Pfreimder Altstadthaus steht Pate für ein Kinderbuch

Pfreimd
30.11.2022 - 14:31 Uhr
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Die Mauern des realen Vorbilds in Pfreimd schweigen. Doch im Kinderbuch von Birgit Angerer und Stefania Peter bekommt "das Burggütl" eine Stimme. Dass die lauter sein kann, als ein Museum, davon sind beide überzeugt.

Mit dem Skizzenbuch unterm Arm wirft Stefania Peter noch einmal einen Blick auf das Original in der Judengasse, das man in Pfreimd unter vielen Namen kennt: als "Schlössl", als alte Schule oder als "Burggütl". Eine rot gestrichene Treppe, hält sie in Umrissen fest, einen zerbrochen Stuhl, einen alten Eimer. Nur nach Fotos zu zeichnen, das wäre "Flachwerk" erklärt die Architektin, "man muss einen Eindruck vom Raum bekommen". Die Eindrücke vom "Burggütl" sind im Grunde längst auf Papier gebannt, fein ausgearbeitet mit Tusche und Buntstift, ergänzt mit Texten von Birgit Angerer und als Buch erschienen. Eigentlich ein Kinderbuch. "Aber ein gutes Kinderbuch ist immer auch für Erwachsene interessant", sagt Stefania Peter.

Franziska Eichinger kann das als Lehrerin ganz klar bestätigen. Ihr gehört das erzählfreudige Haus, das hier Pate stand. Sie selbst kommt auch vor in dem Buch - als das kleine Mädchen Anna, das zu seinem Papa sagt: "Da möchte ich einmal leben!"

Die "Hauptperson" in dem ungewöhnlichen Kinderbuch ist allerdings ein Haus, das seit Jahrzehnten an der Stadtmauer im Dornröschenschlaf liegt. Ein Gebäude, das bessere Zeiten gesehen hat und nun auf eine Sanierung wartet. "Kein Mensch würde Neuschwanstein abreißen wollen, aber ländliche Bauten stehen ständig zur Diskussion", sagt Birgit Angerer, promovierte Kunsthistorikern, Kreisheimatpflegerin und bis 2019 Leiterin der Freilandmuseums Oberpfalz.

Hinter bunten Bildern und kindgerechter Sprache steckt penible Recherche und einiges an Fachwissen, vor allem aber ein Faible für Bauwerke mit Geschichte. Akribisch hat die Zeichnerin gearbeitet. Sie liest Baualterspläne an den Mauern ab, hält Spuren von Umbauten fest und kann als Architektin Manches ergänzen und frei interpretieren - Fledermäuse im Dachgebälk beispielsweise. Wie Angerer hat auch sie auf ein Honorar verzichtet, um dem Haus, das exemplarisch ist für viele andere Altbauten mit einer langen Geschichte, eine Stimme zu geben. Während Stefania Peter dabei auf historische Zeichnungen aus dem Reisealbum von Pfalzgraf Ottheinrich aus dem 16. Jahrhundert zurückgegriffen hat, konnte Birgit Angerer Stadtbrände, Schulwesen, Bauernleben und Bürgertum an diesem Beispiel festmachen, bis hin zum Traktor, der irgendwann nicht mehr durchs Tor passt.

"Inklusive "Suppenbrunzer"

Profitiert hat Angerer bei ihrer Recherche aber schon vom Museum, das sich bei der Entstehung des Buchs gerade im Aufbau befand. Jetzt kann man das reale Haus dort sogar auf einer digitalen Karte anklicken. "Für die Pfreimder sind im Buch viele Dinge wiederzuerkennen", meint die Autorin, "sogar der hier entdeckte Goldschatz kommt vor". Wer genau hinschaut findet noch mehr. Feuer und Kriege bleiben nicht ausgespart in den ergänzenden Bildern, feine Tuschzeichnungen, denen Buntstifte Farbe verleihen. Mal war der Text zuerst da, mal das Bild von der Bauernstube, in der alle aus einer Schüssel essen, direkt unterm "Suppenbrunzer". Liebevolle Details wie dieses Symbol für den Heiligen Geist, so genannt, weil durch das dampfende Essen manches Tröpfchen Kondenswasser in der Suppe landete, machen den Reiz dieses Kinderbuchs aus.

"Da könnte ich weinen", sagt Angerer, wenn sie beim Durchblättern des Buchs auf jener Seite angekommen ist, die vom Auszug der letzten Bewohner berichtet. "Ob Anna noch an mich denkt?", fragt sich das Haus. Die Illustratorin zeichnet Werkzeuge für eine Renovierung. Die Botschaft des Hauses ist klar: Wenn es ums Lernen über die Vergangenheit geht, ist ein Bauwerk Büchern und Museen manchmal überlegen: "Ich bin viel besser als ein Buch, denn an mir gehen viele von euch jeden Tag vorbei, und ich begleite euch ein ganzes Leben lang und erzähle meine Geschichten", erklärt das sprechende Haus.

Happy End bleibt offen

Ob die Geschichte nun auch im realen Leben ein Happy End findet, steht in den Sternen. "Weil ich auf der Denkmalliste stehe, kann Anna vielleicht sogar ein bisschen Geld bekommen", sagt das Haus ganz optimistisch unter der Zeichnung mit den Euroscheinen. Ein Satz, der die heute angesichts steigender Baupreise nicht ganz so optimistische Eigentümerin zu Tränen rührt.

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Pfreimd15.08.2021
Hintergrund:

Ein Denkmal-Buch und seine Schöpfer

  • Autorin: Birgit Angerer, promovierte Kunsthistorikerin, engagiert sich in vielen Organisationen für den Erhalt von Denkmäler, hat sich als Leiterin des Freilandmuseums Oberpfalz besonders in der Museumspädagogik engagiert
  • Illustratorin: Stefania Peter, hat an der TU München Architektur studiert, war in München an der Instandsetzung bedeutender Baudenkmäler beteiligt; viele ihrer Zeichnungen thematisieren Verlust und Verfall historischer Architektur
  • Buch: "Das Burggütl - ein Haus erzählt", erschienen im Volk Verlag München, Herausgeber ist der Landesverein für Heimatpflege; erhältlich im Buchhandel für 25 Euro
  • Ausstellung: Die Original-Zeichnungen zum Buch sind derzeit im Museum Pfreimd (Foyer; Treppenhaus) ausgestellt; geöffnet Donnerstag und Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr

Das Buch über das "Burggütl".
 
 

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