Obwohl 2020 das Jubeljahr der Oberwildenauer Blaskapelle war, legte der Leiter und Dirigent der Blaskapelle, Bernhard Meiler den Taktstock und sein Instrument aus der Hand. Er und seine Musiker warten auf das Ende der Coronapandemie. Im Probenraum im Naabtalhaus, der so aus aussieht, als seien die Musiker der Blaskapelle gerade erst heimgegangen, könnte mit den Proben sofort wieder begonnen werden, wenn es die Hygienebestimmungen zulassen. Momentan ist Meiler, seit 1980 Leiter und Dirigent der Blaskapelle, hier ganz allein und schaut gedankenverloren auf die vielen Erinnerungsstücke an Auftritte in der Region, in Übersee und im Besonderen in zwei Jahrzehnten beim Kölner Karneval.
Wenn die Pandemie vorbei ist, erhofft sich Meiler für seine Blaskapelle wieder den Aufschwung, der in einer völlig anderen Gesamtsituation im Jahr 1950 zur Gründung der Blaskapelle geführt hatte. Damals, fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, war der Aufbruch überall spür- und sichtbar. In Oberwildenau wurde kräftig gebaut, die Einwohnerzahlen schnellten nach oben, Sport und Geselligkeit wurden großgeschrieben. Schon kurz nach dem Kriegsende 1945 schlossen sich drei Musikerfreunde aus Oberwildenau zu einer Tanzkapelle zusammen, die besonders in der Faschingszeit in Oberwildenau, Luhe sowie in der näheren Umgebung zum Tanz aufspielte.
Größte Mühe
1950 beschlossen die Musikfreunde Josef Betz, Josef Bäumler und Josef Wällisch, die Tanzkapelle zur Blaskapelle zu vergrößern. Im September 1950 gehörten Josef Betz (Posaune und Tenorhorn), Josef Bäumler (Bass), Josef Wällisch (Trompete), Bruno Malner (Klarinette), Adolf Klier (Tenorhorn), Georg Meiler (Tenorhorn), Richard Mutzbauer (Posaune), Georg Knorr (Trompete), Rudi Böhm (Trompete) und Horst Exner (Schlagzeug) zur neu gegründeten Formation. Doch alleine mit der Gründung der Blaskapelle Oberwildenau war es nicht getan. Die größte Mühe bereitete die Anschaffung des Basses, den letztlich Josef Bäumler auf eigene Kosten beschaffte, die anderen Musiker finanzierten ihre Instrumente ebenfalls aus eigener Tasche.
Nur wenige Oberwildenauer kennen noch den Übungsraum der Blaskapelle: Die einstige Schusterwerkstatt von Josef Bäumler in der damaligen Schustergasse, heute als Frühlingsstraße ein Begriff. Erster Leiter der Blaskapelle Oberwildenau war Josef Betz aus Luhe. Er brachte viel Notenmaterial mit, das er auf eigene Kosten erwarb. Das war dann auch die Zeit als sich die Kapelle um weitere aktive Mitglieder wie Michael Meier und Emil Schwab vergrößerte.
Erster öffentlicher Auftritt
Der erste öffentliche Auftritt fand am Silvesterabend 1950 im Saal der Gastwirtschaft Neumann in Oberwildenau statt. Heute kaum noch vorstellbar: Zu ihren Auftritten in Bechtsrieth, Trebsau oder Hochdorf gingen die Musiker mangels Fahrgelegenheit zu Fuß und dann mit sechs Mark Gage in der Tasche wieder nach Hause. Bei Veranstaltungen jeglicher Art, freudigen oder traurigen Anlässen, war die Blaskapelle Oberwildenau gefragt, deren Leitung von 1952 bis 1954 Josef Bäumler als Nachfolger von Johann Betz innehatte. Josef Wällisch führte anschließend ein Vierteljahrhundert die Blaskapelle Oberwildenau bis zum Jahr 1979. Der ausgezeichnete Ruf der Kapelle sorgte für Auftritte im fränkischen Fürth und nahe der Ortschaft Feucht. Heute nicht mehr denkbar: Dorthin fuhren die Mitglieder der Blaskapelle auf der Ladefläche eines Landkraftwagens.
