Es hat gedauert bis Bundesregierung und Verfassungsschutz auf den wachsenden Rechtsextremismus reagiert haben. Zu lange waren beide vor allem darauf eingestellt, den islamistischen Extremismus zu bekämpfen. Gut möglich, dass dies an der medialen Offensive lag, mit der die Terrormiliz Islamischer Staat viele in den Bann gezogen oder erschreckt hat.
Die wachsende Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten fand lange kaum Beachtung. Auch nach dem Schock über das jahrelange, unerkannte Morden der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) hat sich in vielen Sicherheitsbehörden nicht grundlegend etwas geändert. Viele Aktivitäten der Rechtsextremisten wurden offensichtlich zu wenig ernst genommen.
Dies zeigt sich daran, dass der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke über Jahre in rechtsextremistischen Kreisen aktiv war, sein Name mehr als ein Dutzend Mal in den Akten des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses auftaucht, er aber nicht im Visier der Sicherheitsbehörden war. Vieles, was über rechtsextremistische Netze bekannt ist, haben Aktivisten und Journalisten enthüllt. Sie haben die Verbindung zwischen vermeintlich konservativen Politikern, rechtsradikalen Kräften und gewaltbereiten Rechtsextremisten aufgedeckt. Aus dieser Gemengelage ziehen letztere ihre Selbstermächtigung mit Gewalt vorzugehen, wie etwa die Gruppe "Revolution Chemnitz". Sie ist die dritte rechtsextremistische Terrorzelle, die nach dem NSU in Sachsen ausgehoben wurde.
Die Forderung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), Rechtsextreme zu entwaffnen, ist richtig. Dazu müssen die Sicherheitsbehörden genau hinschauen, das gilt für die Länder und den Bund. Der von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angekündigte Aus- und Umbau des Verfassungsschutzes ist der erste Schritt. Jenseits dessen gilt aber auch: Wer sich als demokratische Kraft versteht, sollte nicht Seite an Seite mit Rechtsradikalen und Rechtsextremisten durch die Straßen ziehen.
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