Schwammerlsucher im Landkreis Schwandorf lassen sich die Saison nicht madig machen

Nabburg
18.08.2023 - 10:09 Uhr
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Gibt's schon Schwammerl? Nach den heißen Tagen im Juli und einer Dosis Regen häufen sich die Nachrichten von vollen Körben. Aber es gibt Gründe, warum sich bei Schwammerlsuchern die Begeisterung in Grenzen hält.

Die Regengüsse nach einem heißen Juli haben die ersten Schwammerl aus dem Boden gelockt, die einen zu spät, die anderen eher früh. In den Sozialen Netzwerken häufen sich die Fotos von frischen Pfifferlingen und stattlichen Steinpilzen, am Waldrand parken mehr Autos als sonst. Oberpfalz-Medien hat nachgefragt, wie es um die Ernte der eiweißreichen Waldfrüchte steht. Mancher langjährige Sammler und Pilz-Händler ist trotz einiger Erfolge zu Beginn der Schwammerl-Saison nicht sehr euphorisch.

Walburga Selch ist an einem Mittwochvormittag mit zwei Enkelkindern im Wald bei Nabburg unterwegs. Ihr Korb ist voll mit einer durchaus beeindruckenden Sammlung an frischen Steinpilzen. "Aber der hier, sehen Sie das? Der ist total wurmig", sagt sie und deutet auf einen Stiel, an dessen Unterseite ganz klar die Spuren eines unbeliebten Konkurrenten zu sehen sind. "Für Steinpilze ist es jetzt einfach zu warm, da werden sie wurmig", lautet ihre These. Es sei auch viel zu früh für diesen Typus, der im kühlen September besser gedeihen könne, und dem allzu viel Regen eher schade.

Pfifferlinge mit Verspätung

Die Eierschwammerl, also die Pfifferlinge, seien dagegen heuer nach einer langen trockenen Phase erst mit Verspätung aus dem Waldboden aufgetaucht. "Und auch nur dort, wo die Sonne durchgedrungen ist, im dichten Wald gab's gar nichts", berichtete die 71-Jährige, die seit 40 Jahren regelmäßig in den Wäldern um Nabburg unterwegs ist. Den charakteristischen gelben Exemplaren habe einfach der Regen gefehlt, der mancherorts spät kam und eher spärlich ausfiel. Aus Erfahrung weiß sie, dass es ein paar Kilometer weiter anders aussehen kann. "Hier ist der Waldweg total durchnässt, woanders gab es kein Gewitter und alles ist trocken", sagt die Schwammerl-Expertin, die als eines von 13 Kindern schon mit neun Jahren zum Geldverdienen in den Wald geschickt wurde. "Mit dem Schwarzbeer-Zupfen habe ich mir mein Schulzeug finanziert", erzählt sie.

Der Wald hat ihr viel Glück beschert, aber auch einen Schicksalsschlag hielt er bereit: "Meine Kinder waren 12 und 14 Jahr alt, als mein Mann beim Schwammerlsuchen an einem Herzinfarkt gestorben ist", erzählt Walburga Selch. Seither ist sie allein unterwegs. "Ich fürchte mich nicht, da ist ja meist niemand", beteuert die 71-Jährige und sieht sich nicht in Konkurrenz um die begehrten Waldfrüchte, die jetzt unter dichtem Moos und Gras nicht so leicht zu finden sind. "Wenn man keine Plätze kennt, wo sie wachsen, braucht man gar nicht loszuziehen", sagt sie als Profi.

Dass Sammler und Pilze gleichermaßen weniger werden, hat in den vergangenen Jahren Renate Zollner aus Bruck beobachtet. Sie ist Geschäftsführerin in einem Pilzversand und hat auch einen Stand am Viktualienmarkt in München sowie in Nürnberg. "Früher mal sind hier hundert Sammler Schlange gestanden, um ihr Pilze anzuliefern", erinnert sich die Händlerin an bessere Zeiten, An jedem Waldweg hätten Autos geparkt." Jetzt würden sich viele nicht die Zeit nehmen - oder ihren essbaren "Schatz" lieber gleich selbst verwerten.

