Neunburg vorm Wald
12.10.2022 - 21:37 Uhr

Krisen als Brandbeschleuniger: Gemeindetag fordert in Neunburg mehr Gehör für Kommunen

Keine Zeit für Versprechungen, sondern für politische Wahrhaftigkeit: Gemeindetagspräsident Uwe Brandl richtet in Neunburg deutliche Worte an die Delegierten seines Verbandes. Und an Ministerpräsident Markus Söder, der vor ihm sitzt.

Die Steilvorlage lässt sich Uwe Brandl nicht entgehen. Vor der Rede des Gemeindetagspräsidenten zur Landesversammlung des Verbands in Neunburg vorm Wald spielt die "Erste Bayerische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Blaskapelle" auf, bestehend ausnahmslos aus Gemeindeoberhäuptern. "Das ist die einmalige Gelegenheit, dem Ministerpräsidenten den Marsch zu blasen", sagt Brandl in Richtung Markus Söder, der vor ihm in der Schwarzachtalhalle sitzt. Auch in der Folge hält sich Brandl nicht zurück, als er nach dem Ministerpräsidenten das Wort ergreift und deutliche Worte findet.

Ein sichtlich stolzer Bürgermeister Martin Birner hatte Söder begrüßt und ihn ins Goldene Buch der Stadt Neunburg vorm Wald schreiben lassen. "Wir zeigen, was der ländliche Raum alles wuppen kann." Dieser ländliche Raum, das sei der "Zukunftsraum", sagt Söder in seiner Rede, in der er durchaus rhetorische Blumen an die Kommunen und Bürgermeister verteilt. Ohne sie, da hätte man die Pandemie nicht so gut in den Griff bekommen. Viele Menschenleben seien gerettet worden. Nun aber: der verbrecherische Angriffskrieg, die nächste Krise, explodierende Preise, mehr Geflüchtete im Land. "Wir bleiben solidarisch, aber in vernünftigem Rahmen", sagt Söder, gerade bei der Unterbringung der Geflüchteten brauche es einen Ausgleich vom Bund.

"Leitungen bleiben zu"

An dessen Regierung lässt Söder kein gutes Haar. Kommission zur Gaspreisbremse? Schon gut, aber zu spät. "Die russischen Gasleitungen sind für immer zu. Da brauche wir uns keine Illusionen machen." Außerdem: Öl und Pellets vergessen. Elektrizitätsprobleme? Kernkraftwerke weiterlaufen lassen. Und schnelle Hilfen für die Menschen, die bei mangelnder Einigkeit der Politik das Vertrauen verlieren. "Wenn der kommende Winter schlecht läuft, wird es noch ganz andere Probleme geben", so der Ministerpräsident.

Nicht andere, aber sehr konkret spricht Brandl die Probleme an. Der Gemeindetagspräsident weiß, dass er in der Landespolitik als wenig angenehmer Gesprächspartner gilt. Der CSU-Bürgermeister von Abensberg nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch am Mittwoch nicht. Er sieht die Bürgermeister und Gemeindeverwaltungen an der demokratischen Wurzel dieses Landes. Sie sind direkt mit den Problemen der Bürger konfrontiert, müssen Kritik einstecken – oft genug für enttäuschte Erwartungen, die von der großen Politik geschürt wurden. Beispiel Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Schulen: Da sei der Bund in der Pflicht, aber auch der Freistaat, um für das nötige Geld für Investitionen zu sorgen. Dass für die Betreuung neue, zusätzliche Räume nötig sein sollen, statt die Klassenzimmer ganztags zu nutzen, hält der Gemeindetagspräsident für Irrsinn. Und das Personal? "Können wir uns nicht schnitzen", sagt Brandl.

"Brandbeschleuniger"

Steigende Preise, Energieknappheit, wirtschaftliche Rezession, weitere Flüchtlingswellen: Das Zusammentreffen mehrerer Krisen gleichzeitig sei ein "Brandbeschleuniger zunehmender Unzufriedenheit und Radikalisierung". Das bereite ihm größte Sorgen, sagte Brandl. Es gelte, den Bürgern mit Wahrhaftigkeit entgegen zu treten – und Mut zum "Nein" zu weiteren Ansprüchen zu haben. Gleichzeitig hätten die Kommunen Ideen und seien bereit, Lösungen zu erarbeiten. "Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse steht nicht aus Jux im Grundgesetz", so Brandl. Für Lösungen, für die angesichts der Krisen auch Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Dazu gehört für Brandl, dass die steigenden Fördermittel für die Kommunen über das Finanzausgleichsgesetz nicht an anderer Stelle wieder abgezwackt werden. Es sei erforderlich, gerade jetzt bürokratische Hürden aus dem Weg zu räumen. "Ich möchte aus der Ministerialbürokratie nicht mehr hören, was nicht geht, sondern darüber sprechen, was geht", so Brandl.

Das Gespräch wünscht sich Brandl auch ganz persönlich mit dem Ministerpräsidenten. Ganze zwei Stunden, hat Brandl ermittelt, haben Ministerpräsident und Präsident des größten kommunalen Spitzenverbands in Bayern in den vergangenen drei Jahren persönlich miteinander gesprochen. "Das ist sehr ausbaufähig", sagt Brandl. Bei allen Schwierigkeiten: Brandl ist überzeugt, dass Bayerns Gemeinden, Märkte und Städte auch die aktuellen Herausforderungen meistern. Zumindest damit ist er sich absolut einig mit Ministerpräsident Markus Söder.

Hintergrund:

Bayerischer Gemeindetag in Neunburg vorm Wald

  • Landesversammlung: Rund 150 Delegierte und Ehrengäste in der Schwarzachtalhalle.
  • Neuwahl: Birgit Kress (Bürgermeisterin Markt Erlbach, Mittelfranken) wird zur zweiten Vizepräsidentin des Bayerischen Gemeindetags gewählt.
  • Festreden: Ministerpräsident Markus Söder und Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (hauptberuflich Bürgermeister von Abensberg).
  • Programm: Formalien und Festreden am Mittwoch; Donnerstag Fachreferate zu sozialen und kommunalpolitischen Themen; Podiumsdiskussion, unter anderem mit Umweltminister Thorsten Glauber.
 
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