"Kontaktlos 1-2-3-4" steht da auf einem Schild direkt neben der extrem bunten Ostwand von Haus Nummer 3 in der Nabburger Sackwebergasse. Damit scheint auch schon ein Teil des Rätsels gelöst. Der Name einer Künstlerin ist darauf vermerkt, Mitwirkende und Initiatoren sind genannt. Aus der Nähe wird klar, dass es sich hier um vier Planen aus Mesh-Gewebe handelt, wie sie für den Fassaden-Schutz verwendet werden. Vor allem aber hat hier die Kunst einen Platz bekommen.
"Ein Fassadenschutz - künstlerisch gestaltet für eine kunstsinnige Stadt", so sehen die Initiatoren Elisabeth und Rudolf Demleitner ihre private Investition im vierstelligen Bereich. Zum ersten Mal hatte Rudolf Demleitner etwas Ähnliches in der Kreisstadt Schwandorf entdeckt: Riesige Planen, bedruckt mit dem Foto einer Bücherwand schirmten dort Baustelle Pfleghof ab. Doch es brauchte noch eine Begegnung im Volkshochschulkurs "Afrikanisches Trommeln", bevor die Idee zu einer Kunst-Installation in ihm reifte. Die Leiterin des Trommelkurses, Brigitte Beer entpuppte sich als Akademische Malerin. "Das war der Befreiungsschlag, der auslöste, was schon in mir geschlummert hat", sagt der 64-Jährige, der prompt die Künstlerin aus Burglengenfeld für eine Wandbemalung engagierte.
Die Fachfrau allerdings war zunächst skeptisch, als sie den bröckelnden Putz sah. Diesen Putz nun mit einem Wandgemälde zu verzieren, das traute sie sich nicht zu. Weil sie Erfahrung mit auf Folie gedruckten Bildern hatte, rückte eine andere Lösung ins Visier. "So etwas im Stil von Friedensreich Hundertwasser, Antoni Gaudi oder Hieronymus Bosch" hatte dem Auftraggeber vorgeschwebt, vom Malstil her eher ein Aquarell, modern, farbenfroh und zeitkritisch. Doch bei einer so riesigen Fläche von 11 mal 5 Metern gab es zunächst technische Probleme. Bis Demleitner an einen Fachmann verwiesen wurde, der zufällig auch die Bücherwand in Schwandorf bedruckt hatte. "Da wusste ich, hier bin ich richtig", sagt der Kunstliebhaber. Für so einen "massiven Brummer", der eine Sturmlast von sechs Tonnen aushalten soll, da reiche auch kein Haken aus dem Baumarkt.
Noch ein Profi musste her, als es darum ging die inzwischen fertige Vorlage der Künstlerin abzufotografieren: Statt eines Aquarells waren vier Ölbilder herausgekommen, vier stark vereinfachte Porträts, sehr farbig, mit ornamentalen Elementen verfremdet und einer Anspielung auf den Lockdown in der Corona-Pandemie. Hans Zitzler aus Teublitz übernahm schließlich den Part des Fotografen, so dass die Bilder ums Fünffache vergrößert und gedruckt werden konnten. Am 2. September wurden die vier Planen aus Mesh-Gewebe an der Wand des Hauses angebracht, das seit vier Jahrzehnten in Besitz von Demleitner ist und eigentlich noch auf eine Sanierung wartet.
"Sehen Sie diese Augen? Die verfolgen den Betrachter, egal ob er rechts oder links von den vier Köpfen steht", sagt der stolze Besitzer, der inzwischen in Perschen wohnt, genau hier aber seine Wurzeln hat. Rund 400 Jahre alt sind die Mauern hinter der Kunst-Installation, erbaut nach dem großen Stadtbrands 1625. "Früher war das ein "Glasscherben-Viertel" mit einem Misthaufen vor der Tür", klärt der Demleitner auf, der sich noch gut an die letzten beiden Kühe erinnert, die 1972 die Gasse verließen.
Wer den Hausherren nach seinen Plänen für eine Sanierung fragt, der bekommt erst einmal ausweichende Antworten. Ihm gehören auch benachbarte Anwesen, eines ist bereits saniert. "Sehr komplex" sei die Lage in der Sackwebergasse, es geht dabei auch um ein Durchfahrtsrecht, das Pläne für eine Hofgestaltung blockiert. "Was ich nicht will ist, dass diese Häuser dem Kommerz preisgegeben werden", sagt der Nabburger.
Als nun im September die vier großen Köpfe zum ersten Mal über die Stadtmauer blickten, "da waren alle erst mal ein wenig erstaunt", berichtet Elisabeth Demleitner, "vielleicht hat mancher auch ein wenig gebraucht...". "Das war definitiv ein Überraschungsmoment", ergänzt ihr Mann. Jeder habe die Figuren anders gedeutet, und das ist auch ganz im Sinn der Künstlerin. "Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen und denunzieren", lautet ihre Interpretation der vier dargestellten Wesen, die auch an die schwer, kontaktlose Zeit in der Pandemie erinnern sollen. Ganz nebenbei beschützen sie den Altbau. "Da tropft das Wasser am Gewebe ab, die Mauer bleibt trocken", so der Hausbesitzer, "Das Haus wehrt sich gegen den Verfall".
Für die Ewigkeit ist diese Lösung aber nicht gedacht. Vielleicht erwärmen sich eines Tages die Enkel, die beim Aufbau der Installation begeistert dabei waren für eine Sanierung. Etwa drei Jahre sollen die vier Segmente mitten im städtischen Ensemble haltbar sein, und inzwischen könnten sich Künstlerin und Auftraggeber sogar ein Kunst-Symposium in dem Altbau dahinter vorstellen. "Das würde mich extrem freuen", sagt Rudolf Demleitner, der nach getaner Arbeit am 2. September sein Kunstwerk stilgerecht begrüßt hat - mit einer kleinen Trommel-Session in der Sackwebergasse.
Kunst auf Mesh-Gewebe
- Mitwirkende: Hans Zitzler (Fotodesign), Toni Rauen (Beratung), Lutz Schaller (digitale Bearbeitung, Druck, Montage), Huber Betz (Gerüst), Wolfgang Demleitner (Assistenz), Elisabeth und Rudolf Demleitner (Initiatoren)
- Künstlerin: Brigitte Beer, Jahrgang 1967, gelernte Bürokauffrau, studierte 2004 an einer privaten Universität Malerei, Grafik und Kunstgeschichte, , seit 2006 Akademische Malerin und freischaffende Künstlerin, gibt neben Trommel-Kursen bei der VHs auch Unterricht in Malerei und Töpfern. Mitglieder Künstlergruppe "Mosaik", bis Ende Oktober Ausstellung im Klosterstadel Pielenhofen (Samstag und Sonntag; 13 bis 18 Uhr)
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