Digital ins Waldnaabtal: Oberpfälzer Wald geht beim Tourismus neue Wege

Neustadt an der Waldnaab
29.09.2021 - 16:23 Uhr

Kann ausgerechnet der Tourismussektor die Coronakrise am ehesten wettmachen? Schaut man auf aktuelle Zahlen scheint es auf den ersten Blick so. Und zwar nicht auf den Kanaren, sondern in der nördlichen und mittleren Oberpfalz.

Wandern im Waldnaabtal ist ein Klassiker des Oberpfalz-Tourismus. Der erholt sich zurzeit von zwei fast komplett ausgefallenen Coronajahren. Trotz aktuell positiver Tendenzen schreibt der Fremdenverkehr in Ostbayern aber dicke Verluste.

Lockdown und Heimarbeit haben offenbar Ausflugs- und Reiselust geweckt. Darauf deuten Statistiken hin, die Christina Kircher am Mittwoch im Landratsamt Neustadt/WN vorstellte, wo die Tourismusgemeinschaft Oberpfälzer Wald tagte. Kircher ist die Tourismus-Expertin des Landkreises Neustadt. Sie unterstreicht, dass manche Buchungszahlen von Mai bis August 2021 sogar besser sind als im Vor-Corona-Jahr 2019, obwohl Beherbergungsbetriebe erst am 21. Mai Betten bereitstellen durften. Stichwort Urlaub dahoam.

Beispiel Online-Buchungen: Von Mai bis August machten die Quartiergeber zwischen Waldsassen und Burglengenfeld damit fast 240 000 Euro mehr Umsatz als im Vergleichszeitraum vor zwei Jahren. Dahinter steckt ein Plus von genau 1537 Buchungen.

Pilotregion für Digitalangebote

Damit zahlt sich gebetsmühlenartiger Einsatz der Fremdenverkehrsämter in Weiden sowie den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt und Schwandorf aus. Ihr Mantra über fast zwei Jahrzehnte: Ferienwohnungen, Campingplätze und Hotels müssen übers Internet buchbar sein. Das scheint angekommen. So gut, dass die Tourismusgemeinschaft Oberpfälzer Wald für ganz Ostbayern als Pilotregion für den nächsten Schritt der Digitalisierung ausgewählt wurde.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um freie Zimmer auf Online-Portalen, erklärt Stephanie Wenisch aus Tirschenreuth, die Geschäftsführerin der Tourismusgemeinschaft. Vielmehr sollen Urlaubserlebnisse durch die Bank digital buchbar sein. Das beginnt beim Leih-E-Bike über szenische Stadtführungen in Nabburg oder Weiden bis zum Workshop in der Moosbacher Hexenküche. 50 solcher Angebote gibt es bereits. "Es dürfen sich gern noch mehr Veranstalter melden. Das Angebot ist technisch einfach und richtet sich an Auswärtige wie an Einheimische, die am Wochenende mal was Neues erleben wollen", betont Wenisch.

"Das zeigt, dass der ländliche Raum zur Digitalisierung bereit ist", freut sich Roland Grillmeier. Der Tirschenreuther Landrat ist derzeit Vorsitzender der Tourismusgemeinschaft. "Den Spitzenwert von 60 Prozent Online-Buchbarkeit würden sich andere Destinationen gerne wünschen." In diesem Zusammenhang will der Tourismusverband Ostbayern immer mehr Webseminare anbieten, für alle, die im Fremdenverkehr arbeiten, vom Stadtführer bis zum Direktvermarkter.

Broschüren stark gefragt

Nur nicht nachlassen lautet die Devise. Die Fachleute aus der Region erarbeiten ein Markenleitbild, das sie im Dezember vorstellen wollen. Der Grundgedanke laut Wenisch: noch genauere Zielgruppenansprache und klare Schwerpunkte. Die meisten Themen sind dabei schon erkennbar - Wandern, Radeln, Angeln, sanfter Tourismus, Naturerlebnis, Zoigl.

Sie nur digital zu bespielen, greift zu kurz. Daher haben die Touristiker einige neue Prospekte und Broschüren aufgelegt, etwa das Gastgeberverzeichnis, die Gewässerkarte oder das dreimal jährlich erscheinende Freizeitmagazin, das auch Kulturtipps enthält. "Die Printprodukte sind ein Renner. Das zeigt, dass die Themen sitzen", ist Grillmeier überzeugt.

Gute Ideen, mehr Gästeankünfte, mehr Übernachtungen: All das kann die Pandemie nicht aus den Bilanzen tilgen. Unterm Strich steht für ganz Ostbayern 2020 und 2021 ein Minus von 5 Milliarden an touristischer Wertschöpfung. Manches Problem hat Corona weiter verschärft, etwa den Personalmangel in der Gastronomie. Der führt vor allem zur Reduzierung von Mittagsöffnungszeiten. Daher ist der Appell aus den Landratsämtern an Bundes- und Landespolitik unmissverständlich: Ohne Unterstützung ist das nicht auszubügeln.

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BesserWissen24.09.2021
Hintergrund:

Tourismus in Coronazeiten

  • Anzahl der Übernachtungen im Oberpfälzer im Juli: 2019: 135.650; 2021: 124.904 (-7,9 %)
  • Anzahl der Übernachtungen im Oberpfälzer Wald im Januar: 2019: 57.111; 2021: 22186 (-61,1 %)
  • Umsatz 2019 im Oberpfälzer Wald: Januar 2019: 73.822 Euro; Januar 2021: 45.388 Euro (-38,5 %); August 2019: 73.334 Euro, August 2021: 126.376 (+72,3 %)
 
 

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