Paulsdorf bei Freudenberg
08.03.2020 - 14:14 Uhr

Die Misere der Grundschullehrer

Wer wählt einen Job, in dem Teilzeit nur stark eingeschränkt möglich ist, Mehrarbeit kaum ausgeglichen werden kann und es weniger Geld gibt, weil man eine Ausnahme ist? Vermutlich niemand. Und das ist das Problem.

Gerd Nitschke ist Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes. Bild: upl
Gerd Nitschke ist Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes.

Es gibt zu wenig Lehrer, und daher müssen innerhalb weniger Monate einige Lebensplanungen über den Haufen geschmissen werden. Es herrscht große Unsicherheit, was die Vorgaben von Kultusminister Michael Piazolo für das eigene Berufsleben bedeuten, daher lud der BLLV einen Experten nach Paulsdorf, um Licht ins Dunkel zu bringen. Gerd Nitschke, BLLV-Vizepräsident und Hauptpersonalratsvorsitzender, erläuterte vor vielen interessierten Lehrkräften zunächst, wie sich die bayerische Staatsregierung selbst in diese Misere manövriert habe. „Es muss doch ein Alarmzeichen sein, wenn ich seit Jahren jeden Lehrer mit bestandener Prüfung in den Staatsdienst nehmen muss.“ Ausbaden müssen es nun die Grundschullehrer. Und zwar nur diese, denn „für die Mittelschule wissen sie im Ministerium bereits, dass sie nie genügend Lehrkräfte haben werden, um die Mehrstunden wieder auszugleichen“, so Nitschke. Die Situation verschärfe sich in den kommenden Jahren sowohl an der Grund- als auch an der Mittelschule, weil die so genannten Zweitqualifikanten („fertige“ Lehrer aus anderen Schularten, die unter bestimmten Voraussetzungen an Grund- und Mittelschulen unterrichten) vermehrt in ihre eigenen Schulen zurückgezogen werden. „Es wird spannend“, prognostizierte der BLLV-Vize.

Auch zum Stichwort Besoldung klärte Nitschke seine Lehrerkollegen auf. „Leben und Sterben in A 12“, so wie es früher gewesen sei, sei heute dank der Bemühungen seines Verbandes für immer mehr Lehrer abgewendet. „Es wissen viele gar nicht, dass bereits knapp die Hälfte der Lehrkräfte in einem Beförderungsamt gelandet sind.“ Doch das reiche nicht aus. Für ein paar hundert Euro mehr im Monat würde sich keiner mehr freiwillig für das Amt eines Konrektors oder Schulleiters entscheiden, wie auch Anwesende bestätigten. Die Arbeit explodiere, einige leiten zwei Schulen auf einmal und die Stunden, die sie für die Leitung zugestanden bekommen, sind absolut unzureichend. Auch hier gäbe es dringend Handlungsbedarf.

Doch statt den Grund- und Mittelschullehrberuf durch deutlich verbesserte Bedingungen und Bezahlung aufzuwerten, um die Lehrkräfte zu entlasten und um genügend Studenten zu gewinnen, setze Piazolo auf seine sofortigen Maßnahmen, die weit ihren Zweck verfehlen könnten. Bei vielen Lehrkräften, die sich bewusst mit wenigen Stunden (und damit Gehalt) im Schuldienst halten, könnte dies zu teils enormen gesundheitlichen Problemen führen. Aus 14 Stunden plötzlich 25 zu machen, ginge schlichtweg nicht so ohne weiteres. Zum Vergleich: Das entspricht einer Teilzeitveränderung von 50 Prozent auf 86 Prozent – ohne bessere Bezahlung, ohne spürbar verbesserte Bedingungen. Ausfälle dieser Art, aber auch völlige Verzichte beispielsweise von Müttern mit kleinen Kindern, in den Schuldienst zurückzukehren, könne einen kräftigen Strich durch die optimistischen Überlegungen des Kultusministers machen.

Was kann nun der Einzelne tun? Auch hier wusste Gerd Nitschke Rat: „Jeder muss für sich prüfen, ob er nicht die Bedingungen beispielsweise für geringere Teilzeitstunden oder Schwerbehinderung in irgendeiner Form tatsächlich erfüllt.“ Und wenn es gar nicht mehr ginge, müsse der Staat auch den Einzelfall genauer prüfen. „Traut euch was zu machen, wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, um richtig für die Kinder arbeiten zu können!“ Er wies auf die Möglichkeit der Überlastungsanzeige hin und ermutigte auch zu Petitionen an den bayerischen Landtag. Nur so wache die Politik auf, weil sie jeden Fall auch bearbeiten müsse.

Nitschke beantwortete während seines Vortrages immer wieder Zwischenfragen, stellte sich auch kritischen Stimmen, machte aber die Erfolge und Absichten des BLLV deutlich. Jeder Fall müsse für sich geprüft werden und Hilfe dazu bekämen Ratsuchende beim Verband. „Nicht der BLLV kann vor Gericht ziehen, das muss der Einzelne machen. Aber der BLLV kann und wird euch hier unterstützen.“

 
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