Neustadt an der Waldnaab
10.07.2018 - 18:20 Uhr

Retter unter Strom

Schnelle Autos mit heißen Batterien stellen die Rettungskräfte vor neue Herausforderungen. Doch Feuerwehr und Rotes Kreuz sind für Unfälle mit Elektro- oder Hybridautos gerüstet, damit die Helfer nicht plötzlich selbst unter Strom stehen.

Bei einem Unfall soll die Stromversorgung von E-Autos automatisch gekappt werden. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen. Gabi Schönberger
Bei einem Unfall soll die Stromversorgung von E-Autos automatisch gekappt werden. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen.

(ui) Eines der wichtigsten Hilfsmittel für die Retter ist ein Datenblatt. Sowohl Rotes Kreuz wie auch Feuerwehr bekommen mit Hilfe des Autokennzeichens binnen Sekunden technische Informationen zu jedem Fahrzeug. Wenn der Unfallmelder beim Notruf schon ein Kennzeichen durchgeben kann, ermittelt die Integrierte Leitstelle (ILS) gleich, um welches Auto es sich handelt, beschreibt stellvertretender ILS-Leiter Jürgen Meyer das Vorgehen. "Auf der Karte steht, welche Löschmittel verwendet werden müssen, welche Sicherheitsabstände und andere -vorkehrungen einzuhalten und zu treffen sind."

Feuerwehrleute erfahren damit entweder schon bei der Anfahrt oder dann an der Unfallstelle auf dem Tablet, ob sie ein Hybridfahrzeug, eines mit Strom- oder herkömmlichem Antrieb vor sich haben und können entsprechend handeln. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Batterie eines E-Autos beschädigt wurde. Kreisbrandrat Marco Saller bezeichnet das Rettungsdatenblatt als "wichtigste Einsatzquelle, als Führungsmittel für die Einsatzleiter und Infomittel für die Einsatzkräfte".

Die Akkus von Tesla und Co. seien nur schwer zu löschen mit viel, viel Wasser, betont Weidens Stadtbrandrat Richard Schieder. "Mit Atemschutz sind wir gegen die giftigen Dämpfe gewappnet, die durch das Elektrolytgel in den Hochvoltbatterien entstehen können", ergänzt sein für den Landkreis zuständiger Kollege Saller. Vom Grundsatz her sei die Herangehensweise bei einem Einsatz nicht anders als bei anderen technischen Hilfeleistungen. Saller: "Das heißt rational denken, technisches Verständnis für die Bauteile sowie deren Wirkungsweise entwickeln und Gefahrenquellen erkennen." So sei es hilfreich, über den Einbauort der Akkus Bescheid zu wissen und orange Kabel als Hochvolt-Leitungen zu identifizieren.

Die Elektronetze für Antrieb mit 400 bis 600 Volt auf der einen Seite und die herkömmliche Bordelektronik für Dinge wie Licht, Radio und Anzeigen sind bei E-Autos komplett getrennt. Bei einem Aufprall werden nach Aussage von Feuerwehr und Werkstätten durch eine kleine Sprengung an den Batteriepolen die Hochvoltnetze von der Energiequelle getrennt, so dass keine Bedrohung durch gefährliche Stromschläge mehr besteht.

Schon im vergangenen Jahr hat sich die Weidener Feuerwehr an mehreren Übungsabenden mit Elektrofahrzeugen befasst. Auch bei zahlreichen Wehren im Landkreis ist das Thema alternative Antriebe wie Gas, Elektro oder Hybrid Inhalt der Grundausbildung und in Modulen der Schulungen in Technischer Hilfeleistung. Ein erster Indikator an einer Unfallstelle, dass es sich um ein Hybrid- oder Elektroauto handelt, kann ein E-Kennzeichen sein. Ähnlich wie das H bei den Oldtimern steht das E nach der Zahlenkombination. Allerdings ist das bei E-Fahrzeugen kein Muss.

E-Autos sind auch für die Abschleppunternehmen ein Thema, zu dem ihr Verband spezielle Schulungen anbietet. Ein verunfalltes Fahrzeug darf nur mitnehmen, wer das entsprechende Wissen habe, teilte ein Sprecher des Waidhauser Unternehmens Balk mit. Die hat Meister Andreas Adam vom Abschleppdienst Adam in Buch bei Altenstadt bereits hinter sich. Im bevorstehenden Kurs Hochvolt II gehe es dann darum, zu erfahren, was zu tun ist, wenn die Batterien beschädigt sind.

Bei Werkstätten dürfen er und seine Kollegen Elektrofahrzeuge nur abladen, wenn ein sachkundiger Mitarbeiter da ist. Verunfallte E-Autos müssen wegen der Brandgefahr im Freien abgestellt werden, brauchen eine Absicherung beispielsweise durch einen Zaun und müssen mit einem Warnschild "Achtung Hochspannung" versehen sein.

"Der Grundstock ist gelegt", sagt Kreisbrandrat Saller zur Ausbildungssituation der Feuerwehren im Landkreis für knifflige Situationen mit E-Autos. Von einem derartigen kritischen Einsatz im Landkreis ist er nicht informiert. Weidens Stadtbrandrat Schieder weiß ebenfalls von keinem Vorfall in seinem Bereich. "Auch bayernweit ist mir noch nichts bekannt." Aktuell kämen Unfälle mit Elektrofahrzeugen selten vor, bestätigt ILS-Sprecher Meyer - "im Jahr vielleicht fünf Mal".

Erste Hilfe leisten:

"Ich würde hingehen und helfen", sagt der Weidener Ausbildungsleiter für Erste Hilfe beim Roten Kreuz, Markus Zimmermann, was er tun würde, wenn er als Ersthelfer zu einem Unfall kommt. Welches Auto verunglückt sei, sei ihm da egal. "Ich würde hingehen und den Verletzten rausziehen", ist auch der Leiter der Servicesparte bei BMW Lell, Dietmar Burggraf, überzeugt. Erst vor zwei Wochen sei ihm bei einer Schulung zu E-Autos versichert worden, dass für diese Fahrzeuge extrem hohe Sicherheitsanforderungen gelten. Die Stromnetze seien so gut abgesichert, dass für Ersthelfer keine Gefahr bestehen dürfte, unterstreicht Toyota-Händler Thomas Kreinhöfer. Die beiden Brandräte Marco Saller und Richard Schieder raten Ersthelfern dazu, keine Angst zu haben. "Es wäre fatal, wenn man die Erste Hilfe unterlassen würde", warnt Schieder. Er rät aber auch dringend, keine Brandgase einzuatmen und aus einer zerstörten Batterie austretendes Elektrolyt nicht zu berühren. Jürgen Meyer von der ILS verweist darauf, dass zumutbare Erste Hilfe für jeden Pflicht sei. Ein Notruf sei auf jeden Fall drin. (ui)

Bei einem Unfall soll die Stromversorgung von E-Autos automatisch gekappt werden. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen. Gabi Schönberger
Bei einem Unfall soll die Stromversorgung von E-Autos automatisch gekappt werden. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen.
Hinter dem vermeintlichen Tankdeckel verbirgt sich beim E-Auto der Anschluss für das Ladekabel. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen. Gabi Schönberger
Hinter dem vermeintlichen Tankdeckel verbirgt sich beim E-Auto der Anschluss für das Ladekabel. Mit Hilfe technischer Datenblätter wissen die Rettungskräfte bei einem Unfall schnell, wo die Leitungen liegen, die Batterie sitzt und wo sie hinlangen müssen.
 
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