Traumjob in kalten Kirchen: Florian Schuster bildet in Oberviechtach Orgel-Nachwuchs aus

Oberviechtach
13.12.2021 - 17:44 Uhr
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Regionalkantor Florian Schuster kennt viele Kirchen von Cham bis Weiden: Er bildet den Nachwuchs an den Kirchenorgeln mit Hauptsitz in Oberviechtach aus. Hier profitiert nicht nur die Pfarrgemeinde vom Können des ehemaligen Domspatzen.

Regionalkantor Florian Schuster unterrichtet Nicola Hummer aus Eslarn im Auftrag der Diözese an der Kirchenorgel.

Die berufliche Aufgabe von Florian Schuster (26) ist auf einen einfachen Nenner zu bringen: Für die Kirchenmusik zu begeistern. Beim Gespräch mit der Oberpfalz-Medien-Redaktion wird schnell klar, dass ihm das nicht schwerfällt. Ausgefüllt mit eben dieser Begeisterung hat der Absolvent der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg im September 2019 die neugeschaffene Stelle als Regionalkantor mit Dienstsitz in Oberviechtach angetreten. Und auch wenn die Corona-Pandemie seit März 2020 vieles im Bereich Musik und Kultur im Keim erstickt, schwärmt der 26-Jährige davon, "was für ein toller Job das ist".

Schusters Arbeitgeber ist die Diözesanfachstelle für Kirchenmusik. Regionalkantoren sind fahrende Kirchenmusiker, die vor Ort Chorleiter und Organisten ausbilden. Der Unterricht ist kostenlos, sozusagen eine Investition in die musikalische Zukunft der Pfarreien. Die Regionalkantoren betreuen aber auch selbst eine Pfarrei. Florian Schuster spielt in der Stadtpfarrkirche Oberviechtach in der Regel an drei Gottesdiensten in der Woche die Kirchenorgel (Vorabendgottesdienst am Samstag, sowie am Sonntag um 10.30 Uhr und am Mittwoch um 9.15 Uhr). Daneben leitet er den Kirchenchor St. Johannes, gibt Konzerte und komponiert.

Acht neue Stellen in der Diözese

"Ich hab gar nicht gewusst, dass es den Beruf gibt", meint der sympathische junge Mann lachend. Als er sich um eine der acht neugeschaffenen Stellen in der Diözese Regensburg bewarb, hatte er das Studium noch nicht abgeschlossen: "Ich dachte gar nicht, dass das klappt." Eigentlich war sein Plan, sich beruflich deutschlandweit zu orientieren. Mittlerweile wohnt der gebürtige Regensburger, der in Mintraching aufgewachsen ist, am Dienstsitz Oberviechtach, der die Bereiche der Landkreise Schwandorf, Cham und Neustadt/WN umfasst.

Werktags ist der Regionalkantor von Cham bis Weiden unterwegs, um die Musikschüler an den Kirchenorgeln der jeweiligen Pfarrei zu unterweisen. Ein besonderes Exemplar gibt es in Söllitz mit einer historischen Orgel aus dem 19. Jahrhundert, "mit dem alten Spieltisch allerdings etwas schwergängig zu spielen". Stationen sind beispielsweise auch Döfering und Neunburg vorm Wald. In Oberviechtach ist aktuell niemand aus der Pfarreiengemeinschaft vertreten, allerdings unterrichtet Schuster zwei Schüler vom Ortenburg-Gymnasium, die bereits auch Gottesdienste musikalisch umrahmen.

Der Unterricht dauert 45 Minuten und kann derzeit in Präsenz unter 2G-Bedingungen mit Maske stattfinden. "Der Digital-Unterricht war unglaublich anstrengend und unergiebig", erinnert sich Schuster an die lange Lockdown-Phase in 2020 zurück. Einige der rund 20 Schüler pausierten in dieser Zeit, abgesprungen sei aber niemand. Das ungewöhnliche Hobby "Kirchenorgel spielen" ist nicht an ein Alter gebunden. "Meine Schüler sind derzeit zwischen 12 und 55 Jahren", berichtet der Ausbilder. Er habe aber auch schon deutlich Jüngere unterrichtet. Wer Interesse hat, kann über seinen Ortspfarrer Kontakt aufnehmen, oder auch über das Sekretariat der Seelsorgeeinheit in Oberviechtach (Telefon: 09671/1557). Einzige Voraussetzung: Etwas Klavierkenntnisse, "damit die Finger schon laufen, wenn die Füße dazukommen."

Freude mit Eisenbarth-Orgel

Eine der ersten Schülerinnen des Regionalkantors mit Vollzeitstelle ist Nicola Hummer aus Eslarn. Nachdem die dortige Kirchenorgel derzeit restauriert wird, fährt sie gerne ein paar Kilometer weiter nach Oberviechtach: "Nach einem stressigen Tag zu spielen, das ist wie Meditation. Und es macht einfach nur Spaß." Sie lernt an der Eisenbarth-Orgel, die aus der berühmten Orgelbauwerkstatt Eisenbarth in Passau stammt, dass es "ohne Zählen nicht geht", wie sie lachend berichtet. Auch Florian Schuster schätzt das 2012 aufgebaute Instrument: "Die Orgel ist ein Traum, und der Klang passt super zur Kirche."

