Totenbretter: Früher ein Weg zum Himmel, heute Hilfe im Trauerjahr

Oberviechtach
15.11.2022 - 17:18 Uhr
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Wenn Totenbretter verfaulen, geht nach altem Glauben die Leidenszeit der Seele zu Ende. Herbert Bösl aus Oberlangau hat für verstorbene Familienmitglieder Totenbretter angefertigt und aufgestellt. Sein Ansatz ist ein anderer.

Wer auf dem Gold-Lehrpfad im Oberviechtacher Ortsteil Unterlangau die Route 2 auf dem Falzbachweg wählt, kommt am Rande des Fichtenwaldes an einer Totenbretter-Gruppe vorbei. Neben teils verwitterten Brettern fallen drei noch relativ gut erhaltene Exemplare jüngeren Datums auf.

„Es war mir ein Bedürfnis, für meinen verstorbenen Bruder ein Totenbrett zu machen“, sagt Herbert Bösl aus Oberlangau im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Er spricht von einer schönen Tradition, aber auch davon, dass Georg Bösl, der 2004 im Alter von nur knapp 52 Jahren verstorben ist, den Weg immer gerne marschiert ist. „Es war früher der Kirchsteig zwischen Oberlangau und Pullenried“, berichtet Bösl, „ein Stück weiter mündeten auch die Gläubigen aus Mitterlangau in den Weg ein“.

„O Wanderer bedenke, ich ging den selben Weg wie Du“, beginnt deshalb auch der Spruch neben den Daten von Georg Bösl. Dieser hatte sich lange Zeit ehrenamtlich als Heimatforscher betätigt und viel Vergessenes zutage gefördert. Das ist mittlerweile auch zum Hobby des jüngeren Bruders Herbert geworden. „Bräuche ums Leben und Sterben gehörten in früheren Zeiten zum täglichen Leben“, stellt dieser fest. Als dann 2008 seine Mutter Else und 2011 der Vater verstarb, machte er sich ebenfalls daran, ein Totenbrett herzustellen. Noch im Trauerjahr hat er dazu ein Fichtenbrett gehobelt, geschliffen und mit weißer Farbe bestrichen.

Individueller Spruch

Bis er den Spruch mit einem Pinsel in schön geschwungenen schwarzen Buchstaben aufmalte, dauerte es noch einige Zeit. „Ich hab ein paar Wochen nachgedacht, welche Worte ich wähle“, sagt Bösl, denn diese letzten Gedanken „sollten die Person in Art und Wesen so fassen, wie ich sie gesehen habe“. Und er ergänzt: „Das war mir wichtig, dass sie so in Erinnerung bleiben.“ Damit habe er dann auch die Trauer abschließen können. Zum Gedenken an Else Bösl, die am 21. Juli 2008 im Alter von 89 Jahren verstarb heißt es: „Der Sorge um die Meinen, dem galt mein ganzes Tun. Drum sollt Ihr mir nicht weinen, denn ich kann friedlich ruhn.“ Der 1921 geborene Vater Georg Bösl verstarb im April 2011. Sein Spruch handelt „vom Leben voll Freud und voll Leid“, von Liebe und der Hoffnung „auf ein Wiedersehen in der Ewigkeit“.

Was heute etwas makaber anmutet, war früher praktische Lebenshilfe. Nachdem es keine Leichenhäuser gab, wurden die Verstorbenen bis zur Beerdigung zu Hause auf einfachen Holzbrettern – zugedeckt nur mit einem Leinentuch – aufgebahrt. Die Bretter wurden danach vielerorts nicht verbrannt, sondern mit den persönlichen Daten und einem Vers versehen am Wegrand aufgestellt. So war es auch in der früheren Gemeinde Langau. Vorm Bau der Straße wurden die Totenbretter dann zu einer Gruppe zusammengefasst und am Stamm einer mächtigen Fichte am Kirchsteig nach Pullenried befestigt.

Während in vielen Gegenden, wie auch im Bayerischen Wald, die Totenbretter senkrecht aufgestellt wurden, hat man sie in der östlichen Oberpfalz horizontal und meist in geringer Entfernung zum Boden angebracht. Oft waren es mehrere Bretter übereinander, die an einen Baum, einen Holzpflock oder an eine Kapellenwand genagelt die Zeit über sich hinweggehen ließen. Die Totenbretter-Gruppe bei Oberlangau gehört zu den wenigen noch erhaltenen und eindrucksvollen Beispielen des früheren Totenbrauchtums. Drei ebenfalls noch gut erhaltene Bretter der Familie Herrmann aus Oberlangau sind hier horizontal aufgestellt, während alle anderen waagrecht angebracht sind. Nahezu ungeschützt der Witterung ausgesetzt, sind einige bereits stark vergraut.

Mahnung fürs Gebet

Die frommen Sprüche sollten die Vorübergehenden an ein Gebet für die „armen Seelen“ mahnen. Je mehr Menschen ein Kreuzzeichen machten oder beteten, umso schneller konnte nach früherer Auffassung der Tote in den Himmel kommen. Man sagte aber auch, dass die Seele ihre Ruhe habe, wenn das Totenbrett verblichen und vermodert ist. „Manchmal wurde das Brett auch direkt auf den Boden gelegt“, berichtet Herbert Bösl, „am liebsten in eine feuchte Wiese oder über einen Bach, damit es schneller verrottete“.

Die Bretter neueren Datums sind keine „Leichenbretter“ mehr, sondern als Erinnerung an liebe Verstorbene angefertigt. Herbert Bösl wandert des öfteren am Kirchsteig nach Pullenried. Ein kurzes Gedenken an der Totenbretter-Gruppe ist dabei selbstverständlich und viel mehr als nur eine Tradition.

 
 

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