Parkstein
17.05.2019 - 14:24 Uhr

Opas, Profis und Promis: Ein Parksteiner nimmt Euro-Parlamentarier unter die Lupe

Darauf muss man erst mal kommen: Cem Özdemir hat etwas mit Silvio Berlusconi gemeinsam, Nana Mouskouri mit Reinhold Messner. Herausgefunden hat es ein Parksteiner.

Wer sich die Mühe macht, die 520 Seiten starke Doktorarbeit von Uli Hausner durchzuackern, stößt auf vieles, das auch fünf Jahre danach noch Gültigkeit hat. Das haben wohl die Prüfer der Uni Regensburg ebenso gesehen. Sie bewerteten das Ergebnis mit „magna cum laude“. Bild: exb
Wer sich die Mühe macht, die 520 Seiten starke Doktorarbeit von Uli Hausner durchzuackern, stößt auf vieles, das auch fünf Jahre danach noch Gültigkeit hat. Das haben wohl die Prüfer der Uni Regensburg ebenso gesehen. Sie bewerteten das Ergebnis mit „magna cum laude“.

Das verbindende Element zwischen der griechischen Schlagersängerin und dem Südtiroler Bergfex, dem früheren italienischen Skandalpremier und dem Ex-Grünen-Chef findet sich in einer Doktorarbeit. 2016 promovierte der Politikwissenschaftler Uli Hausner zum Thema "Karrieredestination Europäisches Parlament: Konservativ-christdemokratische und grüne Abgeordnete im Vergleich".

Jahrelang untersuchte er 1400 Abgeordnetenbiografien von Straßburger Parlamentariern aus 27 Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Kroatiens, das damals noch nicht in der EU war. Dabei schaute sich Hausner die Wahlperioden zwischen 1979 und 2014 an. Er nahm weniger die Politik der einzelnen Abgeordneten unter die Lupe, sondern ihren Werdegang. Daraus entwickelte er eine Typologie, die Mandatsträger in fünf Kategorien einordnet.

Damit es nicht zu sehr ausufert, konzentrierte sich Hausner bei seiner Analyse auf konservative und grüne Abgeordnete. "Ich denke aber, das lässt Schlüsse auf das gesamte Parlament zu." Wichtig ist dabei auch, wie sich der institutionelle Rahmen verändert hat. Das Europaparlament kam zum ersten Mal 1979 zusammen und besaß kaum Macht.

Damals bildeten sich Klischees, die es zu geflügelten Worten gebracht haben. "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa." Will heißen: Brüssel und Straßburg sind Biotope für Austragspolitiker, die sich kein Bein mehr ausreißen. Bis 2004 gab es ferner in vielen Ländern Doppelmandate, bei denen ein Abgeordneter sowohl in Straßburg als auch im Heimatland im Parlament saß. "Das hat sicher nicht zur Arbeitsfähigkeit beigetragen", weiß Hausner. "Heute hat sich das enorm professionalisiert." Das ist auch an den Karrieremustern abzulesen, hat der Parksteiner festgestellt. Heute bilden die größte Gruppe im Parlament die "profilierten Europapolitiker", die den gesamten Kontinent im Blick haben. "Das hat mich schon etwas überrascht." Bekannte Namen aus Deutschland sind Elmar Brok (CDU), Daniel Cohn-Bendit (Grüne), Hans-Gert Pöttering (CDU) oder Ingo Friedrich (CSU). Hausner würde in dieser Gruppe auch Albert Deß (CSU) aus Neumarkt und Ismail Ertug (SPD) aus Amberg verorten. "Die haben durchaus wichtige Berichterstatterposten." Zwei weitere Gruppen sind miteinander ebenfalls groß. Zum einen die "Sprungbrettpolitiker", die über Europa am Aufstieg im Heimatland tüfteln. Dazu zählt Hausner Claudia Roth oder Friedrich Merz. Zum anderen die "national verankerten Karrierepolitiker", die via Europamandat die heimatliche Karriere absichern. Manchmal hat die zuvor durch einen Skandal oder eine Affäre einen Knick bekommen. In dieser Rubrik tauchen klangvolle Namen auf: Silvio Berlusconi, Jacques Chirac, Cem Özdemir, Nicolas Sarkozy, Armin Laschet. Bekanntheit schillert manchmal auch in der vierten Gruppe durch, bei den "European backbenchern". Das klingt etwas freundlicher als das deutsche "Hinterbänkler". Sie besetzen in der Regel keine wichtigen Positionen in Ausschüssen und scheiden oft nach einer Periode aus. Dafür sind sie manchmal überaus prominent: Nana Mouskouri vertrat die konservative griechische Nea Dimokratia, Reinhold Messner die Grünen, die Segel-Olympiasiegerin Theresa Zabell die spanische Volkspartei.

Bleiben die klischeebehafteten Opas und Omas für Europa. Hausner nennt sie "erfahrene Politveteranen". Ihr Merkmal ist das Mandat am Ende einer nationalen Karriere. Prototypen sind der frühere bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel, der 1979 mit 73 Jahren ins Parlament einzog, oder der ehemalige belgische Premier Wilfried Martens. Auch Monika Hohlmeier fällt laut Hausner in diese Kategorie.

Interessant sind nationale Unterschiede. So fiel Hausner auf, dass die Durchlässigkeit zwischen einem Sitz im heimischen und im EU-Parlament in Spanien und Portugal relativ hoch ist und Wechsel recht häufig sind. Das bedeutet, dass nach Wahlen in beiden Institutionen oft Köpfe auftauchen, die zuvor schon ein anderes Mandat innehatten.

