"Barrierefrei und ohne Maske einsehbar": Mit diesen Worten wirbt der Künstler Heiko Herrmann für die aktuelle Ausstellung in der "Kunsthalle", einem Container mit Fenstern am Bayerisch-böhmischen Freundschaftsweg. Der Titel: "Netzwerke aus 25 Jahren Pertolzhofener Kunstdingertage". Hier hat er Weggefährten aus 25 Jahren um sich versammelt, Skulpturen und Bilder, die stellvertretend stehen für die Teilnehmer an dem jährlichen, 14-tägigen Künstlertreffen.
Die Pertolzhofener Kunstdingertage haben seit einem Vierteljahrhundert Kunstschaffende und Galeristen aufs Land gelockt, Dorfbewohner in Berührung mit moderner Kunst gebracht und für ausgelassene Feste gesorgt. Doch die Pandemie bescherte schon im vergangenen Jahr eine Zwangspause, und auch heuer sah der Pertolzhofener Kunstvereinsvorsitzende und Organisator keine Chance für die Begegnung. "Maske, Hygieneregeln und die ewige Panik vor Ansteckung, das macht keinen Spaß", argumentiert der 68-Jährige.
Zumindest einen kleinen Ersatz für die am Ende des jeweiligen Treffens vorgesehene Ausstellung bieten nun die Bilder und Objekte im Container, der inzwischen nicht mehr isoliert am Radweg steht, sondern eingebunden ist in eine Landschaft aus Vereinsgebäuden, Sitzgruppen und Spielplatz. Jetzt sei die Kunst "in der Mitte der Dorfgesellschaft angekommen", scherzt Herrmann und freut sich über die Integration ebenso wie über die Stodl-Wirtschaft mit Bierautomat nebenan. "Das ist in meinen Augen die Zukunft", sagt er und erinnert sich an die ersten Kunstdingertage, als es im Ort noch fünf Gasthäuser gab, vom "Almwirt" bis zur Disco.
Geschenke an den Vorsitzenden
Im Container deutet er als erstes auf ein Schriftstück von Heribert Heindl. "Wenn die Woche und Sie am Ende sind, ist das ein guter Anfang", steht da. "Das passt ganz prima zu den Kunstdingertagen, denn wenn man hier ankommt, weiß man auch nicht gleich, was man anfangen soll", beschreibt der Initiator des jährlichen Treffens die Startschwierigkeiten der Künstler. Hat sich da ein Autor hierher verirrt? "Ein Multitalent", so die Einschätzung von Herrmann und schmunzelt, "einer, der hier alle Leute ausgefragt hat". Auf solche Sonderlinge wartet man heuer vergebens.
Bleiben die Werke: Viele sind Geschenke an den Kunstvereinsvorsitzenden, einige hat er eingetauscht gegen eigene Skulpturen oder Bilder. "Das hier ist von Paul Schinner", sagt Herrmann und deutet auf ein Bild des Nabburger Künstlers mit ziemlich viel Schwarz. "Er war der erste, den ich hier gekannt habe." Ihn habe er vor 30 Jahren gefragt, ober er, Hermann, wohl mit den Oberpfälzern klarkommen würde. Die Antwort: "Wenn einer, dann du." Das habe sich dann auch bewahrheitet, erzählt der 68-jährige Münchener, der sich damals auf dem Land einen zweiten Wohnsitz zugelegt hat.
Waller zur Verköstigung der Gäste
So viele verschiedene Menschen hat er seitdem hierher eingeladen, so viel Lebensfreude genossen. Ein Bild mit blauem Hintergrund und großem Kopf sticht ins Auge. "Das bin ich, ein Porträt", sagt Herrmann und deutet auf das kleinformatige Werk von Irene Fastner. Damals, bei den Kunstdingertagen, als Nachbarn ihm einen Waller zur Verköstigung der kreativen Gäste schenkten. Ewig lange habe man den kochen müssen, so lange, dass reichlich Alkohol floss, bis der Fisch auf dem Teller landete.
Viele solcher Anekdoten gibt es längst schriftlich in einem kleinen Büchlein zu den Kunstdingertagen oder in den "Pertolzhofener Heften", die der Kunstverein herausgibt. In einem dieser Hefte kommt auch zur Sprache, wie die Kunst inzwischen das Dorfleben prägt: "Gerüchte vermelden, dass in jedem Pertolzhofener Haus Kunst von den Kunstdingertagen existiert, als Zeichen des vollzogenenen Kulturaustausches oder auch nur als stolze Trophäe aus der jährlich stattfindenden Tombola." Letztere muss heuer auch ausfallen.
Erinnerungsstücke im Container
Nur zum Anschauen sind im Container die Erinnerungsstücke an diesen Austausch: eine Tonkugel mit Durchschuss von Cornelia Röhl, der "Boogie Woogie" von Monika Gebhart oder das Wespennetz aus Tapetenstreifen von Sabrina Hohmann sowie ein zarter Siebdruck von Maja Vogl neben der Gemeinschaftsarbeit "Es wird Nacht Senorita" von Stewens Ragone und Annette Reichhardt. Wann für die 26. Kunstdingertage nach der Pandemie die Sonne aufgehen wird, das steht in den Sternen. Weil das Aufeinandertreffen, Kochen und Kreieren doch ganz schön anstrengend ist, denkt Gastgeber Herrmann mit Bezug auf sein Alter an eine "Schrumpfung" von zwei Wochen auf auf ein paar Tage. "Allerdings sind diese Tage auch immer ein Anlass, einmal im Jahr mein Atelier aufzuräumen", seufzt er.
Wenn es 2022 wieder Kunstdingertage geben sollte, dann war der letzte Termin dafür vor drei Jahren. Ein Abschied von den befruchtenden Tagen ist auch den Teilnehmern nie leicht gefallen. "Noch nach dem dritten Aufenthalt kein Heimatrecht, nur dieses: Gerne da", lautete die Bilanz von Künstler Claus Vogel in seinem "Versuch mit dem Dorf".
Pertolzhofener Kunstdingertage
- Ort: Zehentstadel und Atelier von Künstler Heiko Herrmann in Pertolzhofen
- Zeit: mit wenigen Ausnahmen jährlich für zwei Wochen Anfang Juli; Fest und Ausstellung zum Abschluss
- Teilnehmer: jeweils sechs Künstler aus Deutschland oder dem Ausland an maximal drei Treffen in Folge
- Aktuell: Heuer entfällt der Künstlertreff, 2022 eventuell Veranstaltung in verkürzter Form. Als Ersatz gibt es eine Ausstellung mit Werken früherer Teilnehmer in der "Kunsthalle" (Container am Freundschaftsweg in Pertolzhofen; bis 17. Oktober)
- Künstler: Die Ausstellung zeigt Werke von Harald Björnsgard, Matthias Dornfeld, Irene Fastner, Claudette Griffiths, Monika Gebhart, Heribert Heindl, Annegret Hoch, Heiko Herrmann, Wolfgang Herzer, Sabrina Hohmann, Stewens Ragone/Annette Reichhart, Cornelia Röhl, Paul Schinner, Peter Verburg, Claus Vogel, Maja und Richard Vogl sowie Nikolaus Westenberger.
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