Der ausgebildete Kirchenmusiker verbringt seine Freizeit gerne mit den weißen und schwarzen Tasten, die auch am E-Piano in der Mietwohnung präsent sind: "Ich liebe es zu Üben. Mindestens vier Stunden am Tag schaffe ich immer." Und er ergänzt lachend: "Ein Tag ohne und ich bin unglaublich unruhig." Auf dem Notenpult liegen nicht nur kirchenmusikalische Werke, denn privat ist der 26-Jährige für alles offen, auch für Pop und Jazz. Er kauft gerne neue Noten, "nicht um sofort zu spielen, sondern um darin zu Hause zu lesen." Trotz jugendlichem Alter treibt ihn eine Sorge um: "Es gibt so viel gute Musik und zu wenig Zeit. Ich werde leider nie alles spielen können, was ich im Notenschrank habe." Als neuesten Zuwachs erwartet er diese Woche eine Komposition von Sigfrid Karg-Elert (1877-1933). Auf Nachfrage verrät Schuster, dass auch er komponiert. "Ein nettes Hobby" wiegelt er bescheiden ab. Doch alle, die beim Patrozinium im Juni dabei waren, bekamen seine "Messe für Sopran, Trompete und Orgel" bereits zu hören.

Start mit Gitarre

Die Ursprünge liegen in der Kindheit, die allerdings nicht mit dem klassischen Musikunterricht begann: "Ich hab meine Eltern so lange genervt, bis ich mit fünf Jahren Gitarre lernen durfte." Es folgten Blockflöte und ab der dritten Klasse dann Klavier. Die Lehrerin sei zufrieden mit seinen Fortschritten gewesen, auch wenn er lieber "mit Tönen und nicht nach Noten spielte". Nachdem er immer schon gerne sang, war auch der Weg zu den Regensburger Domspatzen vorgezeichnet. Hier kam dann die Kirchenorgel ins Spiel, wobei der Jugendliche sich den Umgang damit zunächst selber beibrachte. Während des Studiums lernte er als drittes Instrument B-Klarinette.

Montags gibt Florian Schuster Musikunterricht an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg in den Fächern Orgel und Improvisation: "Für den Gottesdienst ist Improvisation wichtiger als Literaturspiel." An seinem freien Spiel können sich nicht nur die Gottesdienstbesucher erfreuen: Im November 2021 begeisterte er mit seinem ersten Konzert in Oberviechtach.

Im Dezember sind noch einige Urlaubstage drin, denn auf Empfehlung der Diözese ruht auch der Probenbetrieb des Kirchenchors. Langweilig wird es Florian Schuster dabei sicher nicht: "Ich bin glücklich, wenn ich sieben Stunden am Tag Zeit zum Üben habe." Aktuell hat er Werke von Bach am Spieltisch liegen, samt harmonischen Veränderungen über das Weihnachtslied "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Diese bekannte Melodie wird die Besucher der Gottesdienste am Heiligen Abend und am ersten Weihnachtsfeiertag erfreuen.

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Die Königin der Instrumente auf der Empore der Pfarrkirche Oberviechtach: Florian Schuster ist hier fast täglich beim Üben oder Unterrichten anzutreffen.

"Für den Gottesdienst ist Improvisation wichtiger als Literaturspiel."

Regionalkantor Florian Schuster

Regionalkantor Florian Schuster

Hintergrund:

"Musik in der Liturgie": Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte

Musik gehört wesentlich zum Gottesdienst. Egal, ob die Gemeinde selbst oder der Kirchenchor singt, ein Instrumentalensemble oder die Orgel spielt - eine musikalische Umrahmung der Messfeier ist nicht wegzudenken.

  • Das Diözesanreferat Kirchenmusik im Bistum Regensburg verweist auf seiner Homepage darauf, dass dies nicht immer so war.
  • Über Jahrhunderte war Instrumentalmusik verpönt, nur Gesang durfte in der Liturgie verwendet werden.
  • Dagegen war es beispielsweise im 19. Jahrhundert beliebt, konzertante, opernhafte Musik im Gottesdienst – im wahrsten Sinne des Wortes – aufzuführen, sodass die eigentliche liturgische Feier zur Nebensache geriet.
  • Papst Pius X. ordnete daraufhin die Kirchenmusik zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu: Zugelassen war fortan einerseits der Gregorianische Choral und vokale Chormusik, aber andererseits auch moderne Musik, sofern ihr Stil nicht weltlichen Ursprungs war und die liturgischen Normen berücksichtigte.
  • Infolge der Neuordnung der Liturgie durch das II. Vatikanische Konzil in den 1960er Jahren erfuhr die Kirchenmusik dann eine weitere Öffnung: Die Kirche verschließt ihre liturgischen Handlungen keiner Art von Kirchenmusik, sofern sie dem Geist der betreffenden liturgischen Handlung und dem Wesen ihrer einzelnen Teile entspricht.
 
 

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