Faschingsgesellschaften: Zwischen Frust und Optimismus

Oberviechtach
18.01.2021 - 16:04 Uhr
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Corona trifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Kultur und Brauchtum hart. Die Faschingsgesellschaften im Landkreis Schwandorf ruhen größtenteils. Einen besonderen Weg gehen die Oberviechtacher und Nabburger.

Auf Instagram hat die Tanzgruppe Grün-Weiß Oberviechtach ein Video veröffentlicht. Künftig sollen über die Plattform Zoom gemeinsame Trainings stattfinden.

Jetzt wäre ja gerade die sogenannte fünfte Jahreszeit. Es hätten Prunksitzungen stattgefunden, Gardeauftritte. Ein neues Prinzenpaar wäre inthronisiert worden, Faschingszüge wären durch die Ortschaften gezogen. Doch die Saison musste ausfallen, das Vereinsleben ist erschwert. Zusammenkünfte sind nicht gestattet, die Trainingsräume für die Gardetänzer bleiben noch bis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Faschingsvereine, die das Brauchtum und die Tradition hoch halten, kämpfen so mit der Corona-Pandemie.

"Der Verein ist nun mal Familie", sagt Michael Welnhofer, Präsident der Tanzgruppe Grün-Weiß Oberviechtach. Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien zeigt er sich optimistisch, aber Enttäuschung schwingt trotzdem mit. "Es ist momentan einfach schwierig", sagt er.

Den Kopf in den Sand stecken will der Verein nicht. Will, trotz der schwierigen Lage, die Mitglieder weiter an sich binden. Und geht deshalb einen besonderen Weg: nämlich den digitalen. Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Verein auf seinem Instagram-Kanal ein Tanzvideo, Einzelsequenzen von den Gardetänzerinnen zusammengeschnitten zu einem Beitrag.

"Zwölf Stunden Schneidearbeit war das", sagt Welnhofer. Alles in der Freizeit. Ab kommenden Montag sollen nun wöchentlich über die Online-Konferenz-Plattform Zoom Tanztrainingseinheiten für sämtliche Altersgruppen abgehalten werden. Eine einjährige Lizenz habe der Verein extra dafür gekauft, für insgesamt 100 Personen. "Unsere Trainerinnen üben dort Fitness, Tanzbasics und Dehnung." Mitmachen könne jeder Aktive, die Einladungslinks sollen bald verschickt werden. "Da ist man dann, wenn auch virtuell, zumindest wieder zusammen."

Auch die Faschingsgesellschaft Nabburg nutzt in dieser Zeit die sozialen Medien, um zumindest "ein bisschen Fasching" zu feiern, wie Gerlinde Graja sagt. Ihre "Gardemädels" trainieren online, über Weihnachten wählten die Mitglieder den schönsten Christbaum, sie fertigten Fotocollagen mit ihren Faschingskostümen. "Jeder trauert Fasching natürlich hinterher", erzählt Graja, "aber wir sind weiterhin alle gut miteinander verbunden."

Virtuelles Training

Tun wolle man etwas, damit das Vereinsleben nicht einschläft, sagt Welnhofer aus Oberviechtach. Damit das Zusammengehörigkeitsgefühl weiterhin irgendwie bestehen bleibt. Denn bei so manchem, das sei spürbar, schwinde allmählich die Motivation. "Die Ziele sind einfach nicht mehr da", berichtet Welnhofer. Sonst habe man auf Auftrittstermine hintrainiert, hätte konkrete Daten vor Augen. Doch in der aktuellen Situation bleibe nun einmal nicht viel. Am 16. Januar hätte der Oberviechtacher Verein 31-jähriges Bestehen gefeiert.

Mit ihren virtuellen Trainingseinheiten sind die Oberviechtacher und Nabburger Gesellschaften Einzelkämpfer im Landkreis. Denn sowohl bei der Faschingsgesellschaft Seelania aus Steinberg am See als auch bei Lindania in Schwandorf steht das Vereinsleben komplett still - keine Veranstaltungen, keine Trainings, nichts. "Natürlich ist Enttäuschung da", sagt Seelania-Präsident Andreas Lederer. "Aber umsonst trainieren will auch keiner." Marion Raab von der Faschingsgesellschaft Stulln schildert, dass dort ebenfalls Stillstand herrscht. "Wir machen auch online nichts, weil wir merken, dass viele Kinder auch mit dem aktuellen Schulunterricht zuhause genug gestresst sind." Deutliche Worte findet der Präsident der Faschingsgesellschaft Allotria Nittenau. "Die Lage ist ganz schlimm, in unserem Vereinsleben ist momentan alles tot", sagt Josef Süß. "Die Kontakte zwischen den Gardemädels sind nun quasi null." In jahrzehntelanger, harter Arbeit habe sich die Jugendgarde in Nittenau etabliert. Nun stünde alles von einem Tag auf den anderen still. "Peng - auf einen Schlag", so Süß. Kontakt gehalten wird nun über Whatsapp. Dasgleiche sei das aber natürlich nicht.

Über Weihnachten hatte Grün-Weiß Oberviechtach für die Vereins-Kinder Wichtelgeschenke verteilt - corona-konform wurden die Geschenke vor den Haustüren abgelegt. "Das war natürlich ein wahnsinniger Mehraufwand", gibt Welnhofer zu. Auch die Faschingsgesellschaft Stulln hat den Kleinen Geschenke vorbeigefahren, wie Marion Raab erzählt. "Wir wollen ihnen einfach zeigen, dass in der jetzigen Zeit niemand vergessen ist - auch wenn der Kontakt eingeschränkt ist."

Austritte habe es von den insgesamt 116 aktiven Tänzern aus Oberviechtach keine gegeben, weiß Welnhofer. Froh sei er darüber. Auch die Faschingsgesellschaft Nabburg, die in Stulln und die Seelania verzeichnen keine Austritte. "Im Gegenteil", sagt Seelania-Präsident Lederer für seinen Verein. "Wir haben sogar noch sechs Mitglieder dazubekommen." Anders sieht es in Schwandorf aus - bei er Faschingsgesellschaft Lindania seien zwei Mitglieder ausgetreten, gibt Präsident Martin Krautner zu verstehen. Und auch Allotria Nittenau verzeichnet einen Mitgliederrückgang - bislang sind zehn Personen ausgetreten.

Die Faschingsgesellschaft Grün-Weiß Oberviechtach feierte 2019 noch ihr 30. Jubiläum. Nun steht alles still. Untätig wollen die Aktiven aber trotzdem nicht bleiben.

Wann es, zumindest mit dem gemeinsamen Training, weitergehen wird? Das weiß niemand so genau. Während die Oberviechtacher Tanzgruppe auf den 12. April hofft, wie Präsident Welnhofer sagt, sind die anderen Vereine mit Prognosen noch zurückhaltend. "Es ist Corona", sagt der Schwandorfer Krautner deutlich. "Und solange kann man nichts machen."

Michael Welnhofer von Grün-Weiß Oberviechtach lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen. Das Beste müsse man aus der momentanen Situation machen, sagt er und lacht. "Nach der Pandemie muss es ja schließlich weitergehen." Mit der Vereinsarbeit, mit dem Training, mit den Auftritten. Aber vor allem mit dem Erhalt von Kultur und Brauchtum in der Region.

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"Bei manchem, das ist spürbar, schwindet die Motivation."

Michael Welnhofer, Grün-Weiß Oberviechtach

Michael Welnhofer, Grün-Weiß Oberviechtach

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