Nach dem Tod von Gründungsmitglied Bäumler im Juli 1961 wurde es bis 1968 etwas ruhiger im Jahresablauf der Kapelle. Ab 1970 ging es wieder aufwärts. Fortan führten die Auftritte wieder in die weitere Umgebung, Vereinsjubiläen am Ort wurden mitgestaltet. In den folgenden Jahren war die Blaskapelle voll ausgebucht. Meiler erinnert sich, dass die Kapelle mit ihren Hobbymusikern in einem Jahr einmal 112 Auftritte hatte. Wenn Bernhard Meiler über diese Glanzzeit spricht, kommt er ins Schwärmen und mit der Auflistung und Nennung aller Auftritte kaum nach. Die damalige Art der Blasmusik, wie sie in den Bierzelten gespielt wurde, gibt es nach Ansicht Meilers kaum noch. Doch unabhängig davon, macht sich das Nachwuchsproblem bei den Musikern bemerkbar. „Wir spielen jetzt mit 18 Männern und Frauen, früher waren wir 25.“ Das Problem einer Kapelle liegt nach Einschätzung des Kapellenchefs auch in der Arbeitszeit seiner Musiker. Frühschicht, Nachmittagsschicht, Nachtdienst machen die Proben schwer. Während Corona hat die Blaskapelle nach den Worten Meilers vier Mal im Freien mit Abstand geprobt.
Mit der Übernahme der Leitung der Kapelle und des Amtes als Vorsitzender durch Meiler 1980 wurde die Blaskapelle Oberwildenau zum Verein.
Doch unabhängig davon, das Bestreben der Blaskapelle mit ihren Auftritten und den daraus resultierenden Einnahmen Gutes zu tun, blieb aufrechterhalten. So wurde einem Opfer des Bombenattentates beim Münchner Oktoberfest geholfen und auch die „Aktion Sorgenkind“ des ZDF unterstützt.
Wehmut kommt auf
Im Probenraum im Keller des Naabtalhauses kommt beim Rundgang Wehmut beim Blaskapellenchef auf. Er zeigt auf die neu gekaufte Verstärker- und Lautsprecheranlage hin, die wegen Corona noch nie zum Einsatz gekommen ist. „Kleinere Feste spielen wir ohnehin ohne Verstärker“, ergänzt Meiler. Ein paar Meter weiter ist die „Hirschauer Ecke“, seit 1976 der sichtbare Beweis für die Patenschaft mit dem „Hirschauer Musikzug“. Nahtlos geht es über zur eigenen Vereinswand mit der von Adolf Pöllmann im Jahr 1970 gestifteten Vereinstafel. Auf der gegenüberliegenden Wand wird die Erinnerung an die Reise nach Amerika geweckt, aber auch an den Kölner Karneval, den die Blaskapelle Oberwildenau 20 Jahre bereicherte. Diese Freundschaft mit den „Funken“ ging sogar soweit, dass die Blaskapelle 2005 in den Uniformen der Karnevalisten beim Jubiläum der Narrhalla Erding auftrat.
Mehrere Regale umfasst das Notenmaterial für das Hauptrepertoire der Blaskapelle: böhmisch-bayerische Blasmusik mit dem Trend zum Egerland. Das gestapelte Notenmaterial ist für Meiler der Moment, die Wichtigkeit der rund 100 passiven Mitglieder des Vereins hervorzuheben. „Ohne die wäre vieles nicht möglich“, sagt er und listet dazu die Ausgaben für den Notenkauf, die Gema, für den Nordbayerischen Musikbund und Versicherungsbeiträge auf. „Das Schöne aber ist, dass wir hier im Naabtalhaus keine Miete bezahlen brauchen.“
Am Ende seiner Erzählungen macht der Kapellenchef doch seinem Frust über die derzeitige Situation Luft. „Wir halten uns total an die vorgegeben Regeln. Aber eines ist gewiss: Kultur, Tradition bei Vereinen, Kirchen und Gasthäusern gehen seit März vergangenen Jahres, dem Zeitpunkt unseres letzten Auftrittes, verloren. Die Politik sollte sich Gedanken über das Weitergehen machen, weil die jetzigen Abläufe in den nächsten Jahren nicht so schnell aufgeholt werden können.“
„Wir halten uns total an die vorgegeben Regeln. Aber eines ist gewiss: Kultur, Tradition bei Vereinen, Kirchen und Gasthäusern gehen seit März vergangenen Jahres, dem Zeitpunkt unseres letzten Auftrittes, verloren."
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