Neustadt an der Waldnaab
09.04.2019 - 13:37 Uhr

Autistischer Junge bekommt kein Attest für Hausunterricht

Eine Mutter aus dem Landkreis sucht immer noch verzweifelt nach einem Schulbegleiter für ihren autistischen Sohn. Eine Suche, die beide viel Kraft kostet. Nun raubt ihnen ein weiteres Problem noch mehr Energie.

Symbolbild Bild: Patrick Pleul/dpa
Symbolbild

Sorge plagt die Familie: Der Zwölfjährige bekommt kein neues Attest für den Unterricht daheim. Seit einem halben Jahr ist der Junge zu Hause, seit Anfang Januar wird er dort unterrichtet. „Ohne Schulbegleiter darf er ja nicht zur Schule“, erklärt seine Mutter, die sich bei der erfolglosen Suche nach einer Begleitung an Oberpfalz-Medien gewandt hat. Zwei Leser haben sich daraufhin gemeldet, doch dazu später mehr.

Ein Stück Alltag, das ihrem Sohn nach den Osterferien nun auch noch genommen wird. „Dann wird der Heimunterricht eingestellt. Dabei besteht doch Schulpflicht“, klagt die Frau. Die Entscheidung des zuständigen Kinderpsychologen kann sie nicht verstehen: „Er meinte nur, dass dieser Unterricht eh nichts bringt, dass er zu wenig wäre.“

Aktuell unterrichten viermal pro Woche vier Lehrer im Wechsel den Jungen zu Hause. „Insgesamt acht Stunden wöchentlich“, informiert die Landkreisbewohnerin. Eine Alternative, die einen Schulbesuch zwar nicht ersetze, aber besser sei als nichts. „Wenn das jetzt auch noch wegbricht, sitzt mein Sohn nur noch daheim herum. Ohne Aufgabe, ohne Förderung.“

Genauso schlimm ist für die Frau die Art und Weise, wie sie erfahren hat, dass ihr Sohn kein Attest, dass vierteljährlich neu ausgestellt werden muss, mehr bekommt. Nie habe sie den Psychologen erreicht, statt der Stimme einer Arzthelferin nur die des Anrufbeantworters gehört. Die ganze Zeit habe sie wie auf heißen Kohlen gesessen, gehofft, gebangt – und am Ende „wie nebenbei“ diese Nachricht erhalten. „So geht man doch nicht mit Menschen um“, klagt die Alleinerziehende.

Für Mutter und Sohn ist es ein Teufelskreis: Ohne Begleiter kein Schulbesuch, ohne Attest kein Hausunterricht. „Wie sollen wir da der Schulpflicht nachkommen?“ Um den Teufelskreis zu durchbrechen, hat sie sich an die Öffentlichkeit gewandt, in der Hoffnung, einen Schulbegleiter zu finden. Und tatsächlich: Zwei Interessierte haben sich gemeldet. Ob sie als Begleiter für den Zwölfjährigen infrage kommen, müsse sich noch zeigen. „Aber ich hoffe es natürlich“, betont die Frau. Verlassen will sie sich aber nicht darauf, sie hat sich vorsichtshalber auch an die Diakonie gewandt. „Ich hatte gehofft, hier Hilfe zu bekommen.“ Doch es sei wie so oft gewesen: „Am Ende steht man in seiner Not allein da.“ Was sie stattdessen mit nach Hause genommen habe, sei das Gefühl, für ihren Sohn zu kämpfen. „Es bringt ja nix, zu Hause zu sitzen und nichts zu tun.“ Genau dazu wird der Junge aber nach den Osterferien gezwungen – es sei denn, er kann wieder zur Schule gehen. „Jetzt sagt er sich, er hätte Urlaub und wird deshalb daheim unterrichtet. Was aber, wenn er nicht mal mehr das bekommt?“ Seine Mutter kämpft also weiter. Nicht nur um einen Begleiter, sondern auch um ein bisschen Normalität für ihren Sohn.

Neustadt an der Waldnaab03.04.2019
Info:

Durch den Alltag helfen und Strukturen schaffen

Was für die meisten Schüler selbstverständlich ist, kann für autistische Kinder zur Stresssituation werden. Muss ich auf die Toilette? Wo ist die überhaupt? Und was mache ich mit meinem Pausenbrot? „Schulbegleiter leiten Autisten bei solch alltäglichen Dingen an und geben ihnen klare Strukturen“, erklärt eine Weidener Ergotherapeutin, die in diesem Bereich schon Erfahrung gesammelt hat.

Die Arbeit eines Begleiters beginnt in der Regel dann, wenn ein Kind die Schule betritt, manchmal auch schon zu Hause. „Das hängt vom Grad der Beeinträchtigung ab.“ Je nachdem, wie intensiv ein Schüler betreut werden muss, hält sich sein Begleiter während des Unterrichts im Hintergrund oder sitzt direkt neben ihm. „In jedem Fall ist es aber wichtig, dass auch Lehrer mitarbeiten und auf die Bedürfnisse autistischer Kinder eingehen.“

Sowohl Kinderpfleger, Erzieher und Heilpädagogen als auch Heilerziehungspfleger kommen als Begleiter infrage – doch nicht jeder darf alles machen. „Ist ein Kind ,nur’ lernverzögert, reicht ein Kinderpfleger. Bekommt es Medikamente, braucht man einen Heilpädagogen“, weiß die Ergotherapeutin. Genauso weiß sie, warum es schwierig ist, einen Begleiter zu finden. „Der Job ist schlecht bezahlt, je nach Träger bekommt man nur Saisonverträge. Und wer will schon ständig in den Seilen hängen?“

Info:

Schulbegleiter gesucht

Interessenten können sich unter der E-Mail-Adresse redeb[at]oberpfalzmedien[dot]de melden.

 
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