtweiser Zwangsarbeit Uniformen für die Wehrmacht zu nähen. Ihr jüngerer Bruder wurde in dieser Zeit in einem Waldstück erschossen, wovon sie aber erst viel später erfuhr. Sehr genau erinnerte sich die Zeitzeugin an ihre Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Jahr 1944. Als Arbeitskraft wurde Ruth Melcer zunächst an der "Rampe" nicht für die sofortige Ermordung in den Gaskammern "selektiert", aber aufgrund des Hungers, der absoluten Entmenschlichung und der Brutalität der gewalttätigen "Kapos" aus der Gruppe der Häftlinge bildet diese Zeit für sie einen bis heute immer noch schwer zu verarbeitenden Alptraum. Nach der Flucht der Lagerbesatzung zu Kriegsende war sie sich mit wenigen anderen geschwächten Überlebenden für zehn Tage völlig selbst überlassen, bis am 27. Januar das Lager befreit wurde. Untergebracht in einem polnischen Kinderheim wartete sie, bis sie von ihrem Onkel gefunden wurde. Erst Monate später traf sie ihren Vater und ihre Mutter, die beim Wiedersehen nur 35 Kilogramm wog. An ein "normales" Leben war für die Zeitzeugin nach diesen Erfahrungen lange Zeit aber nicht zu denken. "Wir alle wollten einfach nur vergessen und einfach leben. Aber so einfach ist das nicht", gab sie zu bedenken. Ihr eindringlicher Appell an die Jugendlichen: "Schaut nicht weg! Denn für Antisemitismus braucht es keine Juden!"
77 Jahre nach der Befreiung leben immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, um ihre persönlichen Erfahrungen der nationalsozialistischen Verfolgung zu teilen und an die Verbrechen zu erinnern. Umso wichtiger erscheint es, die Erinnerung am JAS-Gymnasium lebendig zu halten und aus der Vergangenheit zu lernen.
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