Pleystein
02.11.2018 - 16:33 Uhr

Ein Messer aus der Steinzeit

Landwirt Franz Schaller hat ein Feld mit Blick auf Pleystein gepachtet. Als er hier Unkraut jätete, stieß er auf den ungewöhnlichen Stein. Geformt wie ein Messer. An den Rändern glatt wie Glas.

Wie muss man sich das Leben in der Jungsteinzeit vorstellen? Dieses Bild zeigt eine Familie, die an einem Live-Experiment europäischer Steinzeitexperten 2017 in Schleswig Holstein teilnahmen. Bedingungen der Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit wurden nachgestellt - ganz offensichtlich mit Ausnahme der Brille. Bild: agentur_dpa
Wie muss man sich das Leben in der Jungsteinzeit vorstellen? Dieses Bild zeigt eine Familie, die an einem Live-Experiment europäischer Steinzeitexperten 2017 in Schleswig Holstein teilnahmen. Bedingungen der Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit wurden nachgestellt - ganz offensichtlich mit Ausnahme der Brille.
Franz Schaller mit dem Fund, der im Stadtmuseum Pleystein ausgestellt werden soll. Bild: ca
Franz Schaller mit dem Fund, der im Stadtmuseum Pleystein ausgestellt werden soll.
Ein Kartoffelacker birgt Geschichte. Wo Franz Schaller steht, stand vielleicht vor 6000 Jahren auch schon ein Bauer. Die Steinsichel stammt von den ersten sesshaften Landwirten der Region. Bild: ca
Ein Kartoffelacker birgt Geschichte. Wo Franz Schaller steht, stand vielleicht vor 6000 Jahren auch schon ein Bauer. Die Steinsichel stammt von den ersten sesshaften Landwirten der Region.

Ein wenig muss er geahnt haben, dass er einen außergewöhnlichen Fund gemacht hatte. Der Landwirt im Ruhestand, der den Hof letztes Jahr an Sohn Markus übergeben hat, putzte den Stein ein wenig ab, steckte ihn die Hosentasche - und gab ihn seinem Enkel Maximilian in die Schule mit. An der Vohenstraußer Realschule hatte man den richtigen Blick dafür: Die Lehrer holten eine Expertise ein. Volltreffer. Bei dem Stein handelt es sich um ein Werkzeug aus der Jungsteinzeit, meint Archäologie Andreas Boos. Genauer gesagt der jungneolithischen Altheimer Kultur des vierten Jahrtausends vor Christus. Geschätztes Alter des Steinmessers: 6000 Jahre.

Es gehörte damit praktisch einem "Vorgänger" der Schallers. Zu dieser Zeit ließen sich hier die ersten Bauern nieder. Nach Auskunft von Ernst Thomann aus Nabburg, ehemaliger Bezirksheimatpfleger in Archäologie, erfolgte die Besiedelung der Region ab der Jungsteinzeit (Zeitraum von etwa 4000 bis 5000 vor Christus bis 2000 vor Christus). "Damals wurde die Bevölkerung sesshaft." Die Landwirte von einst lebten von Ackerbau und Vieh, mahlten Getreide zu Mehl, hielten sich Ziegen, Schafe und Kühe. Und auch der Hund sei schon immer ein Begleiter des Menschen gewesen, weiß Thomann.

Das gefundene Werkzeug ist typisch für diese Zeit. Metall war noch nicht entdeckt, das folgte erst später in der folgenden Kupfer- und Bronzezeit. Die Jungsteinzeit-Menschen behalfen sich mit glasartigem Hornstein, auch "Silex" genannt. Die Sichel aus Pleystein ist gebrochen, könnte als ursprünglich ein Stück länger gewesen sein.

Eine Sensation ist der Fund nicht, es gab schon in den letzten Jahrzehnten einige neolithische Fundstellen in der nördlichen Oberpfalz: "Aber interessant ist die Fundstelle natürlich", meint Archäologe Boos. Sie belegt einmal mehr, dass sich in Nordostbayern in der Steinzeit eben nicht nur das Wildschwein an der Eiche die Schwarte kratzte. Davon waren Historiker lange Zeit ausgegangen: von einem völlig menschenleeren Gebiet, einem siedlungsfeindlichen Urwald.

Erst in den 60ern gelang dem Pleysteiner Heimatforscher Siegfried Poblotzki die Sensation. 1966 war der Weidener Gerhard Zückert bei der Suche nach den Resten des vermuteten Edeldorfer Burgstalls auf den ersten steinzeitlichen Fundplatz der Region gestoßen. Befeuert von diesem Zufallsfund begann Poblotzki mit der Suche nach steinzeitlichen Artefakten im Pleysteiner Raum. 1967 wurde er erstmals fündig. Auch Landwirt Schaller kennt die Geschichten über den 1997 verstorbenen Poblotzki, der stundenlang mit gesenktem Haupt und suchenden Blickes über die Felder streifte.

Eine Fundkarte im Stadtmuseum Pleystein zeigt einige Stellen, wo rund um die Stadt Pleystein Steinzeitgegenstände gefunden wurden. Darunter ist auch eben diese Flur Schwarzenbach in der Nähe des Pleysteiner Sportplatzes, wo Landwirt Schaller seine Steinsichel entdeckte. Aus der Flur Schwarzenbach stammen eine Spinnwirtel (Gewicht für eine Handspindel) sowie ein Wetzstein (Amulett). Das benachbarte Flurstück trägt den Namen "Eisenstraße".

Franz Schaller hat seinen Fund dem Museum überlassen. Der Wert ist ideell, der wirtschaftliche Wert einer gebrochenen Sichel ist laut Archäologe Boos "zu vernachlässigen". Museumsleiterin Grete Reger und Stadtheimatpfleger Bernd Piehler freuen sich über das neue Ausstellungsstück. Möglicherweise wird für das bisher größte jungsteinzeitliche Artefakt eine Vitrine eröffnet.

Archäologe Thomann, früher selbst leidenschaftlicher "Sucher", hat noch einen Tipp für den Landwirt: "Er soll nochmal drüberlaufen, wenn es geregnet hat. Regen ist eine große Hilfe bei der Suche."

 
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