Immer überraschend

Trotzdem gibt es sie noch die leidenschaftlichen Sammler. "Wer das Pilze-Sammeln im Blut hat, der geht raus", ist Zollner überzeugt und berichtet von einer Saison, die eigentlich gut begonnen habe. Die Phase sei allerdings nur von kurzer Dauer gewesen, vielerorts seien die Böden ausgetrocknet – oder überschwemmt. "Manche Länder können gar nicht liefern", hat die Geschäftsfrau aus Bruck festgestellt und schließt nicht aus, dass hier der Klimawandel eine Rolle spielt. Fast rund ums Jahr ist sie mit Lieferungen im In- und Ausland beschäftigt, hatte die Saison in Südafrika, in der Ukraine oder in Rumänien und Bulgarien im Blick. "Jede Saison ist anders, alles hängt vom Wetter ab", sagt sie, "da gibt es keine Faustregel". Mal hält ein Jahr viele Pfifferlinge bereit, mal gibt es viele Steinpilze. "Man weiß nie, was an Ware reinkommt," zieht Zollner Bilanz über ein schwieriges Geschäftsfeld, das immer Überraschungen bereithält.

Günter Grieb aus Muschenried ist gerade zurück aus dem Wald und mit seiner Ausbeute zufrieden. "Schöne Pfifferlinge, massig Steinpilze", schwärmt er, "allerdings die Hälfte madig". Dazu Milchbrätlinge und Rotkappen, außerdem sammelt er auch

Hexenröhrlinge. "Ich bin zufrieden, sagt der 64-Jährige, der seinen Überschuss immer im Dorf verschenkt und dafür Tomaten, Obst oder Eier zurück bekommt.

Inzwischen gebe es ja auch viele Pilze aus Züchtungen zu kaufen", tröstet Zollner die weniger Erfolgreichen angesichts der heuer generell eher knappen – und somit auch teureren – Ware aus Deutschland, die gerade bei Vegetariern als Fleischersatz zunehmend beliebter wird. Noch sei es auch zu früh für ein abschließendes Urteil über die Saison, in der die Mischpilze erst noch im Kommen sind und Steinpilze vielleicht noch nachlegen.

So sieht das auch Walburga Selch. "Voriges Jahr gab's gar keine Pfifferlinge, dafür im Herbst dann Steinpilze und Maronen, die gar nicht wurmig waren", macht sie Hoffnung auf eine vielversprechende Fortsetzung der Schwammerl-Saison und zieht vorerst lieber los, um Heidelbeeren zu ernten, bevor der Blattrost überhand nimmt. Lange wird sie vermutlich nicht pausieren beim Schwammerlsuchen.

"Das ist eine Sucht", sagt Günter Grieb und nimmt's wie's kommt, "manchmal mehr, manchmal weniger". Während er noch beim Putzen ist, steht für ihn fest, dass er am nächsten Morgen wieder losmarschieren wird. Vielleicht steht dann der Mond noch ein wenig günstiger. "Zunehmend" soll er laut Walburga Selch am besten sein, und mit etwas Glück ist ihr das Glück so lange hold wie im vergangenen Jahr: Da hat sie an Allerheiligen noch sieben Steinpilze gefunden.

Hintergrund:

Nachhaltig Pilze sammeln: 5 Tipps

  • Abschneiden oder herausdrehen: Bei einem gewaltsamen Ausreißen, kann dass verbleibende Pilzgeflecht am Boden beschädigt werden
  • Luftiger Transport: Damit die Pilze keinen Schaden nehmen, brauchen sie viel Platz
  • Nur Bekanntes sammeln: Neulinge können sich in Kursen h von Pilzsachverständigen schulen lassen. Bebilderte Fachliteratur erleichtert die Identifizierung der Pilze
  • Respekt vor der Natur: Pilze sind wichtig für das Ökosystem. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) rät ausdrücklich dazu, nur in Maßen zu sammeln
  • Vorab informieren: Liste geprüfter Pilzsachverständiger über die DGfM; Pilze im Zweifelsfall vor dem Verzehr noch einmal überprüfen lassen (Quelle: AOK)
 
 

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