Der Antrag der CSU-Fraktion hat manchen, auch unmittelbar Betroffene, überrascht. In einem Schreiben forderten die Christsozialen im Landkreis Neustadt/WN Mitte Februar: Das Drogenpräventionsprogramm "Need no Speed" soll wieder her. Vor allem wegen der möglichen Legalisierung von Cannabis, heißt es darin. Die Kreis-CSU "sieht nach wie vor einen hohen Bedarf an Präventionsarbeit" - diese sei umso wichtiger, würde Cannabis legal. Personell wie inhaltlich solle der Kreisjugendring Neustadt die Führung übernehmen, womöglich zusammen mit dem Stadtjugendring Weiden.
Um zu verstehen, wieso der Antrag der CSU bedeutend ist, lohnt es, einige Jahre zurückzuschauen. Need no Speed war 2012 als Netzwerk in der nördlichen Oberpfalz entstanden. Es sollte eine Antwort auf die zunehmende Schwemme an Crystal Meth in die Region sein und Jugendliche dazu aufklären. Etwa durch Projekte an Schulen. Beteiligt waren die Jugendringe aus Weiden sowie aus den Landkreisen Neustadt/WN und Tirschenreuth, die Caritas als Sucht-Beratungsstelle und die Polizei in der Region. Es war ein preisgekröntes Vorzeigeprojekt, besonders nachdem es 2016 unter Trägerschaft des Bayerischen Jugendrings (BJR) mit einer regionalen Präventionsstelle und zwei Mitarbeitern ausgebaut wurde.
"Kein Geld gefunden dafür"
Im Oktober 2018 kam die "mittelschwere Katastrophe", wie Ewald Zenger vom Stadtjugendring Weiden damals sagte. Der BJR zog sich als Träger zurück, ein Trägerverein, wie ursprünglich nach zwei Jahren geplant, kam nicht zustande. Etliche Ideen, das Projekt zu retten, scheiterten. So schied beispielsweise der Bezirksjugendring als Träger aus, auch weil der Bezirk die Finanzierung nicht stemmen konnte oder wollte. Die Kosten lagen bei 122 000 Euro für zwei Jahre. "Es ist immer an irgendjemandem gescheitert, der das Geld nicht locker machen wollte", erinnert sich Ewald Zenger.
Gleichzeitig verlor Need no Speed einige Mitarbeiter, da die Stellen befristet waren. Ein Problem, das Zenger auch heute noch bemängelt. Fakt war spätestens im Frühjahr 2019: Need no Speed ist tot. Versuche der Wiederbelebung, etwa durch das Neustädter Gesundheitsamt und die Gesundheitsregion Plus, machten 2021 Schlagzeilen. Heute sagt Steffen Hamm von der Gesundheitsregion, bislang habe man "kein Geld gefunden dafür". Das Projekt stehe aber noch auf der Agenda.
Weniger Crystal-Fokus
Und nun, weitere zwei Jahre später, also der Vorstoß der CSU. Klappt die Belebung diesmal? Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien sagt Knobloch, man wolle wieder "mehr Zug" dahinter bringen. Ein konkretes Konzept, gar einen Plan, wie sich das Finanzierungs-Problem lösen ließe, hat er noch nicht. Fest steht nur: Die Kreis-CSU will weg vom Fokus auf Crystal Meth und Need no Speed für die allgemeine Drogenprävention weiten.
Dass dabei Cannabis eine wichtige Rolle spielen würde, dürfte an der politischen DNA der Partei liegen. Dass auch die Polizei eine Cannabis-Legalisierung kritisch sieht, ist kein Geheimnis. Und gleichzeitig hat der Crystal-Druck in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen. Das bestätigen Zahlen aus dem Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Oberpfalz. Seit 2012 ging im Bezirk die Zahl der Crystal-Delikte von 1044 auf 519 in 2021 zurück - wenngleich zuletzt wieder ein leichter Anstieg erkennbar ist.
Gleiches Ziel, neue Form?
Von den Inhalten losgelöst sagt Knobloch deutlich: Beim Kreisjugendring wäre der Neustart am besten aufgehoben. Landrat Andreas Meier bestätigt auf Nachfrage, er begrüße und unterstütze die Initiative der Fraktion ausdrücklich. Es wäre, findet Meier, eine vertane Chance, die "kompetentesten Stellen" nicht federführend mit der Aufgabe zu betrauen. Er meint die Jugendringe. Weiß man dort überhaupt von derlei Plänen?
Christina Ponader, Vorstand beim Kreisjugendring Neustadt/WN, ist skeptisch. "Wir haben gesagt, wir können gern einmal in Kontakt mit der CSU kommen und uns austauschen." Konkret ist bislang aber noch nichts geworden. Ponader hinterfragt, ob Need no Speed in der Form von damals überhaupt wieder sinnvoll wäre. Schließlich existiert das Netzwerk aus Jugendringen, Caritas und Polizei dahinter nicht mehr. "Wir müssten uns erst einmal mit allen Partnern austauschen, wie wir uns einbringen können", sagt sie. Nach Begeisterung, von der CSU die Führungsrolle angetragen zu bekommen, klingt das nicht. Ein Neustart, sagt Ponader, sei zudem nur zusammen mit den beiden anderen Jugendringen denkbar. Die finanzielle und inhaltliche Klärung würde jedenfalls dauern. "Es wird nicht klappen, das auf ein halbes Jahr oder Jahr wieder aus dem Boden zu stampfen und zu sagen, wir sind wieder da."
Einzigartige Konstellation
Zenger sieht es ähnlich: "Das lässt sich nicht so schnell wiederholen." In den Gesprächen mit den beiden wird deutlich: Die Konstellation, die Need no Speed vor Jahren so erfolgreich machte, war sehr speziell, vielleicht einzigartig. Personelle Glücksfälle trafen auf günstige Förderbedingungen. Trotzdem würde es Zenger "narrisch freuen, wenn sich jemand fände, der den Staffelstab übernehmen will, und es wieder Leute gibt, die ernsthaft interessiert sind, dass es weitergeht. Wir würden inhaltlich sicher nicht rummäkeln." Nur: Cannabis und Crystal Meth müsse man dringend getrennt betrachten, findet er.
Wie es mit dem CSU-Antrag weitergeht, dürfte sich demnächst in Neustadt/WN entscheiden, wenn das Thema auf der Ausschuss-Tagesordnung landet.
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