Am Mittwochvormittag befindet sich die fünfköpfige Storchenfamilie aus Neustadt auf Futterflug. Die drei Jungtiere sind erst seit kurzem flügge und sammeln ihre ersten Flugerfahrungen. Deshalb machen die Tiere oft Pause und legen viele Zwischenstopps ein, erläutert Storchenberater Gerold Haas die Hintergründe. Was dann beim gemeinsamen morgendlichen Familienausflug passiert, schildert Heidi Fienz.
Flattert heftig und stürzt ab
An ihrem Arbeitsplatz am Firmengelände der Nachtmann Kristallwerke in Neustadt erlebt sie das Storchendrama hautnah: "Mein Kollege Manfred Ziegler hat den Vorfall zum Glück beobachtet, sonst hätten wir den armen Kerl nie entdeckt. Er ist gegen 9 Uhr mit seiner Mutter gemeinsam am Schlot gelandet. Beim Losfliegen muss er das Gleichgewicht verloren haben und ist rücklings in die Kaminöffnung gefallen. Dabei hat er heftig geflattert und noch versucht, wieder hoch zukommen. Dann war er schlagartig weg."
Ziegler informiert seine Kolleginnen Alexandra Ernsberger und Heidi Fienz über den Vorfall. Diese eilen sofort zum Industriekamin, der nicht mehr genutzt wird. Ihre Befürchtung: Beim Sturz durch das 30 Meter lange, enge Rohr könnte der Jungvogel ums Leben gekommen sein oder sich schwer verletzt haben. Als sie angespannt die Kamintür zur Brennkammer öffnen, sehen sie die langen Beine des Storches und hören ihn klappern. Er lebt noch und scheint unverletzt, kann jedoch nicht ohne Weiteres gerettet werden, da die Öffnung sehr eng ist. Gemeinsam mit dem ebenfalls zur Hilfe geeilten Helmut Staratschek versuchen die drei Helfer, den Jungstorch aus dem Kamin zu holen. "Wir mussten ihn über eine ganz kleine Öffnung rausholen. Er hat mir so leid getan, und ich bin so froh, dass er noch lebte", berichtet Fienz.
Das war wirklich eine vorbildliche Großtat.
Staratschek greift mit einem Handschuh in den Kamin und hält dem Vogel den Schnabel zu, um nicht verletzt zu werden. "Er hat rumgeschnappt und uns auch ein paar Mal erwischt. Dann haben wir ihn rausgeholt, vorsichtig auf den Boden gedrückt und die Flügel an den Körper angelegt", schildert Fienz die Aktion.
Als Gerold Haas eintrifft, ist der Pechvogel bereits ruhig gestellt. "Er war in einer Schachtel verstaut mit Deckel und Luftlöchern. Was die Mitarbeiter gemacht haben, war wirklich eine vorbildliche Großtat", lobt der Neustädter Storchenberater. Der 74-Jährige wurde von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises informiert und fährt das Tier umgehend nach Regenstauf in die dortige Vogelauffangstation.
Storchenfamilie unruhig
"Ein Tierarzt hat ihn aus der Schachtel geholt und untersucht. Er war zwar noch rußgeschwärzt und leicht benommen, hat ansonsten jedoch keinen Flügelbruch oder andere größere Verletzungen davongetragen." Laut Haas bleibt der Storch nun ein bis zwei Tage zur Beobachtung in Regenstauf. Er soll bereits gegessen und getrunken haben. "Sobald er wieder fit ist, hole ich ihn ab. Dann wird er zu seiner Familie gebracht und ausgewildert."
Die zurückgebliebenen Familienmitlieder dürften darüber sehr erfreut sein. Gegenwärtig machen die anderen Störche einen nervösen Eindruck, sagt Claudia Prößl. Die Pressesprecherin des Landratsamtes kann von ihrem Büro direkt auf den Neustädter Horst blicken und sagt: "Sie kreisen heute besonders häufig über ihrem Nest und sind unruhig."
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