Das neue stationäre Hospiz hat vor rund einem viertel Jahr seinen Betrieb aufgenommen. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Es ist ein sonniger Frühlingstag, Vögel zwitschern. Drinnen geschäftiges Treiben. In manchen Zimmern läuft der Fernseher, Gelächter dringt auf den Gang. Ein friedlicher Ort - an dem seit Februar bereits 16 Menschen gestorben sind.
Mit zwei Gästen gestartet, sind die neun Plätze mittlerweile belegt, sagt Hospizleiterin Susanne Wagner. 20 Aufnahmen gab es seit Beginn. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liege bei zehn Wochen, das Durchschnittsalter betrage 76 Jahre. „Wir haben mehr Anfragen (43) als Plätze“, sagt die Leiterin. Durchaus ein Grund zur Freude. „Das Hospiz wird angenommen.“
Geborgenheit auf dem letzten Weg zu geben ist das Credo der Einrichtung. Davon profitieren auch die Familienangehörigen. „Das Übernachtungszimmer wird gut genutzt“, erzählt Wagner. "Und wenn Angehörige für sich oder auch das Pflegeteam wie selbstverständlich in der Küche Kaffee kochen, dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben."
Das war in den ersten Tagen nicht immer einfach, weiß die Leiterin. „Wir mussten 30, 40 Entscheidungen zeitgleich treffen. Das fing bei ganz profanen Fragen wie dem richtigen Ablagesystem an, damit sich alle im Team zurechtfinden“, schmunzelt Wagner. Schwerwiegender sind da schon Entscheidungen, wann zum Beispiel der richtige Zeitpunkt ist, mit einem Gast über die eigene Beerdigung zu sprechen, ob er in einem Friedwald oder klassisch beerdigt werden möchte oder wer zum Beispiel die Trauerrede halten soll. „Obwohl wir geschult sind, mussten wir den Umgang mit solchen Situationen erst lernen. Wenn wir auch hier sterbenskranke Menschen begleiten, so bringt nicht jeder gleich alle Unterlagen mit oder hat eine Wunschliste für die letzten Stunden parat.“ Das zu hinterfragen verlange viel Feingefühl.
Gespür war auch in einem besonderen Fall gefragt. Eine Dame hatte verfügt, ihren Körper dem Institut für Plastination zu spenden. „Das haben wir erst erfahren, als sie starb. Auch die Angehörigen waren ahnungslos“, erzählt Wagner. Wie damit umgehen? Viele Fragen gab es zu klären. „Wie spricht man die Familie an? Gibt es einen Vertrag? Was ist zu beachten? Die Situation hat uns alle beschäftigt. Letztlich kümmerte sich ein Bestattungsunternehmen um die Aufbahrung und den Transport des Leichnams.“ Der letzte Wille der Dame wurde erfüllt.
Die vergangenen Wochen hätten aber auch viel Routine gebracht, sagt die Hospizleiterin. Die pflegerischen Abläufe festigen sich. Auch das Team harmoniert und sei mit Feuereifer dabei, freut sie sich. „Wir stocken sogar auf. Mit fünf weiteren Fachkräfte zählt unser Team bald 23 Köpfe.“
Problemlos laufe die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Hausärzten. Gruppenführungen (darunter auch viele Pflegeschüler) und Vorträge würden dazu beitragen, die Hospizarbeit bekannt zu machen und der Bevölkerung die Scheu vor dem Thema zu nehmen. „Dabei stellen wir auch immer wieder fest, dass die Sterbenskranken selbst am unbefangensten mit ihrem Schicksal umgehen“, sagt Wagner, und nennt ein Beispiel: „Mit dem Umzug ins Hospiz endet das Leben ja nicht sofort. Und so hatten wir auch schon Gäste, die anfingen die Blumenkästen auf den Balkonen zu bepflanzen.“ Sie schufen sich ein „neues Zuhause auf Zeit", ein Stückchen Geborgenheit.
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