Nur auf den ersten Blick ist es eine "normale", alte Scheune. Beim genauen Hinschauen kommen Assoziationen an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte auf. Zurecht. Die Baracke ist genau so eine, wie sie zu Hunderten im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau standen, wo auch in Flossenbürg Gefangene eingepfercht wurden. Typ 260/9. Der Architekturhistoriker Prof. Robert van Belt (Ontario) hat die Baracke in Kollersried (Hemau, Landkreis Regensburg) entdeckt. Im Zuge eines Forschungsprojekts des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) wurde der Stadel dokumentiert, abgebaut und eingelagert. "Sie wäre sonst nicht mehr lange gestanden und verheizt worden", sagt Tobias Hammerl. Der Leiter des Oberpfälzer Freilandmuseums erläutert, warum diese "Pferdestallbaracke" nun in Neusath im "Dorf des 20. Jahrhunderts" ihren Platz finden wird.
"Es ist ein ganz besonderes Stück", sagt Hammerl im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Von diesen Baracken, die das NS-Regime wohl in rauen Mengen produzieren ließ, existieren kaum mehr welche. ""Wir konnten die Baugeschichte bis ins Stalag 13A zurück nachvollziehen." Das "StaLag XIII/A" (Stammlager 13 A) war ein Kriegsgefangenenlager in Hohenfels. Nach bisherigen Kenntnissen ist die Baracke aus Kollersried zum einen das einzig erhaltene Bauwerk aus diesem Lager. Zum anderen verdeutliche die Baracke die Umnutzung (Konversion) von militärischen Gütern nach dem Zweiten Weltkrieg und deren Nutzung in der Landwirtschaft, so Hammerl.
Im Gedächtnis der Shoa
Dieser Barackentyp, sagt der Museumsleiter, sei "die bauliche Entsprechung der Viehwagons, die die Menschen in die Lager brachten." Die Pferdestallbaracke war in den Konzentrationslagern zur Unterbringung von Häftlingen genutzt worden und habe damit ins kulturelle Gedächtnis der Shoa Eingang gefunden.
Der Typ 260/9 ist einer von vielen Barackenformen, die während der NS-Zeit in Auftrag gegeben wurden. "Oft bei Schweizer Unternehmen", so Hammerl. Das "Ordnungssystem" der Nazis brachte diese Art der Baracken-Architektur hervor, zu denen beispielsweise auch die Baracken für den Reichsarbeitsdienst (RAD, Beispiele am Bergsteig in Amberg) gehören. Die Gebäude waren genormt, schnell auf- und abzubauen und unterschiedlich nutzbar. So wurde der Typ 260/9 (Grundfläche etwa 9,50 mal 41 Meter) laut den Nachforschungen Hammerls als Fahrzeughalle ebenso genutzt wie als Stall oder als Unterkunft für Kriegsgefangene. In Hohenfels waren demnach mindestens fünf dieser Baracken aufgestellt und dienten wohl nicht als Unterkunft, sondern als Funktionsräume (Post). Ab 1945 diente das "StaLag" in Hohenfels als Camp für "Displaced Persons", also von den Nazis verschleppte Menschen.
Erst Lager, dann Landwirtschaft
Nach 1948/49 ist die Nutzung als Flüchtlingslager für Heimatvertriebene dokumentiert. Laut Hammerls Aufzeichnungen beanspruchte ab 1951 die US-Army das Gelände, in diesem Zusammenhang dürfte die Baracke bei einer Ziegelei in Hemau gelandet sein. Dort stand sie ab 1952 – und wurde fast 70 Jahre lang meist landwirtschaftlich genutzt.
In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Architekturtheorie an der Technischen Universität Kassel (Prof. Phillip Oswalt, Dr. Andreas Buss) wird nun ein genaues Konzept erarbeitet, wie das Gebäude künftig die verschiedenen Aspekte der Nutzung der Baracke im Museum darstellen kann. Laut Hammerl ist eine "diagonale Teilung" vorgesehen: Je nachdem von welcher Giebelseite man das Gebäude betritt, landet man entweder in einem Häftlingslager oder in einem landwirtschaftlich genutzten Schuppen.
Nahe der Schmiede
"Im März werden wir mit Studenten ein Modell der Baracke aufbauen", so Hammerl, mit Dachlatten soll dann das Gebäude in Originalgröße nahe der Klardorfer Schmiede im Bereich "Nabburger Straße" im Freilandmuseum nachgestellt werden. Dann will man über den endgültigen Standort entscheiden. "Es muss ja auch dazu passen," sagte Hammerl.
Der Bezirkstag Oberpfalz hat für das Projekt, das 25 000 Euro kosten soll, einstimmig grünes Licht gegeben. Bezirkstagspräsident Franz Löffler sieht laut einer Mitteilung „die Pferdestallbaracke als sehr gute Ergänzung unseres Museumsdorfes, das die Oberpfalz in verschiedenen Facetten abbildet. Als Mahnmal der Geschichte ist die Kombination absolut gelungen.“ Für den Kauf der Baracke selbst werden inklusive Antransport 4500 Euro fällig, das nötige Punktfundament wird 15 500 Euro kosten und die Aufbereitung des Baus mit 5000 Euro zu Buche schlagen. Den Aufbau wird das Museum zusammen mit dem Kasseler Lehrstuhl kostenlos übernehmen.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.