Laufbahnen in Großbritannien verliefen dagegen meist strikt getrennt - entweder national oder europäisch. Zudem entsandten die Briten gerne Politveteranen auf den Kontinent. Weit bevor das Wort Brexit überhaupt erfunden war, lässt dies auf eine gewisse Distanz zur EU schließen. Ganz anders die Osteuropäer, die 2004 beitraten. "Sie haben oft profilierte, europabegeisterte Leute geschickt, weil sie von Anfang an eine starke Vertretung wollten." Im Zeitalter der Orbáns, Kaczynskis und Zemans wäre die Frage spannend, ob dies immer noch so ist. Hausners Untersuchung endet 2014.

Im Nachhinein lag er - aber auch viele andere - zumindest bei einem Parlamentarier etwas daneben. Manfred Weber, den viele als CSU-Chef gehandelt haben, stufte Hausner als "nationalen Karrierepolitiker" ein. Der Aspirant auf den Chefsessel der Kommission dürfte inzwischen ins Lager der "profilierten Europapolitiker" Zugang haben.

Zur Person:

Dr. Uli Hausner hat am Augustinus-Gymnasium Abitur gemacht. Danach studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Regensburg. Nach dem Masterabschluss promovierte er bei Professor Martin Sebald. Erste berufliche Erfahrungen sammelte der heute 33-Jährige beim Landesverband der Grünen in Bamberg. Dort hat die kommunalpolitische Vereinigung der Partei ihren Sitz. Danach holte ihn Landtagsfraktionssprecher Ludwig Hartmann in sein Büro. Als Europaexperte ging er danach zu einer Beratungsfirma in München, die Unternehmen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen Wege aufzeigt, ihre Anliegen in EU-Institutionen vorzubringen. Seit sechs Wochen ist Hausner zu seinen beruflichen Wurzeln zurückgekehrt. Er wechselte als Vorstandsreferent zur Landtagsfraktion der Grünen. Dort arbeitet er den Fraktionschefs Ludwig Hartmann und Katharina Schulze zu. Er plant Termine, Auftritte im Plenum und Strategisches – alles, was neudeutsch „Stakeholdermanagement“ heißt. Der frühere Mittelfeldabräumer des SV Parkstein und des SV Altenstadt lebt in München-Haidhausen. Seine Frau ist ebenfalls Parksteinerin: Katharina Trescher, eine Grundschullehrerin. Wenn die beiden Zeit haben, fahren sie nur ab und an in die Oberpfalz. Weil die Alpen nah sind, entspannen sie gern mal bei einer Bergtour. (phs)

ONETZ: Bei der Beschäftigung mit den EU-Parlamentariern: Wer hat Ihnen am meisten imponiert?

Uli Hausner: Da möchte ich allen voran zwei Frauen aus der Vergangenheit nennen. Die Französin Simone Veil, die 1979 zur ersten Präsidentin des Europaparlaments gewählt wurde und Auschwitz überlebt hat. Die zweite wäre die „Großmutter der Europäischen Union“, Louise Weiss, ebenfalls aus Frankreich. Mit 86 Jahren war die Journalistin und Schriftstellerin die älteste Abgeordnete im ersten direkt gewählten Parlament. Sie war eine Vorkämpferin für eine europäische Gesellschaft.

ONETZ: Und von den heutigen Abgeordneten?

Uli Hausner: Beeindruckend fand ich in letzter Zeit vor allem die leidenschaftlichen Reden von Guy Verhofstadt von den belgischen Liberalen.

ONETZ: Die Eurowahl gilt manchen Bürgern als nachrangig. Wie kann man Menschen motivieren, hinzugehen?

Uli Hausner: Ich habe das Gefühl, vielen Jüngeren ist sehr wohl bewusst, wie wichtig Europa ist und wie sehr es die Lebensbereiche von jedem tagtäglich beeinflusst – Beleg hierfür ist die Fridays-for-Future-Bewegung. Allen muss klar sein: Wir entscheiden über unsere eigene Zukunft, und über die Frage, ob wir sie den Rechtspopulisten überlassen wollen. Und wirtschaftlich sind wir nur als EU mit mehr als 500 Millionen Einwohnern mit China oder den USA auf Augenhöhe.

ONETZ: Wen wünschen Sie sich als Nachfolger von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission?

Uli Hausner: Die Entscheidung darüber treffen die Wähler. Das ist der Vorteil am System der Spitzenkandidaten – jede europäische Partei, die die Wahl gewinnt, wird sich schwertun, ihrem Spitzenkandidaten den Sprung an die Spitze der Kommission zu verweigern. Mit Manfred Weber ist ein Niederbayer Favorit – wenn er es schaffen sollte, steht er vor großen Herausforderungen. Eine wird sein, die EU weiter zu demokratisieren, indem er unter anderem das Parlament stärkt.

ONETZ: Was halten Sie – soweit bekannt– von den Oberpfälzer Kandidaten für das Parlament?

Uli Hausner: Ismail Ertug von der SPD hat sich in Brüssel einen Ruf als Verkehrspolitiker erarbeitet. Den CSUler Christian Doleschal, der neben Ertug als einziger Oberpfälzer gute Chancen hat, kenne ich nicht. Sein Vorgänger Albert Deß ist ja vor allem durch diverse Interessenkonflikte in der Agrarpolitik aufgefallen.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.