Nabburg
31.10.2018 - 14:19 Uhr

Reisefieber packt nicht jeden Storch

Spanien, Afrika oder doch lieber zu Hause bleiben? Auch Störchen scheint so eine Entscheidung schwer zu fallen. In Perschen ist der Horst verlassen. Nur ein paar Kilometer weiter, in Nabburg, sieht es anders aus. Und nicht nur dort.

Storchenbetreuer Karl Beer hat die Nabburger Störche in so manchem harten Winter mit Eintagsküken gefüttert. Auch heuer sah es so aus, als wollten die Altstörche hier überwintern, während es den Nachwuchs in den Süden zog. Nun hält nur noch ein Storch die Stellung auf dem Horst . Bild: bl
Storchenbetreuer Karl Beer hat die Nabburger Störche in so manchem harten Winter mit Eintagsküken gefüttert. Auch heuer sah es so aus, als wollten die Altstörche hier überwintern, während es den Nachwuchs in den Süden zog. Nun hält nur noch ein Storch die Stellung auf dem Horst .

"Die Perschener Störche sind ganz normal am 8. September weggeflogen, die Jungen schon etwas früher", berichtet Storchenbetreuer Karl Beer. Bei den Nabburger Störchen hingegen sah es so aus, als würden beide Alttiere für den Winter hier bleiben, nur die Jugend war schon früh gegen Süden aufgebrochen. Doch jetzt scheint nur noch ein Storch die Stellung zu halten.

"Der eine sitzt jetzt im Nest und schaut recht dumm", berichtet Beer, der sich das nicht so recht erklären kann. "Störche sind sehr treue Tiere", weiß er und geht deshalb nicht von einem Zerwürfnis des Paares aus, das nur einen Partner zur Abreise in den Süden bewogen hat. Der Winter in der Oberpfalz scheint jedenfalls sein abschreckende Wirkung verloren zu haben.

Hat der Storch jetzt als verlässlicher Frühlingsbote endgültig ausgedient? "Vor zehn Jahren war es noch ganz selten, dass Störche bei uns überwintert haben", meint Beer, der 1998 offiziell das Amt des Storchenbetreuers von Josef Eimer übernommen hat und sich seit 30 Jahren mit den Tieren befasst. Er erinnert sich noch an die Besonderheit, als in Hahnbach ein Storch überwintert hat. Auch in Fronberg gab es Exemplare, die partout nicht "die Koffer packen" wollten. Und dann wohne da noch in Nittenau so ein gefiedertes Paar, das regelmäßig daheim überwintert.

Die Nabburger Störchen scheinen noch etwas hin- und hergerissen zu sein in ihrer Reiseplanung. Im Winter 2015/16 haben sie auf den langen Flug verzichtet, im Jahr darauf ging es wieder ab in den Süden, und im Vorjahr fiel die Entscheidung erneut fürs Nabburger Winterquartier. Offensichtlich waren sich die Nabburger da einig mit dem Pfreimder Storchenpaar, das im Vorjahr ebenfalls daheim geblieben ist - heuer aber doch wieder den Langstreckenflug gewählt hat, ebenso wie beispielsweise die Artgenossen aus Altendorf oder Schwarzenfeld. "Die Störche kommen aber auch immer früher zurück", hat der Pfreimder Storchenbetreuer Arnold Kimmerl beobachtet: 2014 waren sie erstmals schon im Februar da.

"Außerdem fliegen sie oft nicht mehr so weit", ist sich Kimmerl mit Beer einig: Statt Afrika wird nämlich als Winterquartier oft nur noch Spanien gewählt. "Das merkt man daran, wenn die männlichen und weiblichen Tiere zeitgleich ankommen", erklärt Beer. Bei der Rückreise aus Afrika treffe der männliche Vogel als erster ein.

Sind die Störche für weite Reisen zu bequem geworden? "Kann durchaus sein, das sie gemerkt haben: Uns fehlt es hier an nichts", überlegt Beer. "15 Grad minus, das macht ihnen nichts aus, und den Futterplatz kennen sie auch schon." Auf der Wiese bei Diendorf gab es in einem Winter mit langer Frostperiode schon mal Eintagsküken, serviert vom Storchenbetreuer. "Wenn ich da mit dem Auto hingefahren bin, sind sie gleich in 15 bis 20 Meter Entfernung gelandet." Dass solche Futterquellen im Gedächtnis der Störche verankert sind, schließt auch Kimmerl nicht aus. Er hat in der Nähe des Nürnberg Zoos, wo verunglückte Störche aufgepäppelt werden, 10 bis 15 Störche im Schnee stehen sehen: "Die scheinen sich das gemerkt zu haben."

Doch auch ohne Fütterung kommt der Storch hierzulande ganz gut durch die kalte Jahreszeit. "Die Tiere haben sich ein gutes Fettpolster zugelegt, die leben dann vom Körperspeck", sagt Kimmerl. "Alle zwei Tage eine Maus und ein paar Regenwürmer, das reicht ihnen im Winter. Vermutlich aber hat die Reisemüdigkeit der Störche auch mit dem Klimawandel zu tun, meinen die Storchenbetreuer: Je wärmer es ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf den anstrengenden Flug verzichten. Ob da nun ein paar kalte Tage zum spontanen Aufbruch führen oder düstere Vorahnungen von kalten Wintern, so tief können auch die Fachleute nicht in die Vogel-Seele blicken. "Die Abreise könnte natürlich ein Fingerzeig sein, dass jetzt ein strenger Winter kommt", sagt Kimmerl. Doch solange sich die Störche in ihrem Reiseverhalten nicht einig sind, ist auf dieses Orakel ohnehin kein Verlass.

Infos zur Überwinterung von Störchen https://www.lbv.de/naturschutz/artenschutz/voegel/weissstorch/stoerche-i...

Einsam thront der Nabburger Storch auf seinem Horst. Er hat sich entschieden, hier zu überwintern. Bild: Tietz
Einsam thront der Nabburger Storch auf seinem Horst. Er hat sich entschieden, hier zu überwintern.

Infos zur Überwinterung von Störchen

Hintergrund:

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern hat 1984 ein Weißstorch-Schutzprogramm aufgelegt. Damals gab es allerdings in Bayern auch nur 58 Brutpaare. Das hat viele Naturschützer mobilisiert, und so wurden auch einige Biotope als Nahrungsreservoir für den Storch angelegt. Inzwischen gibt es nach Auskunft von Storchenbetreuer Arnold Kimmerl wieder rund 500 Brutpaare in Bayern, auch in der Region haben sich Paare neu oder wieder angesiedelt. 2017 wurde das Hilfsprogramm deshalb eingestellt. Infos und eine Übersicht über die Verbreitung der Störche unter www.lbv.de. (bl)

 
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